Mit Stefan Wallner verlässt ein erfahrener Stratege und beherzter Umsetzer die grüne Machtzentrale um Vizekanzler Werner Kogler.

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Leonore Gewessler wird Stellvertreterin des grünen Parteichefs.

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Gregor Günsberg ist neuer Kabinettschef bei Werner Kogler.

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Stefan Wallner war nicht nur der Kabinettschef von Vizekanzler Werner Kogler, vielen bei den Grünen galt er als derjenige, der alle Fäden in der Hand hält. Als einer, der organisiert, strukturiert und die Linie vorgibt, nicht nur im Ministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, dem Kogler vorsteht; Wallner kontrollierte auch vieles in der allgemeinen Regierungsarbeit – mehr, als manchen lieb war. Jetzt verabschiedet er sich aus der Politik.

Neben Wallner wird mit der Generalsekretärin Eva Wildfellner eine weitere Spitzenkraft das Team des Vizekanzlers verlassen. Die gebürtige Oberösterreicherin wechselt im September als Direktorin zur Arbeiterkammer Wien. Auch sie galt als wichtiger politischer Kopf im grünen Machtgefüge, auch wenn sie das "falsche" Parteibuch hat. Die Sozialdemokratin Wildfellner zählt zu den Hidden Stars der österreichischen Verwaltung, welche die Politik im Hintergrund managen – und zwar unabhängig davon, wer gerade regiert.

Aushife bei Mückstein

Kogler hatte ihr vertraut, er machte die Beamtin zur Generalsekretärin. In dieser zentralen Funktion prägt sie seitdem von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet die Regierungspolitik maßgeblich mit. Dass der zwischenzeitliche Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein zunächst gut ins Amt starten konnte, lag auch an Wildfellner – Kogler hatte sie dem Quereinsteiger für einige Monate als interimistische Kabinettschefin ausgeliehen.

Die Abgänge von Wildfellner und Wallner stellen eine tiefe Zäsur dar. Denn gerade die beiden sollen gut harmoniert haben, gemeinsam prägten sie bisher Strategie und Schlagkraft im Team Koglers.

Fragt man bei den Grünen nach, wer denn nun abseits der Parteispitze die strategische Arbeit machen wird, hört man in Regierungskreisen wie auch im Parlamentsklub: So klar sei das derzeit nicht.

Formal nachfolgen wird Wallner Georg Günsberg als Kabinettschef – er war an der Konzeption und bei den Verhandlungen rund um die ökosoziale Steuerreform beteiligt. Aber ob er Wallner in seiner Gesamtaufgabe ersetzen kann?

Hinzu kommt, dass ohnehin unklar ist, wie es mit den Grünen auf lange Sicht weitergeht. Selbst wenn die Koalition hält, endet die Legislaturperiode 2024. Ob sich danach für die Grünen noch einmal in irgendeiner Konstellation eine Regierungsbeteiligung ausgeht, ist fraglich. Am 30. April wird Werner Kogler beim grünen Bundeskongress erneut zum Parteichef gewählt werden – zumindest so viel steht einmal fest.

Potenzielle Nachfolgerin

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Im Zuge von Wallners Abgang wurde auch bekannt, dass Leonore Gewessler, die grüne Umweltministerin, demnächst Vizeparteichefin werden soll. Manche Grüne halten sie für eine potenzielle Nachfolgerin, wenn Kogler die Parteiführung abgibt. Gewessler wird innerhalb der Partei für ihre Arbeit geschätzt, doch ob sie für Oppositionsarbeit geeignet wäre, da melden viele Zweifel an. Kurzum: Auch langfristig betrachtet, gibt es bei den Grünen viele strategische Fragen zu klären.

