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Eine Filiale der Bank Austria.

Foto: Ronald Zak/dapd

Wien/Kiew/Moskau – Die Lebensmittelpreise steigen seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs weiter und erreichen neue Höchststände. Der Preisanstieg nähert sich laut Bank Austria heuer dem Rekordniveau von 6,7 Prozent aus dem Jahr 2008. Einkommensschwache Haushalte sind besonders betroffen. Österreichs Lebensmittelversorgung ist durch den Krieg kaum gefährdet, er belastet aber die Lebensmittelverarbeiter und erhöht die Verbraucherpreise. Ein Gaslieferstopp würde die Branche erheblich behindern.

Kein Ende des Preisanstiegs

Im heimischen Großhandel war Getreide im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 53 Prozent teurer. Ein Ende des Preisanstiegs sei nicht in Sicht, so die Unicredit Bank Austria. Der Preis für in Wien notierten Qualitätsweizen etwa hat sich Ende März mehr als verdoppelt. "Mit den höheren Preisen für Energie und Agrarrohstoffe haben sich auch Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Saatgut massiv verteuert, und die Produktionskosten anderer Lebensmittel sind gestiegen", so Bank-Austria-Ökonom Günter Wolf.

Die Verteuerung der Lebensmittel hat die Supermärkte erreicht, schrieb die Bank Austria am Mittwoch in einer Pressemitteilung. Bereits im Jänner und Februar seien Nahrungsmittel um 4,5 Prozent teurer geworden. Das bedeute für einen Durchschnittshaushalt, der laut Konsumerhebung 2020 monatlich 351 Euro für Lebensmittel ausgibt, eine Mehrbelastung von 16 Euro pro Monat. Brot und Getreideerzeugnisse verteuerten sich heuer in den ersten beiden Monaten um durchschnittlich 5,8 Prozent, Gemüse um 7,7 Prozent, unterdurchschnittlich war der Preisanstieg bei Fleisch und Fleischwaren (plus 3,9 Prozent) und Molkereiprodukten (plus 2,8 Prozent).

Haushalte mit niedrigem Einkommen besonders betroffen

Einkommensschwache Haushalte trifft die Verteuerung besonders stark: Ein Durchschnittshaushalt gibt elf Prozent seines Konsumbudgets für Lebensmittel aus, bei Haushalten im niedrigsten Einkommensfünftel sind es fast 16 Prozent.

Die Lebensmittelversorgung in Österreich werde durch den Krieg kaum gefährdet. "Der Konflikt bedroht zwar keinesfalls die Ernährungssicherheit in Österreich, belastet allerdings die Lebensmittelverarbeiter in Österreich über die stark gestiegenen Agrarprodukt- und Brennstoffpreise und treibt letztendlich die Verbraucherpreise für Lebensmittel an." Österreich beziehe aus Russland und der Ukraine "keine nennenswerten Mengen an Agrarprodukten". Die Bedeutung als Abnehmer österreichischer Lebensmittel sei ebenfalls gering, rund 2,3 Prozent aller Lebensmittelexporte entfallen auf die beiden Länder. Ein Teil der Exporte werde auf jeden Fall wegfallen, zudem seien die Tochterfirmen und Joint Ventures österreichischer Unternehmen in beiden Ländern gefährdet.

Gaslieferstopp hätte erhebliche Auswirkungen

Ein Ausfall russischer Gaslieferungen würde die Nahrungs- und Genussmittelproduktion in Österreich hingegen "erheblich behindern". Die Branche decke rund 55 Prozent des Energieverbrauchs mit Erdgas ab und sei damit der fünftgrößte Gasverbraucher im Produktionssektor.

Die Konjunkturaussichten für die Lebensmittelerzeuger in Österreich für 2022 haben sich laut Bank Austria verschlechtert und sind von hoher Unsicherheit geprägt. Nach einem deutlichen Umsatz- und Produktionsplus und mehr Beschäftigung in den ersten beiden Monaten hätten sich mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges die ursprünglich sehr optimistischen Produktionserwarten für heuer reduziert.

Schlechtere Finanzen

Kurzfristig dürfte die Lebensmittelnachfrage jedenfalls sinken. "Die real verfügbaren Haushaltseinkommen werden 2022 voraussichtlich das dritte Jahr in Folge sinken und damit auch die Konsumnachfrage dämpfen. Ende März ist die Konsumentenstimmung in Österreich wie im Euroraum auf ein ähnlich tiefes Niveau wie zuletzt in der Wirtschaftskrise 2008–2009 gesunken", so Wolf. Ein hoher Anteil rechne mit einer Verschlechterung der finanziellen Situation in den nächsten zwölf Monaten.

In den Pandemiejahren 2020 und 2021 gab es massive Nachfrageeinbußen: 2020 ist der Lebensmittelkonsum in Österreich laut Bank Austria preisbereinigt um elf Prozent gesunken "und hat sich 2021 nochmals leicht verringert". Die Produktion ist 2021 um 2,4 Prozent gestiegen, das Minus von 3,4 Prozent von 2020 wurde damit nicht ganz ausgeglichen. Kräftige Erzeugerpreiszuwächse sorgten 2021 aber für ein Umsatzplus von sechs Prozent auf 19,5 Milliarden Euro. Den größten Wachstumsbeitrag lieferten die Auslandsumsätze mit plus neun Prozent auf 7,4 Milliarden Euro. (APA, 20.4.2022)