Musikwissenschafterin Monika Kornberger blickt im Gastblog auf einen Musiker zurück, den heute kaum jemand mehr kennt.

Am 16. Februar 1887 brachte die renommierte Leipziger "Neue Zeitschrift für Musik" einen Nachruf, der mit folgenden Worten begann: "Hans Freiherr v. Zois †. Am 26. Januar ist der bekannte Liedercompositeur Hans Freiherr v. Zois-Edelstein Mittags in Wien plötzlich gestorben. Mit ihm schied ein auf dem Gebiete der Musik vielversprechendes Talent." Die Meldung erwies sich als Ente, aus einem Ohnmachtsanfall des Komponisten hatte man einen Todesfall konstruiert. Etwa zur selben Zeit – Zufall oder nicht – veröffentlichte der Wiener Verlag von Jos. Weinberger & Hofbauer ein umfangreiches "Zois-Album" mit 31 Liedern. Heute ist der Name des Komponisten nur noch wenigen Kennern der steirischen Musikgeschichte geläufig. Von seinem umfangreichen Werk hat sich nur ein kleiner Teil erhalten und von den Konzertprogrammen ist es längst verschwunden.

Von Zois' Herkunft

Hans von Zois, eigentlich Johann Nepomuk Gustav Adolf Freiherr Zois von Edelstein, entstammte dem verarmten steirischen Zweig einer im 18. Jahrhundert in den Freiherrenstand erhobenen und in der Krain zu Ansehen gelangten Familie. Er wurde am 14. November 1861 in Graz als Sohn von Sigmund Freiherr Zois von Edelstein und dessen Frau Franziska, geborene Köllisch, geboren. Vater Sigmund arbeitete als Beamter, verstarb jedoch schon neun Monate nach Zois’ Geburt im Alter von 41 Jahren. Er hinterließ seine Frau und fünf minderjährige Söhne, der älteste, Olivier, war 12.

Von Zois in der "Deutsche Kunst- & Musik-Zeitung" (10.9.1886).
Foto: Anno/ÖNB

Jugendlicher Tondichter

Der kleine Hans soll bereits im Alter von fünf Jahren komponiert haben. Seinen ersten Klavierunterricht erhielt er von der Tante des Hofopernsängers Emil Scaria. Als er acht Jahre war, verlor er innerhalb von drei Wochen seine älteren Brüder Karl und Olivier, eineinhalb Jahre später auch Bruder Otto. Seine Klavierlehrerin verstarb ebenfalls und er war in musikalischer Hinsicht längere Zeit sich selbst überlassen. Mithilfe aristokratischer Gönnerinnen gelang es schließlich, Ferdinand Thieriot, Direktor des Steiermärkischen Musikvereins, als Lehrer für Klavier und Komposition zu gewinnen. Als weiterer Lehrer wird der Grazer Kapellmeister und Klavierlehrer Georg Wallner genannt. Der junge Musiker war eine "zart besaitete, merkwürdig oft in sich abgeschlossene Natur. ‚Tondichter‘ hieß er damals schon und wer seine im intimen Kreise hie und da vorgetragenen Lieder ohne Worte zu Gehör bekam, war erstaunt über das kleine Bürschchen mit dem Lockenkopf." ("Salzburger Volksblatt", 24. 3. 1914).

Seltenes Talent?

Im März 1878 trat der 16-Jährige als Komponist auch an die Öffentlichkeit, zwei Jahre später bestätigte ihm der große Franz Liszt "ein seltenes Talent" und empfahl, dieses auszubilden. Förderer ermöglichten Hans von Zois ein Studium in Wien und er erhielt am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien ein Stipendium. Am 19. September 1880 begann er seine Ausbildung bei Franz Krenn (Kontrapunkt) und Wilhelm Schenner (Klavier) als Vorbereitung zum dreijährigen Kompositionsstudium, das er bei Krenn ab dem zweiten Studienjahr betrieb. Hatte der Student anfangs alle Fächer mit der Note "Eins" abgeschlossen, kam er in seinen beiden letzten Studienjahren über "Gut" nicht mehr hinaus. Nachdem er kaum Nebenfächer besucht hatte, beendete er sein Studium 1884 mit einem einfachen Abschluss.

