Der Stau an Containerschiffen im chinesischen Meer bedeutet für die chinesischen Fabriken weniger Exporte und für die europäische Industrie längere Wartezeiten auf wichtiges Vormaterial.

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Wien – Trotz Personalmangels in vielen Unternehmen sind in Österreich fast 50.000 Menschen in Kurzarbeit. Tendenz steigend. Diese Woche sind laut Angaben des Arbeitsministeriums 46.989 Personen zur Kurzarbeit vorangemeldet – das sind um 4312 Personen mehr als vor einer Woche. Grund für die gestiegenen Voranmeldungen seien großteils kriegsbedingte Lieferengpässe, erklärte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am Dienstag via Presseaussendung.

Verschlechtert werden die Aussichten in der Industrie durch den seit mehr als drei Wochen dauernden Lockdown in Schanghai. Automobilkonzerne wie Tesla, Volkswagen und Saic sowie Halbleiter- und Medizinfirmen bereiten die Wiederaufnahme der Produktion in ihren Fabriken längst vor. Auch der größte chinesische Autohersteller Saic Motor begann mit Stresstests, die der Wiederaufnahme der Produktion dienten. Volkswagen erklärte, dies in seinem Gemeinschaftsunternehmen mit Saic zu prüfen.

Containerschiffe im Stau

In den Häfen stauen sich derweil die Container. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Folgen dieses Staus an Waren und Gütern in Europa ankommen. Damit wird die aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine herrschende Mangelwirtschaft in europäischen Produktionsstätten wie im BMW-Motorenwerk in Steyr oder bei Steyr Automotive verlängert. Die Lieferkettenprobleme zahlreicher Firmen würden sich weiter verschärfen, prognostiziert der Internationale Währungsfonds in seinem neuen Bericht, das werde Europa bald spüren.

Der Lockdown in Schanghai sowie die gesteigerte Unsicherheit aufgrund drohender zukünftiger Lockdowns in China führen zu starken Störungen in den internationalen Lieferketten, beispielsweise in der Elektronikindustrie, konstatiert Tina Wakolbinger vom Institut für Transport und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien. Dies bleibe nicht ohne Folgen für europäische Unternehmen. Spätestens in zwei bis drei Wochen werde man das hierzulande spüren, warnen Industrie-Vertreter.

Auch die Seidenstraße betroffen

Laut dem deutschen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist inzwischen auch die Seidenstraße weniger frequentiert, weil Spediteure Risiken eingingen, würden sie Waren über den Landweg nach Europa befördern. Das betrifft insbesondere die nördliche Route über Russland, die bis Duisburg führt.

Für die von der Automobilindustrie abhängige Metallverarbeitungsindustrie verschärfen sich dadurch die bestehenden Probleme aufgrund der Halbleiterknappheit. Dies alles auf einem bereits relativ hohen Krisenniveau. Denn bereits der Ausfall von Asow-Stahl, dem am Dienstag vom russischen Aggressor gestürmten Stahlwerk in Mariupol, brachte massive Probleme. Es fehle insbesondere dem Stahlbau an Vormaterial aus der Ukraine, das auf die Schnelle aufgrund der hohen Nachfrage kaum zu ersetzen sei, heißt es im Fachverband der Metalltechnischen Industrie.

Horrende Preise

Der Umgangston zwischen Lieferanten und Einkäufern sei inzwischen rüde, hört man. Wer nicht nehme, was teils zu horrenden Preisen angeboten werde, bleibe auf der Strecke, insbesondere wenn es um hochqualitative Stahlvorprodukte gehe, berichten mit der Materie vertraute Funktionäre. Dies zusammen mit den horrenden Energiepreisen bringe die Unternehmen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.

Die Chipkrise beschränkt sich übrigens nicht auf die Industrie. Ihre Folgen schlagen inzwischen auf die Banken und die Finanzbranche durch. Die auf Konsumkredite spezialisierte Santander Consumer Bank beispielsweise erwartet aufgrund der zunehmenden Chip-Lieferschwierigkeiten und der längeren Lieferzeiten im Neuwagenbereich eine Delle bei der Nachfrage nach Kfz-Krediten und -Finanzierungen, sagte Bank-Chef Olaf Peter Poenisch. (Luise Ungerboeck, 19.4.2022)