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Infizierte Separatisten in Barcelona.

Foto: AP Photo/Joan Mateu, File

Den Skandal machte jetzt die kanadische Gruppe Citizen Lab öffentlich. Mindestens 65 Personen wurden von 2017 bis 2020 Ziel eines Spyware-Angriffs auf ihr Telefon – darunter der derzeitige Präsident der katalanischen Autonomieregierung, Pere Aragonès, sowie drei seiner Vorgänger, Quim Torra, Artur Mas und der im belgischen Exil lebende Carles Puigdemont. Die katalanische Regierung hat als Reaktion die Beziehungen mit Madrid eingefroren und fordert sofortige Aufklärung. Und ein Anwaltsteam will am kommenden Montag Klage gegen das israelische Technologieunternehmen NSO in mindestens sechs europäischen Ländern einreichen, neben Spanien auch in Frankreich, der Schweiz, Belgien, Deutschland und Luxemburg. Dort wurden die Handys infiziert.

Citizen Lab, eine Einrichtung der Universität in Toronto, taufte den Fall Catalan Gate, in Anlehnung an den US-amerikanischen Watergate-Skandal. Zum Einsatz kam in 63 Fällen das NSO-Spyware-Programm Pegasus und in vier Fällen das aus dem gleichen Land stammende Programm Candiru. Es handle sich – so Citizen Lab – um den größten Spionagefall, seit sie zu Pegasus arbeiten.

Links verschickt

Um die Handys zu infizieren, wurden Links per SMS oder Whatsapp verschickt. Es handelte sich meist um die Aufforderung, das Telefon zu aktualisieren – oder um vermeintliche Mitteilungen der spanischen Sozialversicherung. 51 Handybesitzer gingen in die Falle. Ihr Handy konnte fortan ausgelesen werden. Außerdem erlaubt Pegasus die Fernsteuerung von Kamera und Mikrofon.

Neben den vier Präsidenten der katalanischen Regierung wurden Mitglieder der Zivilgesellschaft sowie Abgeordnete des katalanischen Parlaments und des Europaparlaments und einige Angehörige Opfer des Angriffs. Auch Anwälte wurden ausspioniert, so etwa Puigdemonts Rechtsbeistand Gonzalo Boyé, der jetzt die Klage gegen NSO ausarbeitet.

Citizen Lab kann "die Operation nicht hieb- und stichfest einer bestimmten Regierung zuschreiben". Allerdings würden "eine Reihe von Umständen auf eine Verbindung auf eine oder mehrere spanische Regierungseinrichtungen" hinweisen. Das spanische Innenministerium erklärte auf Anfrage der spanischen Presse, es habe ebenso wenig wie die spanische Polizei Zugang zu Pegasus. Allerdings ermittelte die spanische Tageszeitung "El País" bereits im Juni 2020, dass der spanische Geheimdienst CNI Kunde bei NSO ist.

Dutzende Länder waren schon betroffen

Citizen Lab hat Pegasus bereits 2018 auf Telefonen in 45 Ländern festgestellt, darunter Ruanda, Bahrain, Kasachstan, Marokko, Mexiko, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien. Das Softwareunternehmen NSO will davon ebenso wenig gewusst haben wie vom Catalan Gate. Das Programm, das ausschließlich an Regierungen verkauft wird, diene dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität und den Terrorismus, heißt es immer wieder aus Tel Aviv.

Für Puigdemonts Anwalt Boyé "stehen wir vor dem größten Angriff auf die Grundprinzipien eines demokratischen Staates, den es in den letzten Jahrzehnten in Europa gegeben hat". Eine EU-Kommission zu Pegasus-Einsätzen in Polen und Ungarn nimmt sich fortan auch Spaniens an. (Reiner Wandler aus Madrid, 20.4.2022)