Beim Überholen eines Fahrrads müssen Autos künftig 1,5 Meter Abstand halten – ein Punkt der geplanten Reform der Straßenverkehrsordnung, bei dem sich ÖVP und Grüne einig sind.

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Wien – Seit zwei Jahren verhandeln ÖVP und Grüne, nun ist es bald so weit: Die Straßenverkehrsordnung (StVO) wird novelliert. Die geplante Reform soll die Straßen in Österreich für Radfahrerinnen und Radfahrer sicherer machen. Eine entsprechende Regierungsvorlage soll noch vor dem Sommer eingebracht werden, heißt es vom Klimaschutzministerium.

Die Straßenverkehrsordnung stamme in vielen Bereichen aus den 60er-Jahren, heißt es aus dem Ministerium. "Unser Ziel ist es, den Stellenwert des Zu-Fuß-Gehens und Radfahrens in der StVO zu erhöhen und den Verkehrsbehörden bessere Instrumente zur Verfügung zu stellen." Das bringe mehr Lebensqualität und Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden und mehr Klimaschutz.

Mindestabstand soll kommen

Konkret soll etwa eine langjährige Forderung der Radlobby umgesetzt werden: ein gesetzlich verankerter Mindestabstand, den Autos beim Überholen einhalten müssen, von zwei Metern auf Freilandstraßen und 1,50 Meter im Ortsgebiet. Bisher ist im Gesetz nur von "ausreichend Seitenabstand" die Rede. Zudem sollen Erwachsene auf dem Rad künftig neben Kindern unter zwölf Jahren fahren dürfen, um sie zu schützen. Bei diesen beiden Punkten seien sich ÖVP und Grüne einig, sagt der Klimasprecher der Grünen im Nationalrat, Lukas Hammer.

Diskutiert wurde auch, dass es für Radfahrer künftig generell erlaubt sein soll, gegen die Einbahn zu fahren. Die Behörde hätte aber die Möglichkeit, es zu untersagen, wenn etwa die Straße nicht breit genug ist. "Das sind noch offene Punkte, wo wir verhandeln", sagt Hammer. Laut Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit ist dieser Punkt jedoch im aktuellen Entwurf des Reformpapiers nicht mehr enthalten. Auch die Idee, dass Radfahrer in Zukunft bei Rot rechts abbiegen dürfen, dürfte noch strittig sein zwischen ÖVP und Grünen.

Aus dem Klimaschutz- und Verkehrsministerium heißt es zu den kolportierten Punkten: "Das ist nur ein Entwurf, der da herumgeistert." Es handle sich dabei um einen sehr frühen Stand. Die diskutierten Punkte seien nicht aktuell beziehungsweise unvollständig.

Neue Vorgaben für Radwege

Anders als die Reformpläne für die StVO hat die Anfang April präsentierte neue Richtlinie für den Radverkehr schon Verbesserungen gebracht. Unter der Leitung von Klaus Robatsch haben 45 Fachleute in fünfjähriger Arbeit bundesweit geltende Grundlagen für eine sichere Gestaltung der Radinfrastruktur erstellt. "Der Radverkehr ist in Bewegung: Zum einen hat der Trend zur individuellen, aber zugleich nachhaltigen Fortbewegung zu einer höheren Auslastung des Radnetzes geführt, zum anderen sind mit der E-Mobilität und der zunehmenden Nutzung von Lastenrädern neue Mobilitätsformen hinzugekommen, die wesentliche Auswirkungen auf die Radinfrastruktur haben", sagt Robatsch. Denn mit erhöhten Geschwindigkeiten würden verlängerte Bremswege und größere Kurvenradien einhergehen, erklärt Robatsch die Idee dahinter.

Künftig müssen beim Straßenbau neue Vorschriften berücksichtigt werden. Vorgeschrieben sind etwa breitere Radverkehrsanlagen sowie die klare Trennung zwischen Rad- und Autoverkehr bei höheren Kfz-Geschwindigkeiten und großem Verkehrsaufkommen. Zudem muss in Zukunft sichergestellt werden, dass Radfahrende ausreichend von anderen Verkehrsteilnehmern gesehen werden.

Mit der neuen Richtlinie werden die Bedürfnisse von Radlerinnen künftig beim Bau neuer Infrastruktur berücksichtigt. Damit schafft man Probleme aus der Welt, die Österreich zu einem der gefährlichsten Länder für Radfahrer in Europa machen. Die Zahl der verunglückten Radfahrenden ist von 2012 bis 2020 um 42 Prozent gestiegen. Allein im Jahr 2020 ereigneten sich laut Verkehrsunfallstatistik 9187 Radunfälle mit 9308 Verletzten und 40 tödlich verunglückten Radfahrenden. Im Jahr 2021 stieg die Zahl auf 48 tote Radfahrende an – etwa jede zweite Person war mit einem E-Bike unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit, in Österreich als radfahrende Person tödlich zu verunfallen, ist doppelt so hoch wie etwa in Norwegen, Dänemark, Deutschland und Schweden. (Stefanie Ruep, Steffen Arora, 20.4.2022)