"Die Liechtensteins werden wir noch brauchen": So machte eine ÖVP-Beraterin Thomas Schmid auf die Steuersache der Liechtensteins aufmerksam. Die Finanz prüfte sechs Jahre lang.

Foto: Palais Liechtenstein GmbH/Fotomanufaktur Grünwald

Drohte der Fürstenfamilie Liechtenstein eine saftige Steuernachzahlung in Österreich, und gab es darob Interventionen im Finanzministerium? Im parlamentarischen U-Ausschuss blieb die von Nina Tomaselli (Grüne) jüngst gestellte Frage unbeantwortet und damit eine Randnotiz. Denn der ehemalige Finanzminister Hans Jörg Schelling konnte sich nicht erinnern, ja höre überhaupt das erste Mal davon, wie er bekundete.

Tomaselli legte daraufhin den entsprechenden Chatauszug vor, in dem die ÖVP-Beraterin Gabriela Spiegelfeld die Angelegenheit im Juli 2017 an Thomas Schmid herantrug. Der Fürst rege sich auf, da dessen Investitionen "in der Bankgasse" als "Liebhaberei deklariert werden" sollten. Er sei sauer und erwäge, nicht mehr in Österreich zu investieren. "Kannst Du Marie Liechtenstein anrufen", "Bitte, wichtiger Kontakt!!!!", insistierte Spiegelfeld und schickte Schmid die Handynummer gleich mit. "Oh Gott! Ich kümmere mich darum!!", reagierte der Generalsekretär im Finanzministerium prompt. "Perfekt. Die Liechtensteins werden wir noch brauchen", antwortete ihm Spiegelfeld.

Zig-Millionen-Nachzahlung drohte

Worum es in dieser Sache ging, lässt sich jedenfalls zum Teil rekonstruieren. Das Fürstenhaus hatte das Stadtpalais in der Bankgasse in der Wiener Innenstadt rund vier Jahre lang, bis zum Frühjahr 2013, einer sehr aufwendigen Generalsanierung unterzogen. Die Kosten dafür hatten sich auch wegen der Auflagen des Denkmalschutzes auf ungefähr 100 Millionen Euro belaufen. Rechnen sich derartige Investitionen wirtschaftlich nicht, kann die Finanzbehörde selbige als Liebhaberei einstufen und die im Vorhinein abgezogene 20-prozentige Umsatzsteuer (Vorsteuer) auf einen Schlag fällig stellen, skizzierte Tomaselli. Pi mal Daumen könnte es folglich um eine drohende Nachzahlung in der Größenordnung von 20 Millionen Euro gegangen sein.

Eine STANDARD-Anfrage bei der Liechtenstein Group in Wien bringt etwas Licht ins Informationsdunkel. Einige Monate nach der Eröffnung des Palais, dessen laufende Kosten über Vermietungen für Events und Führungen gedeckt werden sollten, hatte demnach eine Großbetriebsprüfung begonnen, die dann sechs Jahre lang dauern und erst im November 2019 enden sollte. Erhoben worden sei der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit der Investitionen in die Renovierung, heißt es in der Stellungnahme.

Privatnutzung unterstellt

Zudem sei dem Fürstenhaus "trotz Vollvermietung unterstellt" worden, "das Palais nicht betrieblich, sondern privat nutzen zu wollen". Damit wäre eben keine Vorsteuerabzugsberechtigung vorgelegen, und es sei auch eine Steuernachnachzahlung gefordert worden, bestätigt man. Beide Annahmen der Finanz hätten sich als falsch herausgestellt, in den letzten Jahren seien aus Vermietung und Führungen sogar höhere Erlöse als ursprünglich angenommen erzielt worden.

Ob Fürstenhaus oder Liechtenstein Group in dieser Angelegenheit damals an höherer Stelle interveniert haben? Die Antwort: Die Betriebsprüfung sei "über sechs Jahre zu keinem Ergebnis" gekommen und die "ursprünglich geforderte Steuernachzahlung nicht nur als strittig, sondern sogar als rechtswidrig und unvertretbar" angesehen worden.

Mehr als vier Jahre wurde das Stadtpalais renoviert, um mehr als 100 Millionen Euro.
Foto: Imago/Imagebroker

Brief an Kanzler Kurz

Deswegen habe sich Constantin Liechtenstein, der jüngste Sohn des Fürsten und Chef der damaligen Stiftung Fürst Liechtenstein, schriftlich an Bundeskanzler Sebastian Kurz gewendet. Der Brief sei in Kopie an Hartwig Löger, damals Finanzminister, und Gernot Blümel als Kanzleramtsminister gegangen. Das Schreiben vom 23. Mai 2019 sei unbeantwortet geblieben. Zur Erinnerung: Kurz davor war das Ibiza-Video veröffentlicht worden.

Welche Rolle Marie Liechtenstein, die Ehefrau von Constantin Liechtenstein, nunmehr einer der Managing Partner und Chef der Liechtenstein Group, zugedacht gewesen war? "Keine", heißt es auf Anfrage. Sie selbst sagt unter Verweis auf diese Erklärung, sie habe damit "nichts damit zu tun gehabt. Ich bin eine Hausfrau."

Prüfung dauerte bis 2019

Falls es je zu dem von Spiegelfeld angeregten Telefonat mit Thomas Schmid gekommen sein sollte, dürfte der Erfolg eher bescheidener Natur gewesen sein. Denn die Prüfung lief ja noch mehr als zwei Jahre weiter, bis Ende 2019. Spiegelfeld selbst erzählt, sie habe bei einem Treffen von der Empörung im Fürstenhaus und dessen Idee des Rückzugs aus Österreich gehört. Ein solcher wäre für den Wirtschaftsstandort Österreichs sehr nachteilig gewesen – und deswegen habe sie Schmid informiert. Das habe sie auch mit ihrem Satz, man werde die Liechtensteins "noch brauchen", gemeint.

Zum Ergebnis der langwierigen Steuerprüfung gibt die Liechtenstein Group keine Stellungnahme ab. Und die Frage, ob Spenden an die ÖVP oder andere Parteien in Österreich geflossen sind, wird verneint. (Olga Kronsteiner, Renate Graber, 15.4.2022)