Die Kriegsschuld liegt bei Russland, aber der Friedensforscher Thomas Roithner sieht ein zunehmendes Problem darin, wie der Westen, wie Europa, auf den Angriffskrieg reagiert. "Wir pendeln in unseren Reaktionen permanent reflexartig zwischen Sanktionen, Waffenlieferungen und eigener Aufrüstung hin und her. Wir reden sehr viel über die letzten Mittel der Konfliktlösung, aber nicht die vorletzten", sagt Roithner. Mehr Geld für Waffen und Truppen verschaffe dem Westen keinen Vorteil. Es brauche alternative Konzepte.

Der prominente Politikwissenschafter Herfried Münkler, Autor zahlreicher Bücher zu "neuen Kriegen", sah das völlig anders: Europa werde aufrüsten müssen, damit Putin, sollte er einen Nato-Staat angreifen, einen Preis dafür bezahlen müsste, denn er gar nicht bezahlen kann. Und: Ob uns das gefällt oder nicht, das Konzept der atomaren Abschreckung werde in den internationalen Beziehungen wieder an Bedeutung gewinnen.

Ziviler Widerstand: Möglich oder pazifistische Träumerei?

Münkler und Roithner waren neben Ex-Präsident Heinz Fischer und dem österreichischen Brigadier Gerald Karner die Gäste beim Videotalk "STANDARD mitreden". In der kontroversen Diskussion ging es um die Frage, ob Europa aufrüsten muss und hier auch Österreich mitziehen sollte?

Besonders hitzig wurde es, als Friedensforscher Roithner forderte, dass die EU auch zivile Formen des Widerstands in der Ukraine unterstützen müsse, und erklärte, dass ziviler Widerstand im 20. Jahrhundert oft besser funktioniert habe als militärischer. Warum Münkler hier von einer "hanebüchenen" Argumentation sprach und Roithner als unverantwortlich angriff: Die Antworten dazu gibt es im Video.

Sehen Sie dort außerdem, warum Fischer davor warnt, an der Neutralität "rumzunörgeln", und die Reise von Bundeskanzler Karl Nehammer nach Moskau zu Putin verteidigt. Und: Brigadier Karner verwehrt sich dagegen, dass höhere Ausgaben fürs Militär bedeuten, dass wir bei Pflege und Bildung sparen müssen. Münkler und Roithner streiten darüber, ob eine Welt ohne Atomwaffen sinnvoll und erstrebenswert wäre. (Ayham Yossef, 24.4.2022)