"Pegasus" ist auch in Großbritannien angekommen.

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Ungarische Investigativreporter, französische Journalistinnen, die Verlobte des ermordeten, saudischen Journalisten Jamal Khashoggi, US-Diplomaten in Uganda und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Das ist nur ein Auszug aus der langen Liste von Betroffenen, gegen die die von der israelischen NSO Group entwickelte Spähsoftware "Pegasus" bislang eingesetzt worden sein soll.

Nun wächst die Aufzählung erneut an. Wie die Sicherheitsforscher des Citizen Lab bekannt gaben, wurde auch die britische Regierung zum Ziel solcher Überwachung. An mehreren Stellen konnten sie Anzeichen einer vergangenen Infektion mit dem Trojaner entdecken.

Handy in Johnson Büro betroffen

Entdeckt wurden Hinweise auf Pegasus unter anderem im Netzwerk des Büros des Premiers Boris Johnson. Es soll sich um ein Handy gehandelt haben, doch welches Gerät genau betroffen war, konnte das Cyber Security Centre nie herausfinden. Dementsprechend tappt man auch im Dunklen bei der Frage, welche Informationen ausgespäht worden sind.

Wenigstens fünf Hacks mithilfe der Spyware gegen Telefone des Foreign, Commonwealth and Development Office (FCO) hält man ebenfalls für gesichert. Sie sollen zwischen Juli 2020 und Juni 2021 stattgefunden haben.

Die Experten analysierten die IP-Adressen, die die Spyware angesteuert hatte, um abgegriffene Informationen zu verschicken. Den digitalen Einbruch bei Johnson führt man auf dieser Basis auf die Vereinigten Arabischen Emirate zurück. Beim FCO führen die Spuren nicht nur in die VAE, sondern auch nach Jordanien, Zypern und Indien.

Weitere Fälle in Katalonien

Es ist nicht der einzige Pegasus-Angriff, der nun neu ans Licht gekommen ist. Eine Abhörkampagne gab es auch in Katalonien. Hier sollen 60 Politiker, Anwälte und Aktivisten im In- und Ausland angegriffen worden sein. Citizen Lab verdächtigt hier die Regierung in Madrid, dahinter zu stecken. Ein ehemaliger NSO-Mitarbeiter erklärte gegenüber dem New Yorker, dass jedenfalls ein spanisches Kundenkonto bei der Firma registriert ist. Die NSO Group arbeitet nach eigenen Angaben nur mit Regierungen und Behörden zusammen, weigert sich aber, seine Kunden konkret zu nennen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Spuren der Spyware auf Handys katalanischer Politiker gefunden wurde. 2020 war bekannt geworden, dass Roger Torrent, der damalige Sprecher des katalanischen Regionalparlaments, sowie andere Mandatsträger auf Seiten der Unabhängigkeitsbefürworter überwacht worden waren. Die Frage nach dem Status der Region ist ein innenpolitisch seit je her ein heißes Eisen und drohte im Rahmen eines Referendums zu eskalieren.

Dieses fiel bei einer Wahlbeteiligung von 43 Prozent mit einer 90-Prozent-Mehrheit für eine Unabhängigkeit von Spanien, die unter turbulenten Bedingungen durchgeführte Abstimmung wurde jedoch vom Verfassungsgerichtshof des Landes für verfassungswidrig erklärt. Es kam zu einer Anklage gegen mehrere Politiker der Separatisten-Bewegung, die teilweise das Land verließen oder inhaftiert wurden – gefolgt von späteren Freilassungen. Madrid setzte zudem temporär die Selbstverwaltung der Region aus. Diese wurde 2018 wieder zugelassen, nachdem separatistische Parteien in den Regionalwahlen eine Mehrheit erringen konnten. Das Verhältnis zwischen ihnen und der spanischen Regierung ist weiterhin zerrüttet.

Mindestens 45 Länder

Pegasus soll in wenigstens 45 verschiedenen Ländern Einsatz finden. Und wenngleich dabei immer wieder Verbindungen zu autoritären Regimen auftauchen, sollen sich im Kundenkreis auch US-Behörden und eine Reihe anderer Demokratien befinden.

Für die NSO Group könnten die neu bekannt gewordenen Fälle zusätzlichen Ärger bedeuten. Betroffene Aktivisten, aber auch die Techriesen Meta (vormals Facebook Inc.) und Apple gehen gerichtlich gegen das Unternehmen vor, das Lücken im mobilen Betriebssystem iOS und dem Messenger Whatsapp ausgenutzt hat, seinen Kunden die Verbreitung des Trojaners zu ermöglichen. Dazu gibt es Kritik von Investoren und der Versuch, weitere Geschäfte mit US-Behörden zu etablieren, soll laut Branchenkennern zunehmend ins Straucheln geraten.

Man werde "von einer Reihe politisch motivierter Interessensvertretungen attackiert von denen viele eine bekannte Anti-Israel-Haltung haben", heißt es laut New Yorker in einer Stellungnahme des Unternehmens. Man habe "immer wieder mit Regierungsuntersuchungen kooperiert, wenn es glaubhafte Anschuldigungen gab und (…) die Absicherungsmaßnahmen für unsere Technologien verbessert." Er habe nie erwartet, dass diese Firma "so berühmt" werde, zitiert man weiters CEO Shalev Hulio. "Ich habe auch nie gedacht, dass wir so erfolgreich würden. Und ich habe nie geglaubt, dass dies so umstritten sein wird." (gpi, 18.4.22)