Seltsam sind die Weltpremieren dieser Tage. Wäre das in früheren Zeiten, wie 2015 beim Vorgänger, ein gigantischer Paukenschlag gewesen, wenn der Prestigekampf um das "beste Auto der Welt" in die nächste Runde geht, so war das diesmal seltsam schaumgebremst, der meistgehörte Hinweis war der, die Sperrfrist einzuhalten. Und die Besetzungsliste? Der Chef selbst, Oliver Zipse – sprach kein Wort, war nämlich gar nicht da. Hauptakteure waren Vertriebsvorstand Pieter Nota und Marken-Chefdesigner Domagoj Dukec.

Auf 5,39 Meter Länge streckt sich der 7er, 13 Zentimeter mehr als zuletzt.
Foto: BMW

Ja, und wo Mercedes 2014 im Olympiagelände, vor den Toren der BMW-Zentrale, das Debüt der V-Klasse genussvoll zelebrierte – und darauf hinwies, so eine Luxuslounge für mehr als fünf Insassen hätten die Weiß-Blauen nicht im Portfolio –, kam jetzt am selben Orte die Retourkutsche, indem der Hauptgegner nicht einmal andeutungsweise genannt wurde: S-Klasse inklusive EQS.

Wir steigen gleich nach dem Treffen der affirmativen Superlative, wie sie eben bei so einem Anlass fallen – "Beginn einer neuen Ära in der Luxusklasse", "Luxus in seiner fortschrittlichsten Form", "Meisterstück", "Technologie und Exklusivität in einer neuen Dimension", "verbindet digitale und physische Welt auf neue Weise" –, damit ein, um zu zeigen, was BMW gleich macht wie Mercedes und was dann doch ganz anders.

Mischplattform

Mercedes nämlich stellt seine konventionell motorisierten S-Klassen, auch die Plug-in-Hybride, auf eine Plattform, die elektrische Version, den EQS, hingegen auf eine eigene, rein elektrische. BMW bleibt bei der Mischplattform, meint dabei, wenige Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, aber etliche Vorteile lukrieren zu können. Vorteile wie Produktion am selben Band, und bei den Nachteilen wäre zu nennen, dass der Fußboden beim Elektro-7er, der den Namen i7 trägt, sowie bei den Plug-in-Hybriden aufgrund der unterflur verbauten Batterien hinten angehoben ist. Allerdings, wichtiger Zusatz: nur um 16 Millimeter, denn der Akku ist extrem flach.

Foto: BMW

Reden wir doch gleich vom i7 und berichten von dessen wesentlichen technischen Daten. Den 7er (und damit auch den i7) gibt es nur in einer Langversion, und auf diesen Terminus treffen die Außenmaße vollinhaltlich zu: 5,39 m lang (130 mm länger als bisher) – damit toppt der i7 den EQS um 17 Zentimeter –, 1,95 m breit (plus 48 mm), 1,54 mm hoch (plus 51 mm), 3,22 m Radstand (plus 5 mm).

Der i7 xDrive60 kommt auf eine Systemleistung von 400 kW (544 PS), die 101,7-Nettobatteriekapazität sollte für 590 bis 625 km Reichweite gut sein – bei einem Stromverbrauch von 18,4 bis 19,6 kWh/100 km. Von null auf 100 km/h geht die Reise in 4,7 Sekunden, bei 260 km/h ist Schluss. Schluss ist aber nicht mit i7, denn nächstes Jahr kommt noch der M70 mit 485 kW (660 PS) hinzu.

Foto: BMW

Bei den Antriebsversionen der restlichen 7er verspricht BMW "weniger Verbrauch bei mehr Leistung", wäre ja lustig, wenn sie andersherum tönten. Kurz zusammengefasst gibt es drei 48-Volt-Mildhybride – einen Diesel (220 kW/300 PS; Verbrauch: 5,9–6,9 l/100 km), einen Benziner (280 kW/380 PS; 7,0–8,0 l/100 km), beides selbstverständlich Reihensechszylinder, sowie einen V8-Otto (400 kW/544 PS; 11,2 l/100 km), und die Kenndaten für den V12 – nein, warte mal: gibt es bei BMW nicht mehr, im Haus nur mehr bei Rolls-Royce. Stolz ist der Hersteller auch noch auf die beiden Plug-in-Hybride, 750e und 760e, hie 360 kW/490 PS Systemleistung, da 420/571, mit hie 80 bis 89 km E-Reichweite, da 80 bis 84.

Genau der Geschmack der Klientel

Wo EQS und i7 einander im Zugang gleichen, ist der zum Thema Luxus, und da ist das gesamte Koordinatensystem gemeint von Holz, Leder und Co in Kunsthandwerksqualität bis zu einem wahren Overkill (den die Insassen tunlichst nicht merken sollen) an Vernetzungs- und Infotainmentmöglichkeiten. Eindruck vom hinten aus dem Dachhimmel runterklappenden "Theatre Screen" – Amazon Fire TV integriert – bei einer ersten Sitzprobe: zu nah am Auge.

Der Unterflur-Akku beim i7 hebt hinten den Fußraum nur um 16 mm an, der Rest ist Hightech und erlesenstes Material.
Foto: Andreas Stockinger

Design? Dem Thema Flaggschiff angemessen, könnte man sagen, treffsicher aus Kundinnensicht. Ein Monolith von Limousine, und der Gehmirausdemwegsonstfressichdich-Kühlergrill wird exakt den Geschmack der vermögenden chinesischen und US-amerikanischen Klientel treffen. Den europäischen vielleicht weniger, aber eh schon wurscht, wenn die in München, mehr daheim für BMW geht kaum, nicht mehr deutsch sprechen (und einen Übersetzer für internationale Medienvertreter beschäftigen), sondern englisch.

Ach ja, Österreich-Marktstart: zu Jahresende, Preise gibt es folglich noch keine. Wie viel BMW im Fahrkapitel steckt, wissen wir: nach einer ersten Ausfahrt. Und was uns die 5G-basierten Autonomfahrfunktionen, die der Hersteller schon jetzt anpreist und die sukzessive in den nächsten Jahren hinzukommen sollen, den Fahralltag tatsächlich erleichtern, wird sich langfristig zeigen. (Andreas Stockinger, 21.4.2022)