Auch im Everest Base Camp macht Judoweltverbands-Botschafterin Sabrina Filzmoser Werbung für den Frieden.

Foto: Filzmoser

Für die 41-jährige Sabrina Filzmoser beginnt sogar der Weg auf den Mount Everest mit Judo. Gut, ein bisschen beginnt er auch mit dem Manaslu, mit 8163 Metern immerhin der achthöchste Berg der Welt. Die Spitzenjudoka bestieg ihn nach den Olympischen Spielen 2016. Die Liebe zu den höchsten Bergen war gefestigt, die Ama Dablam (6814 m) folgte. Und natürlich faszinierte Filzmoser auch der Everest. Sie las unzählige Bücher, hat "die Geschichte aufgefressen". Aber: "Er ist in den Hintergrund gerückt, weil es nur mehr mit einer kommerziellen Expedition möglich und sehr teuer ist."

Und hier kommt Judo ins Spiel. Der Sport hat Filzmoser bis zu ihrem Karriereende 2021 vier Olympia-Teilnahmen, zwei WM-Bronzemedaillen und zwei Europameistertitel beschert. Da ist es nur logisch, dass der "sanfte Weg" auch das soziale Engagement der Welserin prägt – im Kleinen wie im Großen. Sie chauffierte Tokio-Bronzemedaillengewinner Shamil Borchashvili in Wels einst zum Training, ist Klima- und Friedensbotschafterin des Judo-Weltverbands sowie Chefin der Athletenkommission.

Filzmoser (Zweite von rechts) mit von ihr unterstützten Judoka.
Foto: Filzmoser

Vor allem unterstützt Filzmoser Judoprojekte im Himalaya. Sie organisiert und koordiniert Ausrüstung und Trainer, den in zwei Schulen tätigen Everest Judo Club gründete sie selbst. Eine junge Athletin stach heraus: Phupu Lamu Khatri. "Sie ist in ein Waisenhaus gekommen, wo wir ein Judoprojekt haben. Sie ist mir von Anfang an extrem aufgefallen und hat sich super entwickelt", erzählt Filzmoser. Sie setzte sich international für die Judoka ein, dank einer Wild Card trug die damals 19-Jährige in Rio 2016 Nepals Fahne.

Glückliche Fügung

Und jetzt geht es zurück in die Berge, denn die sind in Nepal nie weit. Phupu Lamu Khatri hat nämlich einen Cousin namens Mingma David Sherpa, und der ist einer der besten Bergsteiger der Welt – treuen STANDARD-Leserinnen und -Lesern mag der Name von seiner Wintererstbesteigung des K2 bekannt vorkommen. Die Familie, die Region sind Filzmoser offensichtlich dankbar. "Mingma David hat mir dann versprochen: ‚Okay, du bist bei mir im Team für den Everest‘", sagt sie. Der 32-Jährige hat die Judoka schon auf den Manaslu und die Ama Dablam begleitet, er war der jüngste Mensch auf allen 14 Achttausendern. "Ich bin sehr gut aufgehoben."

So richtig begonnen hat Sabrina Filzmosers Weg auf den Mount Everest dann auf dem Nullpunkt. "Wenn, dann mache ich es gescheit", sagte sie sich. Gescheit, das heißt für die Puristin: vom Meeresspiegel bis zum Gipfel, und zwar ohne Sauerstoff. Also plante Filzmoser eine Radtour vom Badeort Digha am Golf von Bengalen bis zum Fuße des Himalaya. Laxmi Magar und Harka Lama, zwei befreundete nepalesische Mountainbike-Aushängeschilder, halfen bei der Organisation und taten sich die Ochsentour ebenfalls an.

Strapazen

Start am Meer.

Die Hitze im Tiefland war heftig: "Auf Seehöhe zu starten heißt in Indien: Es hat jeden Tag 40 Grad." Aber Österreichs Sport kannte in den letzten Jahrzehnten kaum zähere Athletinnen als Filzmoser. Sie verletzte sich bei Kämpfen, sie kämpfte verletzt, und sie kämpfte sich von Verletzungen zurück. 52 Tage nach einem Kreuzbandriss wurde die damals 40-Jährige Staatsmeisterin. Wetter und Strapazen waren also nicht die größte Herausforderung, diese Rolle übernahmen die lokalen Behörden.

Filzmosers Reise begann Anfang März mit einer Festnahme. In Delhi wurde ihr ein im Höhenbergsteigen übliches Satellitentelefon zum Verhängnis, diese sind in Indien verboten. Offiziell wegen Terroristen, inoffiziell … nun ja, Stichwort Anwaltskosten. "Dank unserer Botschaft hatte ich schon am nächsten Tag eine Verhandlung und wurde freigesprochen." Die Botschaft und das Konsulat in Kathmandu seien generell "Feuer und Flamme für das Projekt", Filzmoser schwärmt von der erhaltenen Hilfe bei der Logistik.

Akklimatisierung

Für 1.083 Kilometer und 9.953 Höhenmeter hatte das Trio elf Tage gebraucht, das war weniger als erwartet. Filzmoser schlug ihr Zelt im Basislager also ungewöhnlich früh auf. "Ich hatte das Riesenglück, dass ich dadurch mit jedem hier Kontakt hatte." So erlebte sie die Arbeit der Icefall-Doctors, die zu Beginn der Saison den berüchtigten Khumbu-Eisfall mit zahllosen Leitern sichern – eine lebensgefährliche, aber unverzichtbare Arbeit. Der Strom aus Eisbrocken ist permanent in Bewegung.

Da Filzmoser den Gipfelsturm ohne künstlichen Sauerstoff plant, braucht sie mehr Zeit zur Akklimatisierung. Die anderen elf aus ihrer Expedition werden mit Flaschen versorgt, nur Superstar Nirmal Purja und "vielleicht ein, zwei andere Sherpas" wollen auf die Hilfe verzichten. Filzmoser machte also Höhentouren und sammelte dabei Plastikmüll ein. "Ich bin richtig gut akklimatisiert." Ein Spaziergang sei der Aufenthalt im auf gut 5.300 Metern gelegenen Basislager trotzdem nicht. "Es ist eiskalt, ich liege im Daunenschlafsack." Auch im Zelt habe es minus 15 Grad, wenn die Sonne scheine, seien es auch mal plus fünf.

Alle drei sollen auf den Gipfel.
Foto: Filzmoser

Nach drei ruhigen Wochen kamen am Karfreitag der Rest der Bergsteigerwelt und mit ihm der große Trubel. "Jetzt bin ich drei Wochen im Sherpazelt gesessen und habe Dal Bhat gegessen – und plötzlich ist alles fünf Sterne", sagt Filzmoser. DER STANDARD ist über die Entwicklung nicht unglücklich, denn das für perfekte Tonqualität beim Interview nötige Internet brachte erst Asma Al Thani mit. Das Mitglied der katarischen Königsfamilie will den Spielball der Fußball-WM auf den Gipfel bringen.

Filzmoser hat da andere Sorgen. Sie will Aufmerksamkeit und Spenden für ihre Projekte lukrieren. Mitte Mai will sie auf dem Gipfel stehen. (Martin Schauhuber, 19.4.2022)