"Ich bin eigentlich immer in die Kirche gegangen, auch in meiner Jugendzeit, während ich in die HTL ging. Nach der Matura hab ich als Techniker in Deutschland zu arbeiten begonnen. Und auch dort hab ich geschaut, über die Kirchengemeinde Kontakt zu den Leuten zu bekommen. Das war wertvoll für mich, ich habe dort Freundschaften geknüpft, die bis heute andauern. Damals hab ich nie im Traum daran gedacht, dass ich Priester werde.

Nach vier Jahren bin ich wieder zurück nach Österreich und kam in Kontakt mit der Charismatischen Gemeindeerneuerung, einer ökumenischen Aufbruchsbewegung. Dort habe ich einen sehr frohen Glauben kennengelernt und auch eine persönliche Gottesbeziehung erfahren. Diese Erfahrung war sehr prägend, sodass ich dann den inneren Ruf gespürt habe, Priester zu werden.

Dass ich nicht heiraten darf, war nicht das Problem. Ich habe einen Deal mit Gott abgeschlossen. Ich habe gesagt: ‚Ich gehe diesen Weg, aber ich darf kein Komplexhaufen werden, wenn ich nicht in einer ehelichen Beziehung leben kann.‘ Die innerliche Antwort war dann: Ja, darum kümmert er sich, aber ich muss schauen, dass ich immer im Gebet verwurzelt bleibe. Ich halte mich an den Deal, und er hält sich auch daran.

Violett, die Farbe der Fastenzeit: Pfarrer Karl Sperker in seiner Kirche im oberösterreichischen Sierning.
Foto: Hermann Wakolbinger

Fehlendes Personal

1987 habe ich mit dem Priesterseminar und dem Theologiestudium begonnen, und 1995 wurde ich zum Priester geweiht. 2003 bin ich dann als Pfarrer nach Sierning in Oberösterreich gekommen. Rund 4000 Mitglieder zählt unsere Gemeinde. Im Laufe der Zeit sind noch andere Pfarren dazugekommen, und so bin ich neben Sierning auch für vier weitere Pfarrgemeinden verantwortlich. Die Verantwortlichkeit eines Pfarrers umfasst vier Bereiche: die sakramentalen Dienste, den seelsorglichen und pastoralen Bereich. Als dritten die wirtschaftlichen Belange, von der Personalverantwortung über die Finanz bis hin zur Gebäudeverantwortung. Und der vierte Bereich ist der Religionsunterricht an Schulen.

Da wegen des Personalmangels ein Pfarrer für mehrere Gemeinden zuständig ist, wurde der Religionsunterricht großteils ausgegliedert. Auch der ganze Verwaltungsbereich – für den ein Pfarrer ja kaum ausgebildet ist – wird immer öfter in andere Hände gegeben. Seit kurzem hab ich dafür eine Pfarrverwalterin.

Ich lebe mit unserem Kaplan und der Krankenhausseelsorgerin in einer geistlichen Hausgemeinschaft. Wir beginnen den Tag mit einem Gebet in der Hauskapelle, danach kommt das Frühstück und um halb acht der Gottesdienst in der Kirche. Das ist fast jeden Tag so, außer Montag, das ist mein freier Tag. Nach dem Gottesdienst erledige ich verschiedene Aufgaben, bereite Predigten vor oder führe anstehende Gespräche. Dazu gehört auch der Austausch mit den vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in den Pfarren in unterschiedlicher Funktion tätig sind.

Viel Vorbereitung

Vor allem jetzt zu Ostern ist viel Koordinierungsleistung notwendig, weil viele Ehrenamtliche eingebunden sind. Ich selber könnte schon eine Routine dafür entwickeln und kurz vor Beginn des Festreigens mit den Vorbereitungen beginnen – für den Chor oder die Leute, die sich in Lesungen einlesen, braucht es aber mehr Vorlauf. Ostern mag für Außenstehende intensiv erscheinen, die Weihnachtszeit ist aber intensiver, weil mehr Feiern zwischen den Sonntagen liegen, die Adventkranzsegung, Nikolaus, der 8. Dezember.

Mit den Leuten im Gespräch zu sein zählt für mich zu den schönen Momenten. Wenn am Schluss beim Gegenüber spürbar wird, dass es wertvoll und wohltuend war. Das passiert nicht unbedingt während einer Taufe oder einer Hochzeit, sondern meist im vorbereitenden Gespräch. Ich bin auch jede Woche im Ausspracheraum – man kann auch Beichtraum dazu sagen. Da finden Gespräche statt, die etwas lösen, wo die Leute auch in Tränen ausbrechen, wo sie froh sind, dass sie das einmal herauskotzen konnten.

Berechtigte Kritik

Es gibt aber auch Gespräche, die für mich sehr fordernd sind, wo die Kirche gerechtfertigt in der Kritik steht. Missbrauch ist leider nach wie vor ein Thema, aber auch jetzt bei Corona, wo sich die Kirche durchaus positioniert hat. Die Impfungen im Stephansdom haben nicht allen gefallen. Da haben sich Leute bei mir gemeldet und gesagt, dass das eine Sauerei sei, dass sie sich in der Kirche nicht mehr beheimatet fühlen und daher austreten. Auch die Arbeit mit den Ehrenamtlichen kann herausfordernd sein. Da muss man oft ausgleichend agieren, denn wo viele zusammenarbeiten, gibt es auch viele Meinungen.

Den Ausgleich schaffe ich mit Meditation. Ich versuche jeden Tag, eine Stunde zu meditieren. Wichtig ist für mich auch, dass ich am Montag pfarrlich nicht fix verankert bin, da kann ich wegfahren. Einmal im Monat verbringe ich dann einen Tag im Kloster und mindestens einmal im Jahr eine Woche schweigend auf Exerzitien. Ich hab auch fünf Wochen Urlaub. Da gehe ich im Winter eine Woche Ski fahren, und im Sommer besuche ich gern meine Freunde, die ich noch von meiner Berufstätigkeit in Deutschland kenne.

Ich bin viel in Gesprächen, zum Ausgleich hab ich aber die Stille lieber." (Gudrun Ostermann, 17.4.2022)