Als im Jahr 2014 das erste Smartphone von Oneplus auf den Markt kam, sorgte dies unter Android-Fans für gehöriges Aufsehen. Mit Guerilla-Marketing, Dumping-Preisen und dem selbst verpassten Anstrich des "Flaggschiff-Killers" brachte der chinesische Hersteller frischen Wind in die Smartphone-Welt.

Dieses Image des rebellischen Start-ups klang dabei aber nicht nur zu gut, um wahr zu sein – es war es auch. Denn so richtig unabhängig war Oneplus genau genommen nie. Als Tochterunternehmen des chinesischen Konglomerats BBK befand man sich von Anfang an in bester – und äußerst finanzkräftiger – Umgebung. Gehören doch auch andere Branchengrößen wie Oppo, Vivo und Realme zum gleichen Verbund.

Oppo West

Doch nicht nur das, viele Oneplus-Modelle wiesen auch unübersehbare Ähnlichkeiten zu Oppo-Geräten auf. Doch wo Oppo und die anderen Firmen damals vor allem auf China fokussiert waren, war Oneplus so etwas wie der Versuch eine moderne Marke für den Westen zu etablieren. Das brachte über die Jahre zwar einen guten Ruf unter Android-Enthusiasten, der ganz große kommerzielle Erfolg blieb hingegen aus. Dies auch, da die niedrigen Preise der ersten Geräte, die viele Interessenten anlocken, auf Dauer einfach nicht zu halten waren

2020 kam dann der große Bruch in der Firmengeschichte, symbolisiert durch den Abgang eines der Mitgründer. Carl Pei entschloss sich angesichts der zunehmenden Oppofizierung von Oneplus dazu, neue Herausforderungen zu suchen. Mit seiner neuen Firma "Nothing" arbeitet derzeit übrigens gerade wieder an einem neuen Smartphone.

Zusammenführung

Bei Oneplus entschloss man sich hingegen dazu, die Nähe zu Oppo offiziell zu machen, eine Zusammenführung der beiden Unternehmen und deren Software wurde angekündigt. Das wirft natürlich zunehmend die Frage auf, was Oneplus in dieser Zeit eigentlich noch sein soll – außer eines anderen Markennamens für Oppo.

Das Oneplus 10 Pro will in der Liga mit aktuellen Topgeräten von Apple, Google und Samsung mitspielen.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Beste Voraussetzungen also, sich einmal das aktuelle Topgerät von Oneplus näher anzusehen. Der STANDARD konnte das Oneplus 10 Pro in den vergangenen Wochen jedenfalls in gewohnter Ausführlichkeit testen. Also: Tee holen, bequem machen, das wird jetzt wieder etwas länger.

Pro only

Falls sich jetzt wer wundert: Warum eigentlich nur das Pro-Modell? Nun – einfach weil es heuer kein anderes gibt. Zuletzt waren zwar frische Gerüchte zu einem kleineren Oneplus 10 zu hören, aber selbst wenn diese stimmen, dürfte es noch einige Monate dauern, bis dieses erscheint.

Auch sonst ist der Zeitplan von Oneplus durchaus bemerkenswert. Wurde das Oneplus 10 Pro doch bereits vor einigen Wochen in China vorgestellt, wo es allerdings mit anderer Software läuft – konkret Oppos Color OS. All das vermittelt den Eindruck, dass man sich derzeit nicht ganz sicher ist, wo die weitere Reise von Oneplus hingehen soll.

Ersteindruck

Seitlich befindet sich ein geriffelter Knopf, der zu den letzten verbliebenen Resten der Oneplus-Spezialitäten gehört: Damit kann das Gerät schnell lautlos geschaltet werden.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Einmal in Händen gefällt das Oneplus 10 Pro dafür recht gut. Mit seinen 163 x 73,9 x 8,6 mm bei 201 Gramm liegt es bei Größe und Gewicht in einem Bereich, wo viele aktuelle Top-Smartphones angesiedelt sind. Das heißt auch: Für kleine Hände ist es eher nichts. Zumindest hält es sich relativ gut, an der Verarbeitung gibt es ebenfalls wenig auszusetzen.

Auffälligstes Design-Element ist wie bei vielen aktuellen Smartphones der "Camera Bump" also das herausstehende Kamera-Modul. Das ist hier relativ dezent gelöst, wenn auch leider wieder einmal nicht mittig, wodurch das Smartphone wackelt, wenn es bei der Nutzung flach am Tisch liegt.

Design

Das Display ist zu den seitlichen Rändern hin leicht abgerundet, allerdings fällt dies im Vergleich zu einen anderen aktuellen Smartphones relativ dezent auf und stört nicht weiter. Optisch fällt die Rückseite positiv auf, die im Sonnenlicht leicht glitzert. Der dabei entstehende Eindruck, dass die Oberfläche leicht aufgeraut ist, ist allerdings falsch – sie bleibt glatt.

Geschützt wird das Display durch gehärtetes Glas, in diesem Fall das aktuelle Gorilla Glass Victus. Die Rückseite besteht ebenfalls aus Glas, in dem Fall Gorilla Glas 5, der Rahmen ist aus Aluminium.

Wie Belastungstests zeigen, steht es sonst leider nicht allzu gut um die strukturelle Integrität des Geräts. Im Biegetest von "Jerry Rig Everything" brach das Gerät relativ flott direkt unter dem Kameramodul, was auf einen Designfehler hinweist. Wer das eigene Smartphone sorglich behandelt, für den dürfte dies zwar kein allzu großes Problem darstellen, notorische Gesäßtaschenträger sollten aber besser aufpassen.

