Digitale Talente würden oft ein Stellenangebot ablehnen oder sich überhaupt nicht bei Unternehmen bewerben, die sie als nicht inklusiv wahrnehmen.

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Der Personalmangel in der IT ist enorm: In Österreich fehlen derzeit rund 24.000 Fachkräfte, in Deutschland sind es 94.000 offene Stellen. Tech-Talente können sich ihren Arbeitgeber demnach aussuchen und haben laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company auch hohe Ansprüche.

Sie wollen in agilen Unternehmen mit flachen Hierarchien, kleinen Teams und neuester Technik arbeiten und dabei möglichst wenig psychischem Druck ausgesetzt sein. Auch die Werte der Firma sind Auswahlkriterien für Jobsuchende in der IT-Branche, besonders Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion sind oft genannte Anforderungen. Gewappnet für den "War for Talent" sind die meisten Betriebe jedoch noch nicht: Die große Mehrheit sieht sich laut der Studie noch nicht ausreichend auf den Fachkräftemangel vorbereitet.

Individuelle Karrierewege

Nicht nur Bewerberinnen und Kandidaten, sondern besonders Firmen müssen sich in ihrem besten Licht darstellen: "Mit der großen Anzahl an offenen Stellen können sich IT-Expert:innen mittlerweile aussuchen, welches Unternehmen ihren Werten entspricht. Hier punkten Firmen mit Unternehmenskulturen, die auf Diversität, Gleichbehandlung und Inklusion achten und auf kleine, agile Teams setzen", sagt die Studienautorin und österreichische Associate Partnerin bei McKinsey & Company, Ranja Reda Kouba.

Digitale Talente würden oft ein Stellenangebot ablehnen oder sich überhaupt nicht bei Unternehmen bewerben, die sie als nicht inklusiv wahrnehmen. Laut der Studie schneiden Firmen mit geschlechtsspezifischer Diversität durchschnittlich um 24 Prozent besser ab als jene mit geringerer Vielfalt. Bei ethnischer Diversität beträgt dieser Unterschied sogar 33 Prozent.

Eine offene Firmenkultur mit individuellen Karrierewegen sollte keine Besonderheit sein, sondern sei laut den Studienautoren eine strategische Notwendigkeit. Mehr als zwei Drittel der Entwicklerinnen und Entwickler geben an, sich nicht in Management-Positionen entwickeln zu wollen, sondern ziehen es stattdessen vor, ihr Handwerk zu pflegen und sich immer anspruchsvolleren digitalen Herausforderungen zu stellen. Eine offene Unternehmenskultur bedeutet für die Befragten auch, ein Umfeld der "psychologischen Sicherheit" zu schaffen, in dem Probleme schnell angesprochen werden können und eine aktive Einbindung der Beschäftigten in den Betrieb erfolgt.

Schlecht vorbereitet

Besonders gefragt sind Fachkräfte in den Bereichen der Automatisierung, Cybersicherheit und Datenschutz sowie Datenmanagement und Cloud-Services. "Allein im Bereich der Cybersicherheit waren weltweit im Jahr 2020 drei Millionen Stellen unbesetzt, bei unserem Nachbarn Deutschland dürften rund 780.000 zusätzliche Tech-Spezialist:innen bis 2026 benötigt werden. Das zwingt die Unternehmen dazu, noch mehr in ihr Employer Branding zu investieren, um möglichst attraktiv für Bewerberinnen und Bewerber zu sein", sagt Reda Kouba.

Denn derzeit geben noch 87 Prozent der weltweit befragten Führungskräfte an, dass ihre Unternehmen nicht ausreichend auf den Fachkräftemangel vorbereitet sind. 61 Prozent der befragten HR-Manager sehen das Einstellen von geeignetem Personal sogar als größte Herausforderung der Zukunft. (red, 15.4.2022)