Im Gastblog berichtet die Juristin Patricia Hofmann über die möglichen Risiken für Flüchtende und darüber, wo man Hilfe findet.

Über fünf Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind dem Flüchtlingshilfswerk der UN (UNHCR) zufolge seit dem Ausbruch des Krieges am 24. Februar aus ihrem Heimatland geflohen. Circa 90 Prozent davon sind Frauen und Kinder. Nach den Geschehnissen in ihrer Heimat und der unfreiwilligen sowie teilweise tagelangen Reise, die sie zurückgelegt haben, sind Schutz und etwas Ruhe das Mindeste, was man sich für sie wünscht. Doch die Realität zeigt leider, dass auch in solchen Situationen Kriminelle nicht haltmachen, sondern aus Leid und einer Notsituation Geschäfte gemacht werden.

Anwerbeversuche für das Rotlichtmilieu

Besonders aus Italien und Deutschland mehren sich die Berichte über ankommende Flüchtlinge, hauptsächlich Frauen, die mit unlauteren Anwerbeversuchen konfrontiert werden. Die Versuchung bei den Kriminellen scheint groß zu sein, die ukrainischen Frauen für das Rotlichtmilieu anzuwerben und daraus Profit zu schlagen. Leider ist sexuelle Gewalt als Taktik bei solchen Konflikten nichts Neues. In Österreich wurden bislang noch keine Fälle publik, das heißt aber nicht, dass diese nicht vorkommen. Jedenfalls soll klargestellt sein, dass das Verhalten der Täter und Täterinnen sowohl in unseren Nachbarländern als auch in Österreich zu einem Strafverfahren führen kann.

Sexuelle Ausbeutung als Haupterscheinung des Menschenhandels

Die Gefahr der Flüchtenden, Opfer von Menschenhandel zu werden, ist groß. Doch was versteht man unter dem weitverbreiteten Begriff des Menschenhandels? Kurz gesagt stellt das österreichische Strafgesetzbuch die Anwerbung, Beförderung, Beherbergung, Aufnahme oder das Weitergeben von Personen zum Zweck der Ausbeutung und unter Einsatz von unlauteren Mitteln unter Strafe (§ 104a StGB). Die Mittel, die von Täterinnen und Tätern dabei eingesetzt werden, reichen von der Ausnützung einer Zwangslage über die Täuschung von Tatsachen bis hin zu gefährlichen Drohungen und Gewalt. Unter Ausbeutung fällt auch die sexuelle Ausbeutung.

Dem Lagebericht des Bundeskriminalamts von 2020 ist zu entnehmen, dass die sexuelle Ausbeutung mit 51 Prozent die Haupterscheinung der Ausbeutungsformen darstellt. Menschenhändlerinnen und Menschenhändler nutzen die Situation aus, dass Flüchtende oft die Landessprache nicht kennen und für jede Hilfe dankbar sind. Sie geben falsche Informationen sowie Versprechen ab, und so wird die vulnerable Gruppe schnell zum Opfer. Deshalb sollten die Flüchtenden laufend informiert werden, so zum Beispiel darüber, dass es keinen Grund gibt, seinen Reisepass abzugeben oder für Hilfeleistungen zu bezahlen.

Kinder und Frauen sind besonders gefährdet, Opfer von Menschenhändlern zu werden.
Foto: APA/AFP/EMRE CAYLAK

Von der Prostitutionszuführung zur Zuhälterei

Der Gesetzgeber stellt allerdings nicht nur Menschenhandel, sondern insbesondere auch die Zuführung zur Prostitution (§ 215 StGB) sowie die Zuhälterei (§ 217 StGB) unter Strafe. Beim Tatbestand des Zuführens zu Prostitution geht es vor allem um die Einflussnahme des Täters oder der Täterin beim Opfer, die Lebensführung in die einer oder eines Prostituierten umzugestalten. Die Handlungen gehen dabei über ein bloßes Überreden hinaus.

