Auf Du und Du mit einem Adler, und auch sonst innig mit der Natur verbunden: Franz Rogowski als Bergeremit in Peter Brunners "Luzifer".

Foto: Stadtkino Filmverleih

Der Teufel hat bekanntlich viele Namen. Deshalb wird die Frage, in wessen Gestalt er sich manifestiert, in Luzifer zwar oft gestellt, aber nie eindeutig beantwortet. Teufelswerk – und wer würde da Johannes (Franz Rogowski) schon widersprechen wollen – sind etwa die Drohnen, die eines Tages auf ihn und seine Mutter hoch droben auf den Tiroler Bergen, auf dem Höllenstein, zufliegen: wie die technoide Form eines biblischen Fluchs. In Wahrheit überbringen sie jedoch ein Kaufangebot. Die Ski-Industrie greift gierig nach diesem letzten Stück unberührter Natur.

Luzifer, der nunmehr vierte Spielfilm des eigenbrötlerischen Wieners Peter Brunner, ist weder Umweltthriller noch klassischer Horrorfilm, auch wenn er auf vielen einschlägigen Festivals gelaufen ist. Als originelle Mischform steht er selbstbewusst für sich allein. Brunners Perspektive verharrt ausschließlich auf der Seite der beiden kahlköpfigen Außenseiter, die wie der letzte Rest eines indigenen Völkchens abgeschieden auf ihrer Hütte leben.

Stadtkino Filmverleih

Die Mutter, eindringlich verkörpert von der deutschen Pastorin Susanne Jensen, hat nach der Überwindung ihrer Alkoholsucht zur Religion gefunden und ihren Glauben auch dem geistig beeinträchtigten Sohn aufgezwungen. Bei Johannes wird daraus wieder eine Art heidnisches Denken: Rogowski sieht man hier als einen heiligen Toren, der wie eine Kreuzung von Ziegenpeter und Kaspar Hauser erscheint. Er stammelt nur ein paar Worte heraus, hegt dafür jedoch ein ungebrochenes Verhältnis zur Natur. Sein bester Kumpel ist ein Adler, der auf Zuruf zu ihm heruntersticht.

Luzifer unterläuft geschickt Erwartungshaltungen. In einer gewöhnlichen Erzählung würde alles auf eine drohende Eskalation mit den Skilift-Investoren hinauslaufen. Der Konflikt durch die Expansion der Tourismusindustrie bleibt hier aber nur ein Trigger. Brunner interessiert sich mehr für die innere Verhärtung, für den wachsenden Fanatismus, den ein letztlich gesichtsloser Gegner in einer vormodernen Gemeinschaft nährt. Die Ökonomisierung schlägt sich auf deren Seite als anwachsende Unvernunft nieder. Eine Rückwärtsbewegung, die Luzifer als bildmächtige Parabel ausrollt, in der auch andere rezente Konflikte widerhallen.

Die Natur als Gottheit

Brunner hat einen Hang zu starken, manchmal schon ein wenig zu forcierten Zuschreibungen und Symbolen: Ein Baum mit einer verkohlten Madonna bildet einen seltsamen Weiheort, der später zur Kreuzigungsszenerie wird; eine Höhle im Felsen sieht wie der Einstieg zur Hölle aus (und spiegelt sich im Match-Cut mit dem Ohr der Mutter).

Die Mutter schließt Natur und Gott in ihrem Denken kurz und wendet die Selbstkasteiung sowie rituelle Waschungen an, während bei Johannes die Bedrohungsszenarien zunehmend durcheinandergeraten. Zeichen sind für ihn schon Dinge. – Weil die Hand sündhaft war, möchte er sie nun ins Feuer halten.

Brunner erzählt von der langsamen Verfinsterung einer Welt in Form eines assoziativen Reigens, in dem die Bilder und die filigrane Musik des Kanadiers Tim Hecker mitreißend zusammenwirken. Man denkt an die Narren eines Werner Herzog, die gegen die Zumutung einer entzauberten Welt aufbegehren. Manchmal schwelgt die Kamera auch in den alpinen Bergpanoramen und Wolkenspielen wie in einem Film von Terrence Malick. Mit dem feinen Unterschied, dass es in Luzifer keine Idee der Gnade mehr gibt, sondern nur Ausbeutung und Wahnsinn. (Dominik Kamalzadeh, 22.4.2022)