Der Mathematiker Oded Goldreich bekommt trotz Kritik den Israel-Preis.

Foto: Weizmann Institute of Science

Wenn man sich durch Oded Goldreichs persönliche Homepage klickt, stößt man bald auf einen Link, versehen mit dem Warnhinweis: "Politik – Eintritt auf eigene Gefahr". Wer mutig ist und sich vorwagt in die Meinungssphäre des prominenten israelischen Mathematikers und Informatikers, gelangt bald zu einer "kurzen Zusammenfassung meiner politischen Ansichten".

Hier springt ein in roter Fettschrift gehaltener Aufruf ins Auge: "Sofortige Beendigung dieser Besatzung". Der 65-Jährige spricht von Israels Okkupation des Westjordanlandes seit 1967, diese habe die israelische Gesellschaft "korrumpiert". Vielleicht ist es nicht alltäglich, dass Mathematiker ihre politischen Ansichten auf der Institutshomepage ausbreiten. Doch man ist in Israel – und in Israel ist alles politisch.

Israel-Preis

Zum Politikum wurde auch die Vergabe des Israel-Preises an Goldreich. Die höchste Auszeichnung für kulturelle Verdienste um den Staat Israel hätte eigentlich schon im vergangenen Frühjahr verliehen werden sollen, so wollte es die unabhängige Jury. Erst jetzt nimmt die seit einem Jahr dahinbrodelnde Affäre ihr tosendes Ende.

Bildungsminister Yoav Gallant von Benjamin Netanjahus Likud-Partei war wenig begeistert von der Auswahl der Jury. Goldreich forscht am Weizmann-Institut in Rehovot zu Zufallsgeneratoren und Kryptografie, doch das war es nicht, was den Minister störte. Dass Goldreich sich mehrmals in Petitionen an die EU für einen kritischeren Umgang mit Israels Siedlungspolitik ausgesprochen hatte, missfiel Gallant. Er weigerte sich, den Preis an Goldreich zu verleihen. Die Empörung war groß, die Jury zog vors Höchstgericht. Und der Gerichtshof entschied vor zwei Wochen, dass das Bildungsministerium zu weit gegangen war.

Preis muss verliehen werden

Dort sitzt inzwischen eine andere Ministerin, die über Goldreich aber nicht anders denkt als ihr Vorgänger (und Ex-Parteikollege) Gallant. Die Gerichtsentscheidung sei "falsch", sagte sie. Doch half alles nichts, der Preis musste verliehen werden.

Am vergangenen Montag fand die Zeremonie statt, die Ministerin blieb ihr fern. Der Preis ist mit 22.000 Euro dotiert. Goldreich nahm das Geld nicht an: Er widmete es fünf NGOs, die sich lautstark für ein Ende der Besatzung starkmachen. Und er bedankte sich herzlich – und zwar bei den beiden Bildungsministern: Dank ihnen habe sein Forschungsgebiet mehr Aufmerksamkeit erhalten denn je zuvor. (Maria Sterkl, 15.4.2022)