Hinter dem Telegram-Kanal "Beamte für Aufklärung" stehen maßgeblich hochrangige Angehörige des Bundesheeres.

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Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Telegram-Kanal "Beamte für Aufklärung" kaum von anderen aus dem Milieu der Corona-Demonstrierenden: Es wird gegen die Impfung und die Bundesregierung gewettert, Frauen werden abschätzig als "Weiber" bezeichnet, Beiträge werden geteilt, die von der FPÖ, der Impfgegnerpartei MFG und vermeintlichen Nachrichtenseiten, die russische Kriegspropaganda verbreiten, stammen. Dazu kommen Artikel über das Bundesheer. Damit sticht der Telegram-Kanal hervor, denn hinter den "Beamten für Aufklärung" stehen maßgeblich hochrangige Angehörige des Bundesheeres. Als Wortführer tritt Oberst Hermann Mitterer auf. Der Telegram-Kanal ist dem Verteidigungsministerium bekannt und wird "durch unsere Dienste laufend beobachtet", sagt der Bundesheersprecher Michael Bauer.

Klassisch rechtsextreme Propaganda

Wer den Telegram-Kanal bespielt, ist unklar. Die Beiträge werden anonym verfasst. Die rund 2.400 Abonnenten des Kanals bekommen allenthalben auch klassisch rechtsextreme Propaganda zu sehen. Österreich wird als "deutsches Land" bezeichnet, und es wird vor einem angeblichen Bevölkerungsaustausch gewarnt: "Die angestammte deutsche Bevölkerung wird gezielt durch Fremdvölkische ersetzt. Vorrangig durch Araber, Asiaten (v. a. Afghanen) und Negride", ist dort etwa zu lesen.

Die "Beamten" verbreiten die Verschwörungserzählung von einem angeblichen Bevölkerungsaustausch.
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Politiker und Politikerinnen werden als "Politdarsteller" bezeichnet, die "Direktiven der selbsternannten Weltelite um Rockefeller, Morgan, Rothschild, Soros, Gates und Co umsetzen". Sätze, die aus einem Lehrbuch für Antisemiten stammen könnten.

In einem Beitrag auf Telegram ist von Weltenlenkern die Rede.
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Die Implikation ist klar: Reiche Juden steuern das Weltgeschehen. Die jüdische Bankiersfamilie Rothschild ist seit Jahrhunderten Ziel von Hetzkampagnen und Verschwörungstheorien. Ihr Name wird häufig verwendet, um die angebliche Allmacht des Weltjudentums über das internationale Finanzwesen zu illustrieren. Der 1930 in Ungarn geborene Shoah-Überlebende George Soros ist durch seinen Einsatz für Menschenrechte und seine als "links" oder "liberal" geltende Gesellschaftsideen weltweit zum Feindbild geworden. Der Philanthrop und Investor gilt Antisemiten vieler Schattierungen als politischer Gegner.

Stimmung gegen die Impfung

Öffentlich bekannt wurden die "Beamten für Aufklärung", als sie Ende des vergangenen Jahres einen offenen Brief veröffentlichten, in dem gegen die Impfung Stimmung gemacht wurde und die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit einer "Vergewaltigung" verglichen wurden. Mit dem Schreiben haben sich Unterzeichner, darunter freiheitliche Personalvertreter und der ehemalige Kommandant der sechsten Jägerbrigade, ein Disziplinarverfahren eingehandelt. Unter dem Namen von Oberst Mitterer fand sich auf dem Brief die Telegram-Adresse der "Beamten für Aufklärung". Dass der Telegram-Auftritt von den Nachrichtendiensten des Bundesheeres beobachtet wird, zeigt wohl, dass die Gruppe nicht als "harmlose Spinner" gesehen werden kann.

Mitterer trat auch als Redner bei mindestens einer Corona-Demonstration auf, anderen Kundgebungen schickte er Videobotschaften. Mitterer hat schon in der Vergangenheit für Aufsehen gesorgt. Im Jahr 2018 veröffentlichte er ein im einschlägigen Kopp-Verlag erschienenes Buch mit dem Titel "Bevölkerungsaustausch in Europa: Wie eine globale Elite die Massenmigration nutzt, um die einheimische Bevölkerung zu ersetzen". Der Titel ist ein Klassiker aller rechtsextremen Schlüsselbegriffe von den Identitären bis zum "Manifest" des Attentäters von Christchurch, der bei seinen Anschlägen 2019 insgesamt 51 Menschen ermordete. In seinem neuesten Buch widmet sich Mitterer Corona. Titel: "Mit einer Schein-Pandemie in die Knechtschaft".

Monika Donner und Gottfried Küssel

Eine Unterzeichnerin des offenen Briefes hat in den vergangenen Monaten den Bogen offensichtlich überspannt. Ende März ging ihr Dienstverhältnis als Juristin im Verteidigungsministerium zu Ende. Monika Donner trat mehrfach als Rednerin bei Corona-Demonstrationen auf. Und sie verfasste auch Bücher, in denen sie obskure Verschwörungserzählungen teilte. Aktuell tourt sie mit einer Vortragsreihe durchs Land. Donner wiederum ist eine Bekannte eines amtsbekannten Wirts im niederösterreichischen Bezirk Neunkirchen. Dort fanden auch "Strickkurse" mit Donner und Österreichs bekanntestem Neonazi, Gottfried Küssel, statt. Beide treten auch gemeinsam in einer Onlinetalkrunde auf, wo sie über aktuelle Themen schwadronieren.

Ende März musste auch ein Aktivist der Identitären das Bundesheer verlassen. Er war mit dabei, als von der Gruppe Mitte März rassistische Flyer in der Wiener U6 aufgelegt wurden, wie die Gruppe "Österreich Rechtsaußen" auf Twitter öffentlich machte.

"Überfremdung ist kein Schicksal: Wehr dich!", war darauf zu lesen. Beherzte Fahrgäste sammelten die Zettel ein und informierten die Wiener Linien, die rechtliche Schritte gegen die Rechtextremen prüfen lässt. (Markus Sulzbacher, 20.4.2022)