So wird beispielsweise das Einführen in ein Bordell, die Herstellung entsprechender Bekanntschaften oder die regelmäßige Zuführung von Freiern unter diesen Tatbestand subsumiert. Beim Tatbestand der Zuhälterei liegt ein relevanter Bestandteil darin, dass sich der Täter, die Täterin eine fortlaufende Einnahme aus der Prostitution einer anderen Person verschaffen möchte, indem er diese Person ausnützt, ausbeutet oder auch einschüchtert. Oftmals nützen die Täterinnen und Täter die Opfer aus, indem sie zum Beispiel das Bereitstellen einer Wohnung zur Ausübung der Prostitution zu überhöhten Preisen anbieten.

Illegales Adoptionsgeschäft

Auch Kinder, jene Mitglieder unserer Gesellschaft, die besonderen Schutzes bedürfen, sind vor diesen Gefahren nicht gefeit. Viele von ihnen sind allein auf der Flucht oder wurden von ihren Eltern und Familienmitgliedern auf der Reise getrennt. Die Gefahr von Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch ist daher für unbegleitete Minderjährige besonders groß. Darunter fällt auch die Gefahr Minderjähriger, Opfer von illegalen Adoptionen zu werden und so dauerhaft ihren Eltern und Familienangehörigen entzogen zu werden. Für die aufnehmenden Staaten ist daher besondere Wachsamkeit geboten, um den Schutz von Minderjährigen, vor allem unbegleiteten Kindern, zu gewährleisten.

Unicef plädiert daher dafür, unbegleitete Kinder sofort zu identifizieren und zu registrieren. Darüber hinaus merkt Unicef an, dass während oder unmittelbar nach Krisen beziehungsweise Katastrophen von Adoptionen abgesehen und Anstrengungen unternommen werden sollten, um die Kinder wieder mit ihren Familien zu vereinen. Auch die HCCH (Haager Konferenz für Internationales Privatrecht), welche für die Vereinheitlichung von internationalem Privatrecht arbeitet, hat im Hinblick auf das Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und das Haager Adoptionsübereinkommen in einer Mitteilung im März festgestellt, dass in Anbetracht eines bewaffneten Konflikts dieser Konflikt nicht als Rechtfertigung für die Beschleunigung von Auslandsadoptionen oder für die Umgehung internationaler Standards und Garantien für eine sichere Adoption dienen sollte. Daher bezieht sich auch die HCCH auf die Anmerkung von Unicef und stellt klar, dass in solchen Konflikten Adoptionsverfahren unterbunden werden sollten. Das wird damit begründet, dass in der jetzigen Situation oftmals nicht festgestellt werden kann, ob eine Adoption das Beste für ein Kind wäre. Denn es ist stets das Wohl des Kindes, was höchste Priorität hat.

Ausbau der Schutzmaßnahmen

Wie man erkennen kann, sind die Flüchtenden in einer vulnerablen Situation, was sie leicht zu Opfern macht. Daher ist es umso wichtiger, Schutzmaßnahmen zu setzen, um Straftaten und ihre Folgen zu verhindern. In Deutschland setzt die Bundespolizei Berichten zufolge bereits verstärkt auf verdeckte Ermittler, um die Täterinnen und Täter aufzuspüren. Auch Italien hat ein hartes Vorgehen gegen Straftäterinnen und Straftäter angekündigt. Wichtig ist es, die flüchtenden Ukrainerinnen und Ukrainer über die Gefahren zu informieren, und das in ihrer Muttersprache, sodass die falschen Informationen der Menschenhändlerinnen und Menschenhändler erst gar keine Chance haben.

Darüber hinaus ist es wichtig, die Flüchtenden über ihre Rechte und die möglichen Hilfseinrichtungen zu informieren. La Strada International ist eine europäische NGO-Plattform, die sich gegen Menschenhandel einsetzt. Auf der Website sind die Organisationen in den einzelnen Mitgliedsstaaten und die Kontaktdaten der lokalen Hilfseinrichtungen angeführt. In Österreich ist der Verein Lefö eine wichtige Anlaufstelle für die Unterstützung und Beratung von Migrantinnen. Eine Flyer-Offensive mit Informationen auf Ukrainisch ist in Österreich bereits gestartet, und auch in den sozialen Medien werden wichtige Informationen zum Schutz auf der Flucht verbreitet.

Das und die stetige Alarmbereitschaft bei der Exekutive sind wichtige Maßnahmen zum Schutz jener, die ihn gerade besonders dringend benötigen. (Patricia Hofmann, 25.4.2022)