Die Analyse von Daten aus 16 europäischen Ländern zeigt die Unterschiede auf zwischen Personen, die über geringe, mittlere oder gute Bildung verfügen.
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Wer möglichst lange und möglichst gesund leben will, sollte sich ausgewogen ernähren, Sport treiben sowie auf Dinge wie Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum verzichten. Das ist den meisten Menschen klar. Dabei wird man nicht nur von der eigenen Genetik, sondern auch vom Umfeld, dem Gesundheitssystem und dem Rahmen der eigenen Möglichkeiten mitgeprägt.

Zu beeindruckenden Zahlen kamen zwei kürzlich veröffentlichte Studien: So können Männer mehr als 20 Lebensjahre "verlieren", wenn sie einen ungesunden Lebensstil pflegen und schlechte Blutwerte haben. Hingegen ist es Menschen, die eine positive Einstellung gegenüber dem Altern pflegen und dafür Pläne machen, möglich, im Durchschnitt 13 Jahre länger zu leben.

Mortalitätsdaten nach Abschluss

Wie viele Jahre ihres Lebens Menschen in Gesundheit verbringen, hängt auch von der Bildung ab, zeigt ein Forscher des Instituts für Demografie der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in einer im Fachjournal "SSM – Population Health" veröffentlichten Arbeit. Er verglich darin Daten aus 16 europäischen Ländern.

Markus Sauerberg hat untersucht, wie sich der Anteil gering, mittel oder gut Gebildeter an der Gesamtbevölkerung auf die durchschnittliche gesunde Lebenszeit in den einzelnen Ländern auswirkt. Als gesundes Lebensjahr gilt dabei jedes Jahr, in dem die Befragten angaben, in ihrem täglichen Leben nicht eingeschränkt zu sein. Der Demograf, der seit Anfang des Jahres am deutschen Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung arbeitet, nutzte dafür unter anderem die Mortalitätsdaten nach Bildungsabschluss aus der Eurostat-Datenbank, die für 16 Länder vorliegen – für Österreich allerdings nicht.

16 Länder, fast 16 Jahre Unterschied

Besonders auffällig ist der Zusammenhang von Bildung und gesunder Lebenszeit in Ungarn: Dort können 30-jährige Männer mit niedrigem Bildungsabschluss im Schnitt noch gut 24 gesunde Lebensjahre erwarten, gleichaltrige Ungarn mit hohem Bildungsabschluss dagegen noch fast 40 Jahre. Bei den Frauen hat Finnland die größte Differenz – mit noch 20 gesunden Lebensjahren für 30-jährige Frauen mit niedrigem Bildungsabschluss und 34 gesunden Lebensjahren für gleichaltrige Finninnen mit hoher Bildung.

Aber auch in anderen Ländern klaffen die Werte für unterschiedliche Bildungsgruppen weit auseinander. Die Spanne reicht dabei von knapp fünf Jahren in Rumänien bis zu über 15 Jahren in Ungarn.

Größe der Bildungsgruppen

Für das Gesamtergebnis eines Landes ist es aber entscheidend, wie groß die unterschiedlichen Bildungsgruppen jeweils sind. So haben in Portugal etwa 71 Prozent der Männer einen niedrigen Bildungsabschluss, in Polen lediglich 16 Prozent. Dadurch liegt die verbleibende gesunde Lebenszeit aller 30-jährigen polnischen Männer bei 33,4 Jahren. 30-jährigen Portugiesen dagegen bleibt im Schnitt ein gutes Jahr weniger.

Das ist überraschend – denn für die einzelnen Bildungsgruppen sind die Werte in Portugal durchwegs höher. Vergleicht man also die einzelnen Bildungsgruppen der beiden Länder miteinander, schneiden die Portugiesen bei der verbleibenden gesunden Lebenszeit jeweils besser ab, im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung allerdings nicht.

Gezielte Maßnahmen durch die Politik

Ähnliches gilt beim Vergleich von Frauen in Bulgarien und Italien: Während Italienerinnen in allen Bildungsgruppen höhere oder ähnlich hohe Werte wie Bulgarinnen haben, schneiden sie insgesamt schlechter ab. Der Grund liegt darin, dass in Bulgarien der Anteil der Frauen mit niedrigem Bildungsabschluss nicht einmal halb so hoch ist wie in Italien.

Mit diesem Wissen könnte die Politik Gesundheitsmaßnahmen gezielter einsetzen, schreibt Sauerberg in der Arbeit. Staaten wie Polen müssten tendenziell an einem gut funktionierenden Gesundheitssystem arbeiten. In anderen Ländern sind es andere strukturelle Nachteile, die besser geregelt werden könnten. In Portugal etwa gibt es zwar erfolgreiche Projekte zur Wissenschaftsvermittlung, doch die in der Studie gezeigten Unterschiede in Sachen Bildungsniveau und ihre möglichen Folgen deuten darauf hin, dass hier weiter Ungleichheiten abgebaut werden könnten. (APA, red, 19.4.2022)