"Him" im Jüdischen Museum in Wien.

Foto: David Bohmann

Hitler. Mit diesem Thema lässt sich jede Diskussion verlässlich sabotieren. Da kniet der kleine Hitler also in der Beletage des Jüdischen Museums, links und rechts gerahmt von halbvollen Bücherregalen. Der italienische Künstler Maurizio Cattelan hatte 2002 drei Wachsfiguren des büßenden Führers anfertigen lassen, indem er nicht viel mehr als eine Idee an ein Atelier faxte. Damit begründete er auch seinen Ruf als Agent Provocateur.

Ein Exemplar von Him (Er) stand jahrelang in der Bibliothek eines geborenen Wieners, bei Stefan Edlis, der als Jugendlicher im allerletzten Moment vor den Nazis flüchten und sich in Chicago ein neues Leben aufbauen konnte. Wie es sei, als jüdischer Sammler mit dieser Skulptur zu leben, wird Edlis in einer HBO-Kunstmarkt-Doku gefragt. Das sei eine faire Frage, entgegnet der, aber irrelevant, denn Kunst ist Kunst. Und damit sabotiert Hitler auch diese Diskussion. Der Star in Eine (un-)erfreuliche Reise. Stefan Edlis’ Leben nach IHM im Jüdischen Museum ist aber ohnehin Stefan Edlis.

Späte Genugtuung

Seinen alten Pass hat dieser dem Jüdischen Museum kurz vor seinem Tod im Jahr 2019 überlassen – so wie auch seine Geschichte. Die Flucht der aus Wien ausgewanderten Familie im Frühjahr 1941 wird zur Tortur. In den Staaten leitet Stefan Edlis ein Unternehmen für Plastikteile, er liebt außergewöhnliche Autos und bald auch Kunst, die er später zum großen Teil einem Museum in Chicago überlässt. Die Lebensstationen sind in einem Katalog festgehalten. Im Ausstellungsraum lässt sich das Trauma ebenso nachspüren wie die späte Genugtuung, IHN zu besitzen. (Stefan Niederwieser, 16.4.2022)