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Die meiste Zeit fahren Autos nicht, sie stehen – und das im Schnitt 23 Stunden. Europaweit werden sie nur eine Stunde täglich bewegt und wenn, sitzt eine Person oft alleine darin. Gleichzeitig fahren auf österreichischen Straßen immer mehr Autos. Über sieben Millionen Kraftfahrzeuge waren bis Ende 2021 zugelassen, 116.000 waren im Vergleich zum Vorjahr hinzugekommen. Mehr als 1,3 Millionen Zweit- und Drittautos gibt es hierzulande laut dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ), höchstens zehn Prozent aller privaten Autos sind gleichzeitig unterwegs. In Sachen Ressourcen- und Platzverbrauch ist das wenig effizient.

Für Menschen, die dieses Dilemma umgehen wollen, aber gelegentlich ein Auto brauchen, bietet Carsharing längst eine Alternative. Neben klassischen Anbietern wie Sharenow oder E-Loop, deren Autos in Städten wie Wien fast an jeder Straßenecke stehen, gibt es mittlerweile noch eine andere Möglichkeit, an ein Auto zu kommen: privates Carsharing. Dabei verleihen Privatpersonen anderen ihr Auto gegen Geld.

Teilen mit Vorteilen

Neben informellen Zusammenschlüssen, wie der privaten Whatsapp-Gruppe unter Bekannten, existieren für diese Form des Carsharings bereits spezielle Anbieter. Darunter etwa der US-amerikanische Dienst Getaround und der dänische Anbieter Gomore, die in Österreich private Autobesitzer und Mieter über ihre Plattformen vernetzen. Doch deren Nutzerzahlen sind genauso überschaubar wie die Verbreitung von privatem Carsharing in Österreich generell. Nur rund sieben Prozent der Autofahrenden in Österreich haben laut eigenen Angaben bereits ein Auto von einem privaten Carsharing-Anbieter genutzt. "In Österreich führt das private Carsharing eher ein Schattendasein. Vielen Menschen ist es gar nicht so bewusst, dass es Lösungen à la Airbnb auch für Autos gibt", sagt Paul Stegmüller von Gomore im STANDARD-Gespräch.

Dass sich mehrere Leute ein Auto teilen, hat grundsätzlich viele Vorteile. Aus ökologischer Sicht bedeuten weniger Autos auf den Straßen niedrigere CO2-Emissionen und Luftschadstoffe. Zudem spart das Teilen Rohstoffe, die bei der Autoherstellung anfallen. Kostenmäßig ist es günstiger, ein Auto zu leihen, als eines zu besitzen, da Fixkosten für Sprit, die Wartung und Reparatur nur aliquot anfallen. In urbanen Räumen bedeuten weniger Autos mehr Platz – je nach Art des Angebots ersetzt ein Carsharing-Fahrzeug zwischen fünf und 16 Pkws. Im Alltag ermöglichen Sharing-Angebote es Bürgern, spontaner und flexibler zu entscheiden, welches Verkehrsmittel sie nutzen. Studien legen nahe, dass Menschen, die Carsharing verwenden, häufiger umweltfreundliche Verkehrsmittel nutzen.

Mehr Flexibilität

Der Unterschied von privaten zu kommerziellen Carsharing-Anbietern wie Sharenow oder E-Loop, die nur mit ausgewählten Modellen auffahren und in Städten auf eine Infrastruktur angewiesen sind, ist vor allem die Flexibilität bei Standort und Fahrzeugwahl. "Ein Vorteil ist, dass wir die gesamte Bandbreite an Fahrzeugen anbieten können", sagt Stegmüller. Zudem sei der Dienst in ganz Österreich verfügbar.

Vor allem auf dem Land ist Carsharing nur wenig verbreitet, da sich für kommerzielle Anbieter die Investitionen nicht lohnen. Vermehrt stellen Gemeinden ihren Bürgern daher eigene Carsharing-Angebote bereit. Die Finanzierung bleibt jedoch ein Problem. "Die Angebote, die ich kenne, sind entweder subventioniert oder höchstens kostendeckend", sagt Lina Mosshammer vom VCÖ im Gespräch mit dem STANDARD. Dementsprechend sei es schwierig, hier ein langfristiges, gutes Angebot kommerziell anzubieten. Das Potenzial für privates Carsharing sei daher groß.

Akzeptanz als Hürde

Generell fehlt es diesem allerdings noch an einem gesetzlichen Rahmen, etwa bei steuerlichen Grenzen für Einkünfte aus dem privaten Autoverleih. Anbieter pochen daher auf Lösungen durch den Gesetzgeber, etwa geringere Versicherungssteuern für Menschen, die ihr Privatauto für Carsharing anbieten. Eine gesetzliche Lösung könnte sein, kommerziellen und privaten Carsharing-Anbietern Parkgebühren zu erlassen oder ihnen eigene Flächen auszuweisen, um das Angebot attraktiver zu machen.

Nicht zuletzt mangelt es aber noch an gesellschaftlicher Akzeptanz, wenn es darum geht, fremden Personen das eigene Auto zu leihen. Das Auto ist ein emotionales Thema. "Wir haben Erfahrungen über die gesamte Bandbreite gemacht. Wir haben Leute, die aus einer Überzeugung heraus ihre Autos auf die Plattform stellen", sagt Stegmüller. "Aber wir haben auch die typischen Leute auf Facebook, die schreiben, dass das Auto ihre ,heilige Kuh‘ ist, die sie nicht hergeben."

Beschädigungen melden

Zu kommunizieren, dass die Sicherheit des Autos gewährleistet ist, und dadurch Ängste abzubauen ist laut Mosshammer essenziell. Da Nutzer wie bei kommerziellen Anbietern über die Plattformen registriert sind, lassen sich Beschädigungen oder Verschmutzungen am Auto leicht zuordnen. Eine Garantie, dass das Auto wohlbehalten zurückkommt, gibt es freilich nicht.

Gerade Verschmutzungen verhindere der persönliche Kontakt mit Autobesitzern jedoch oft, so Stegmüller. "Die Leute passen viel mehr auf, wenn es von einer anderen Privatperson geliehen ist, deren Gesicht und Namen sie kennen", sagt er. Ihrer Erfahrung nach seien die meisten Fahrzeuge sauber, wenn sie zurückgebracht werden. Passiert doch einmal ein Unfall, arbeiten Plattformen wie Gomore mit Partnerfirmen zusammen, über die Nutzer ihre Schadensfälle abwickeln.

Eine Zutat im Mobilitätsmix

Mosshammer und Stegmüller betonen, dass mehr Leute überhaupt erst von privatem Carsharing erfahren müssten. "Sehr vielen Menschen ist nicht bewusst, dass es diese Angebote gibt und dass es insbesondere die Möglichkeit gibt, das über gewisse Plattformen anzubieten", sagt Mosshammer. Je mehr Leute privates Carsharing nutzen, desto sicherer ist laut Stegmüller die Chance, auch in kleineren Städten ein privates Auto zu leihen.

Anbieter sind optimistisch, dass sich das private Carsharing künftig weiter durchsetzen wird. Statistiken rechnen mit bis zu 500.000 Menschen in Österreich, die im Jahr 2025 Carsharing nutzen werden. Privates Carsharing bleibt in Zukunft jedoch – neben Bahn und Bus, dem Rad oder dem Weg zu Fuß – nur eine weitere Zutat im Mobilitätsmix. (Florian Koch, 18.4.2022)