Erste Erfolge als Komponist

Kurz vor Beginn seiner Ausbildung in Wien war Zois’ Opus 1, "Zwei Lieder", im Hamburger Verlag Cranz erschienen. Dass der 19-Jährige ausgerechnet Wilhelm Müllers Gedicht "Der Lindenbaum" als sein erstes Lied veröffentlichte, war nicht unumstritten. An seiner Ausbildungsstätte dürfte es ihm jedoch nicht geschadet haben. Hier erhielt Hans von Zois in seinem ersten Studienjahr der Komposition unter 26 Bewerbern den 2. Zusner’schen Liederpreis für sein Lied "Einst hatt’ ich einen Freund so lieb" (Text: Vinzenz Zusner). Ein Jahr später konnte er die mit einem Geldpreis von zehn Gulden dotierte Auszeichnung erneut für sich gewinnen, diesmal mit dem Zusner’schen "Drüben am Wiesenplan". Beide Lieder wurden auch gedruckt, letzteres gewidmet seiner Förderin Giulietta von Pott.

Um seinen Namen bekannt zu machen, veranstaltete Hans von Zois sogenannte Kompositionskonzerte auf eigenes Risiko. Vor allem in Wien und Graz, seinen wechselnden Wohnorten, aber auch in kleineren Orten der Monarchie gab er zeit seines Lebens Konzerte, in denen ausschließlich oder hauptsächlich eigene Werke auf dem Programm standen. Um den Vorverkauf in die Höhe zu treiben, wurden in den örtlichen Tageszeitungen dazu häufig Vorberichte geschaltet. Bei zu geringem Interesse wurde das Konzert abgesagt, auch kurzfristige Programm- und Besetzungsänderungen kamen immer wieder vor.

Von Zois später im Leben.
Foto: Mitteilungen des Steirischen Tonkünstlerbundes

Weitere Schicksalsschläge

Während Zois um Anerkennung und finanziellen Erfolg als Komponist kämpfte, hatte er weitere Schicksalsschläge zu verkraften: Im Abstand von nicht einmal zwei Wochen verlor der 24-Jährige im März 1886 seinen einzigen noch lebenden Bruder Sigmund im Alter von 35 Jahren und seine 66-jährige Mutter. Letztere hinterließ ihm keinerlei Vermögen und der Komponist war gezwungen, von seinen Werken zu leben, ein Unterfangen, das sich als äußerst schwierig herausstellen sollte. Dazu erteilte er Privatunterricht in Komposition und Klavier und versuchte, als Korrepetitor (Klavierbegleiter bei Proben) Einnahmen zu lukrieren. Dazu unterstützten ihn immer wieder Förderer vor allem aus adeligen Kreisen.

"Stammkomponist" und "Schnellkomponierer"

Zois komponierte mit Vorliebe in Lokalen. Seine Wiener Stammlokale waren anfangs das Praterlokal Prochaska, später das Café Scheidl (Ecke Kärntnerstraße/Walfischgasse), und als man 1903 in Graz ein Denkmal für ihn plante, wollte man ihn am Kaffeehaustisch sitzend darstellen. Zois soll sehr schnell komponiert haben, je nach Stimmung angeblich auch fünf Lieder am Tag. Ein langes Überarbeiten der Werke lag ihm nicht, was ihm auch Kritik einbrachte.

Nachdem er zunächst als Liederkomponist reüssiert hatte, schloss der junge Zois mit dem Verleger August Cranz einen für ihn ungünstigen Vertrag über mehrere Bühnenwerke ab. Das erste Resultat war die dreiaktige Operette "Colombine" (Text: Bernhard Buchbinder), die am 12. November 1887 am Grazer Theater am Stadtpark erstmals über die Bühne ging. 1889 wurde sie auch am Wiener Carl-Theater sowie in Budapest gegeben, hatte jedoch keinen bleibenden Erfolg. Ebenso verhielt es sich mit dem Operetteneinakter "Der Jakobiner" (Uraufführung 6. Dezember 1890 im Theater am Franzensplatz, Graz) und der Oper "Der Venetianer" (Uraufführung 14. November 1892 im Theater am Franzensplatz), beide getextet von Hans Barrys.

