Bewohnerinnen der belagerten Stadt Mariupol, die in Bussen flüchten konnten.

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Geht es nach Sergej Schoigu, so ist Mariupol bereits gefallen: Russland habe die ukrainische Hafenstadt eingenommen, erklärte der russische Verteidigungsminister laut Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Für das Stahlwerk Asow-Stahl, das seit Tagen im Fokus der Berichterstattung steht, galt dies aber offenbar nicht: Immer noch seien dort 2000 ukrainische Soldaten verschanzt, informierte Schoigu am Donnerstag seinen Präsidenten Wladimir Putin.

Dieser reagierte prompt mit einem Strategiewechsel: Er halte "die vorgeschlagene Erstürmung des Gewerbegebiets für nicht notwendig". Stattdessen wollte Putin nun auf eine Belagerungstaktik setzen: "Riegeln Sie das Gebiet ab, sodass keine Fliege durchkommt", befahl er Schoigu. Laut der ukrainischen Vizepremierministerin Iryna Wereschtschuk befanden sich am Donnerstag aber auch rund tausend Zivilisten und 500 verletzte Soldaten auf dem Gelände. Für sie forderte die Regierung in Kiew freies Geleit.

Im Osten der Ukraine rückte die russische Armee nach britischen Angaben indes weiter in Richtung Kramatorsk vor. Auch Charkiw lag laut Bürgermeister Ihor Terechow unter schwerem Beschuss. Größere Gebietsgewinne wurden jedoch nicht gemeldet.

Stockende Diplomatie

Auf diplomatischer Ebene schien es ebenfalls kaum Fortschritte zu geben. Russland warte in Zusammenhang mit den ins Stocken geratenen Friedensverhandlungen weiter auf eine Antwort auf die jüngsten Vorschläge aus Moskau, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Selenskyj hatte am Mittwoch erklärt, er habe von einem entsprechenden Dokument der russischen Führung weder etwas gesehen noch gehört.

Auch international bleibt das Klima rau. Russland schließt mehrere Konsulate der baltischen Staaten – konkret die Vertretungen Estlands, Lettlands und Litauens in Sankt Petersburg sowie zwei ihrer Büros in Pskow nahe der estnischen Grenze. Zuvor hatten Lettland und Estland je zwei russische Konsulate geschlossen, Litauen hatte sogar den russischen Botschafter aufgefordert, das Land zu verlassen.

Die ukrainische Hauptstadt wurde am Donnerstag indes einmal mehr zum Zentrum hochrangiger Besuchsdiplomatie: Der spanische Premier Pedro Sánchez und die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen sprachen in Kiew mit Präsident Selenskyj. Dabei ging es unter anderem um weitere westliche Unterstützung für die Ukraine.

Vor allem Deutschland sah sich zuletzt mit Forderungen konfrontiert, schwere Waffen zu liefern. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht schlägt einen "Ringtausch" mit EU- und Nato-Partnern vor, weil die Bundeswehr aus ihren Beständen keine entsprechenden Waffen liefern könne. Dabei könnten Lieferungen Sloweniens von Deutschland ersetzt werden, auch durch Produktion neuer Waffen.

Neue US-Hilfen

US-Präsident Joe Biden hat der Ukraine indes neue Militärhilfe im Wert von 800 Millionen Dollar (736 Millionen Euro) zugesagt. Das Paket enthalte auch schwere Artillerie. Auch 500 Millionen US- Dollar Finanzhilfe sowie eine Sperre von US-Häfen für russische Schiffe kündigte Biden an. (Gerald Schubert, 21.4.2022)