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Wer vor dem Flug eigenhändig selbst eincheckt, muss sich am Flughafen trotzdem wieder anstellen.

Foto: Reuters/LINDSEY WASSON

Schnell zum Supermarkt eilen und dort die Einkäufe für die Grillparty erledigen. Und dann natürlich bei der Selfservicekassa bezahlen, weil dort alles schneller geht ... richtig? Nein, inzwischen nicht mehr. Denn waren Selbstbedienungskassen in ihren Anfangszeit noch die erste Wahl für Early Adopter, um den langen Schlangen aus dem Weg zu gehen, so steht man dort inzwischen oft ebenso lange an wie beim menschlichen Pendant – und wenn ich dann endlich an der Reihe bin, muss ich die Ware selbst einscannen, worin ich freilich weniger routiniert bin als die Angestellte, der in seinem beruflichen Alltag jeden Handgriff perfektioniert hat.

Zwei Verlierer

Diese Beobachtung ist nicht neu. Aber lässt man sie gedanklich sacken, so ist sie äußerst bedrückend. Denn was uns einst als Innovation verkauft wurde, das entpuppt sich nun als Lose-lose-Situation: Die Kundin ist frustriert, weil sie sich weder Zeit noch Geld erspart, sondern streng genommen unentgeltlich für den Supermarkt arbeitet – die Angestellte wiederum sieht täglich, wie sie schrittweise von einer Maschine ersetzt wird. Die digitalen Geister, die wir riefen, werden wir nicht mehr los.

Die Selbstbedienungskasse im Supermarkt ist nicht das einzige Szenario, mit dem man uns gehörig an der Nase herumgeführt hat. So hat es sich herumgesprochen, dass man vor einem Flug die eigene Freizeit investieren kann, um selbst einzuchecken – anstehen tut man nun stattdessen am Baggage-Drop-off.

Bequemlichkeit bringt Entmenschlichung

Damit einher geht eine Entmenschlichung in Handel und Dienstleistung, die in der Pandemie zusätzlich an Fahrt gewann. Essen gehen und mit dem Kellner Schmäh führen? Nicht nötig, wenn der Bote das Essen auch wortlos an die Tür liefert. Kino mit Freunden? Ach was, doch lieber zu Hause selbst die Filmvorführung starten.

Unser Konsumverhalten prägt unsere Gesellschaft. Mit jedem ausgegebenen Euro stimmen wir ab, in welcher Welt wir leben wollen. Dessen sollten wir uns bewusster werden – und trotz einer reizvollen kurzfristigen Zeitersparnis auch bedenken, wohin uns ein eingeschlagener Weg mittel- bis langfristig führt. (Stefan Mey, 21.4.2022)