Kogler gilt als eher unstrukturiert und fahrig, das wirkt sich in seinem Arbeitsstil aus. Umso wichtiger schien es, dass er ein Team hat, das straff organisiert ist. Das war die Aufgabe von Wallner. Ihm werden mehrere Eigenschaften zugeschrieben: Er sei nicht nur einer, der strategisch denkt und plant, sondern auch einer, der gerne in die konkrete Umsetzung kommt. Ein Macher, wie man so sagt. Und genau so einen brauchten die Grünen, bei denen viele die Regierungsarbeit eher zögerlich angingen. Wallner schaffte Ordnung, und seine harte Hand war durchaus geschätzt. Einen Preis als beliebtester Kollege sicherte er sich damit nicht, die Effizienz seiner Arbeit war aber unbestritten.

Wallner wirkte aber nicht nur nach innen und gab Kogler und damit auch den Grünen Halt, er wirkte sehr stark nach außen – und gab der ÖVP Contra. Das war seine zweite wesentliche Aufgabe, eine, die er mit Inbrunst erfüllte.

Comeback bei Anschober

Wallner war von 2009 bis 2016, also für eine erstaunliche lange Zeitspanne, Bundesgeschäftsführer der Grünen, ging dann zur Erste Group in die Privatwirtschaft. 2020 bildete Kogler nach einigen Turbulenzen – die Grünen flogen aus dem Parlament und zogen wieder ein – eine Koalitionsregierung mit der ÖVP unter Sebastian Kurz. Wallner feierte ein Comeback in der Politik: Er wurde Generalsekretär im Sozial- und Gesundheitsministerium unter Rudolf Anschober. In Corona-Zeiten war das einer der herausforderndsten Jobs in der Republik. Anschober, der auch von der ÖVP gehörig unterbuttert wurde, hatte jede Hilfe nötig. Dennoch wechselte Wallner im Juni 2020 zu Vizekanzler Kogler. Auch der hatte jede Hilfe nötig.

Wallner führte nicht nur ein strenges Regime nach innen, sondern zeigte auch Härte in Verhandlungen mit der ÖVP. "Es war seine Aufgabe, dass wir uns von der ÖVP nicht einlullen lassen", beschreibt ein grüner Insider Wallners Rolle. Wallner liebte diese Rolle, er gab sehr überzeugend den Bad Cop.

Darunter hatte mitunter sein türkises Gegenüber, Bernhard Bonelli, Kabinettschef von Kanzler Sebastian Kurz, zu leiden. Wallner trat nicht nur sehr bestimmt auf, er konnte auch laut werden. Das konnte Bonelli nicht. Bonelli hatte von Kurz zwar klare Aufträge, ist vom Wesen aber ein zurückhaltender Mensch. Bonelli tat sich mit Wallner nicht leicht.

In ÖVP-Kreisen bringt man Wallner Respekt entgegen, da gibt es fast kein schlechtes Wort. Im Kanzleramt macht man allerdings kein Hehl daraus, dass man über den Abgang von Wallner erleichtert ist – er war die härteste grüne Nuss, mit der man es zu tun hatte.

Job erfüllt

Wallner selbst hält seinen neuerlichen Abgang aus der Politik für logisch. Er hatte diesen angekündigt – und sein Job sei erfüllt. Nach dem Abflug von Kurz tue man sich auf grüner Seite mit dem neuen Team um Kanzler Karl Nehammer viel leichter. Die Arbeit sei kleinteiliger, aber auch harmonischer geworden.

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Wallners Nachfolger GeorgGünsberg ist sehr sachorientiert – und ein eher zurückhaltender Typ, anders als Wallner. Wenn Wallner als Bad Cop gilt, ist Günsberg der Good Cop, ein freundlicher Mensch, der weniger Wert darauf legt, anderen die Welt zu erklären, wie Wallner das gerne tut. Günsberg ist in der Partei gut vernetzt, er hat sie jahrelang begleitet und beraten, ehe er jetzt selbst ins Zentrum der grünen Macht katapultiert wurde.
(Oliver Das Gupta, Katharina Mittelstaedt, Michael Völker, 13.4.2022)