Später komponierte Zois immer wieder Bühnenwerke, darunter auch einige Ballette. Für die Operette "Clotildes Hochzeit" konnte sogar der renommierte Victor Léon als Librettist gewonnen werden, weil sein großzügiges Honorar vom Fürsten von und zu Liechtenstein stammte. Aber dieses 1898 in Regensburg uraufgeführte Werk fand nicht einmal den Weg auf Österreichs Bühnen und auch seine anderen einschlägigen Kompositionen, wiewohl manche durchaus kurzfristig erfolgreich waren, verschwanden bald in der Versenkung.

Heirat, "Kuckuckssohn" und Fideikommiss

Im Alter von 32 Jahren heiratete Zois am 5. Februar 1894 in der Wiener Pfarrkirche Lichtental die erst 18-jährige Grazer Kaufmannstochter Maria Schmidt, mit der er bereits zusammengelebt hatte. Von ihren beiden Töchtern erreichte nur Dora (1897-1981) das Erwachsenenalter, der ersehnte männliche Nachkomme blieb aus. Hans von Zois stand nach dem Tod seines kinderlosen Onkels Olaf das Fideikommissvermögen seiner Familie zu, ein unveräußerliches Erbe, das er nur nutzen konnte. Seine Frau befürchtete jedoch, dass ihr kränkelnder Mann vor seinem Onkel sterben und sie dann mittellos sein würde, und täuschte daher eine Schwangerschaft vor.

Am 8. Februar 1914 simulierte sie die Geburt eines Knaben namens Egon Maria, ihr Ehemann verfolgte das Geschehen gutgläubig im Nebenzimmer und ließ das Kind, das von einer ledigen Köchin stammte, unter seinem Namen im Taufregister eintragen. Die Angelegenheit flog auf und Maria von Zois wurde wegen Betrugs zu zwei Monaten Haft verurteilt. Nach dem Tod seines Onkels am 25. November 1916 erhielt Hans von Zois das Fideikommiss auf legalem Wege und kaufte in Graz-Liebenau die "Villa Zois".

Existenzielle Probleme

Spätestens seit Dezember 1894, als er erstmals in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde, kämpfte der Komponist mit psychischen Problemen und drohte in Abschiedsbriefen immer wieder – häufig aus existenziellen Gründen – mit Suizid. Seine äußere Erscheinung – er war kleingewachsen und trug sein Leben lang eine unmoderne Frisur – trug ihm Spott ein, sein Verhalten dürfte ebenfalls nicht immer der allgemeinen Norm entsprochen haben. Zois hatte aber auch Förderer und Freunde, darunter die Grazer Musikgrößen Friedrich von Hausegger, Julius Schuch und Wilhelm Kienzl, die versuchten, Interesse an seinen Werken zu wecken oder Spenden zu lukrieren. Dies gelang jedoch immer nur kurzfristig. In den letzten Jahren seines Lebens – Krieg und Inflation hatten sein gesamtes Erbe zunichtegemacht – hatte er oft nicht einmal genug Geld, um Kohlen zu kaufen.

Das vergessene Grab des Komponisten auf dem Friedhof St. Peter in Graz.
Foto: Monika Kornberger

Letztes Andenken

Hans von Zois verstarb am 5. Jänner 1924 in seinem Haus in Graz-Liebenau an Nierenentzündung und Herzlähmung. Acht Jahre danach hieß es bereits: "Sein Grab ist verfallen und vergessen wie er selbst" ("Grazer Tagblatt", 10. 11. 1932). Der Aufruf zur Verschönerung des Grabes auf dem Friedhof St. Peter trug Früchte. Am 9. April 1933 wurde auf dem Friedhof im Rahmen einer Feier sein Orchesterwerk "Vision" gespielt und man gedachte – vielleicht ein letztes Mal – des steirischen Komponisten. Seither verwittert das Grab, der 1933 erneuerte Grabstein ist kaum noch zu lesen. Vielleicht lässt es sich noch ein weiteres Mal erhalten. (Monika Kornberger, 25.4.2022)