Eine kurze Belastung ist für den Organismus nach einer Infektion leichter zu bewerkstelligen als Ausdauersport.

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Nach Tagen der häuslichen Quarantäne ist bei vielen der Bewegungsdrang groß. Aber anfangs scheint die Motivation oft größer als die körperliche Leistungsfähigkeit. Mit den ersten Trainingseinheiten nach der Infektion bekommen manche Sportler und Sportlerinnen die Nachwirkungen einer Covid-Erkrankung zu spüren: Die Herzfrequenz ist höher, die Beine sind schwerer, und man ist schneller aus der Puste als vor der Corona-Infektion.

Jürgen Scharhag kennt diese Beschwerden von Betroffenen aus der Praxis. "Auch sportliche Menschen sollten Covid-19 nicht auf die leichte Schulter nehmen. Corona ist eher eine schwerere Infektion als unsere gewöhnlichen Infektionskrankheiten", sagt der ärztliche Leiter des Österreichischen Instituts für Sportmedizin der Universität Wien. Gemeinsam mit Kollegen der sportmedizinischen Universitäts- und Landesinstitute Wien, Salzburg und Innsbruck hat er die Guideline "Return to Sports" verfasst. Diese soll Sportlerinnen und Sportlern helfen, je nach Erkrankungssymptomatik abzuschätzen, wie lange die Trainingspause sein sollte.

Viel Unwissen zu Folgen einer Covid-Infektion

Im Vergleich zu Genesungsphasen bei anderen Krankheiten sind die Folgen einer Corona-Erkrankung noch deutlich schwieriger einzuschätzen. Vieles ist noch ungewiss, aber die Erkenntnisse aus der Forschung festigen sich. Lange war das Wissen zu den Auswirkungen einer Sars-CoV-2-Infektion noch fragmentierter. Fachleute etwa warnten von einem hohen Risiko einer Herzmuskelentzündung nach einer Corona-Infektion. "Über die letzten zwei Jahre hat sich gezeigt, dass das doch nicht so viele trifft wie anfangs befürchtet, sondern bei ansonsten gesunden Sportlern wohl so um die ein bis zwei Prozent. Hier kann man also etwas Entwarnung geben", sagt Scharhag.

Sars-CoV-2 kann bei einer Infektion aber nicht nur das Herz, sondern mehrere Organsysteme befallen. Das Virus kann etwa an der Leber, der Niere, im Magen-Darm-Trakt genauso wie im Gehirn zu Problemen führen. "Dass die Herzfrequenz auch Wochen nach einer Corona-Erkrankung noch erhöht ist, könnte auch daran liegen, dass zentrale Regelstellen des vegetativen Nervensystems im Gehirn befallen sind. Gleiches gilt für Kurzatmigkeit und das Atemzentrum", sagt Scharhag. Allerdings gäbe es hierzu erst vereinzelte Befunde, betont er: "Warum das Virus bei dem einen das eine und bei dem anderen das andere Organ betrifft, wissen wir noch nicht. Das kann man nicht vorhersagen."

Das Besondere bei diesem Virus sei auch, dass es unter anderem auch die Gefäßinnenhaut angreift, erklärt Scharhag. Dadurch kommt es zu einer Anschwellung um die Blutgefäße, die Arterien, wodurch Sauerstoff nicht mehr optimal ins Gewebe eindringen kann.

Erst Gesundheit, dann Leistungsfähigkeit

Wann und in welcher Intensität das Training wiederaufgenommen werden darf, hängt auch von der Symptomatik der Corona-Infektion ab. "Von ein bisschen Halskratzen wird man nicht viel Trainingseinbuße erlitten haben. Wenn man hingegen zwei Wochen lang mit Fieber krank war, wird man nicht so fit sein wie vorher", sagt Scharhag.

Und die Symptomatik wiederum hängt davon ab, wie groß das Ausmaß der Entzündungsreaktion im Körper ist. Der Sportmediziner erklärt das vereinfacht so: "Das Virus dockt an den Rezeptoren einer Zelle an. Es vermehrt sich dann in der Zelle, sodass diese abstirbt. Dadurch breiten sich die Infektion und die Entzündung aus."

Nach einer Corona-Erkrankung sollte es laut Scharhag in erster Linie um die Wiederherstellung der Gesundheit gehen – erst danach um die Wiedergewinnung der ursprünglichen sportlichen Leistungsfähigkeit. Von "zu früher höchstmöglicher Anstrengung" würde der Sportmediziner aber ohnehin abraten: "Nach einem Infekt ist es generell vernünftiger, langsamer zu machen."

Belastung variiert je nach Sportart

Lange Läufe oder Radtouren über mehrere Stunden sind eine hohe Belastung für das Kreislaufsystem, den Stoffwechsel und den Bewegungsapparat. Insbesondere beim Ausdauersport kann man die Nachwirkungen der Corona-Infektion noch länger spüren, sagt der Sportmediziner. Eine kurze, nicht intensive Belastung ohne hohen Stoffwechselumsatz sei für den Organismus eher leichter zu bewerkstelligen: "Kegeln ist etwas anderes als ein Radrennlauf. Man wird auch bei kurzen Belastungen nicht gleich wieder die Höchstleistung bringen können, aber die Nachwirkungen einer Corona-Infektion fallen hierbei meist nicht so sehr ins Gewicht wie bei langen Ausdauerbelastungen", erklärt Scharhag.

Dass das Training in den ersten paar Tagen nach einer Erkrankung ein bisschen schlechter läuft, sei auch nach anderen Infektionserkrankungen häufig. Wenn der Puls aber auch nach zwei bis vier Wochen noch erhöht und die Atemnot bei Anstrengung größer ist als vor der Infektion, rät Scharhag zu einer sportmedizinischen Untersuchung. (Magdalena Pötsch, 30.4.2022)