Bildschirm

Das Display geht an allen Seiten fast ganz bis zum Rand, nur ein Punchhole für die Frontkamera durchbricht ihn.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Apropos Display: Dieses ist 6,7 Zoll groß und bietet eine Auflösung von 1.440 x 3.216 Pixel wobei allerdings von Haus aus "nur" 2.412 x 1.080 Pixel verwendet werden. Oneplus reduziert also ähnlich wie Samsung die Default-Auflösung, um die Performance zu optimieren und Strom zu sparen. Angesichts der überschaubaren Unterschiede – am ehesten ist noch die feinere Schriftdarstellung wahrnehmbar – ist das auch eine nachvollziehbare Entscheidung.

Die Qualität des Displays ist generell sehr gut, einzig bei der maximalen Helligkeit kann man nicht ganz mit aktuellen Topgeräten mithalten. Im Test konnten 850 Nits gemessen werden, ein guter Wert auf dem Niveau von Googles Pixel 6 Pro, Samsung-Smartphones kommen aber mittlerweile zum Teil deutlich über 1.000 Nits. Durchbrochen wird das Display durch den Punchhole-Ausschnitt für die Frontkamera, der links oben angebracht ist.

Leistungsfähigkeit

Beginnen wird das Thema Performance einmal verkehrt herum, um ja keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen. Das Oneplus 10 Pro fühlt sich subjektiv äußerst flott an, Animationen und Scrollvorgänge verlaufen nicht zuletzt dank 120Hz-Support sehr sanft. Auch an den Startzeiten der Apps gibt es nichts zu bemängeln.

Benchmarks

Der Benchmark-Parcours liefert hingegen ein eher durchwachsenes Ergebnis. Das ist aber nicht die Schuld von Oneplus, sondern jene des Chipherstellers Qualcomm. Dessen aktuellster SoC, der Snapdragon 8 Gen 1 bringt nämlich etwas ungewohntes zustande: Er ist bei der Single-Core-Leistung ein Stück langsamer als sein Vorgänger. Und auch der Multi-Core-Test von Geekbench zeigt kaum Verbesserungen im Vergleich zum Snapdragon 888.

Dieser Umstand führt dann dazu, dass das Oneplus 10 Pro etwa im wichtigen Speedometer-Benchmark, der reale Performance von Web-Anwendungen misst, etwas langsamer (104 Punkte) als Googles aus dem Vorjahr stammendes Pixel 6 Pro (112 Punkte) ist. Auch beim auf typische Arbeitslasten ausgelegten PCMark Work 3.0-Test bewegt sich das neue Oneplus-Gerät gerade einmal auf dem Niveau von Vorjahresspitzengeräten – und das inkludiert das Oneplus 9 Pro.

Einige Benchmark-Ergebnisse.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Grafikleistung

Die realen Fortschritte des Snapdragon 8 Gen 1 sind vor allem im Grafikbereich angesiedelt, wo der Chip tatsächlich um 30 bis 40 Prozent flotter ist als das Vorjahresmodell. Positiv fällt zudem auf, dass der Stabilitätswert im Belastungstest von 3DMark mit 62,7 Prozent zumindest weniger schlecht als bei den Top-Smartphones des Vorjahres ausfällt.

Das ist dann jene Stelle im Test, an der einmal mehr daran erinnert wird, dass gerade Grafik-Benchmarks immer mit Vorsicht zu genießen sind. Eben weil diese Topwerte immer nur für ein paar Minuten erreicht werden, bevor die Leistung reduziert wird, um die unvermeidliche Wärmeentwicklung in den Griff zu bekommen. Im vorliegenden Fall werden also nach ein paar Minuten nur mehr rund 60 Prozent der anfänglichen GPU-Leistung geliefert.

Akku

Wer Leistung sagt, der muss auch Akkulaufzeit sagen, immerhin stehen diese Themen in einem direkten Verhältnis. Das Oneplus 10 Pro bietet einen mit 5.000 mAh angenehm großen Akku, der in diesem Fall auch in eine recht ordentliche Akkulaufzeit resultiert. Rund 12:30 Stunden ergeben sich im Akku-Benchmark von PCMark bei 200 Nits Helligkeit. "Rund" deswegen, da dieser Wert hochgerechnet werden musste, da der Benchmark zum Abschluss konsistent abstürzte.

Das Ergebnis ist eindeutig: Oneplus nimmt zweifelhafte Akkuoptimierungen vor, die zu allerlei Problemen führen können.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Einmal mehr sei betont, dass solche Akku-Messungen immer nur als grobe Einschätzung zu verstehen sind, da sie von einer Fülle an Faktoren abhängen. So schneidet etwa Googles Pixel 6 Pro im besagten Benchmark noch besser ab, und doch gibt es einzelne Nutzer, die über eine schwache Akkuleistung klagen. Entscheidende Faktoren sind hier meist Art und Qualität der Netzanbindung oder natürlich auch die gewählte Bildschirmhelligkeit.

Unerfreuliche Manipulationen

Subjektiv gefällt das Oneplus 10 Pro aber auch mit einer Screen-on-Time von sieben und mehr Stunden in dieser Hinsicht gut. Leider verdankt das Smartphone diesen Wert zweifelhaften Methoden. Denn auch Oneplus verwendet zweifelhafte "Optimierungen", die grundlegende Funktionen des Android-Systems beschädigen.

Im Test von "Don't Kill My App" kommt das Oneplus 10 Pro auf einen äußersten niedrigen Wert von 37 Prozent. In der Praxis heißt dies, dass Benachrichtigungen oft verspätet ankommen. Zudem besteht die Gefahr, dass so mancher Wecker nicht zeitgerecht ausgelöst wird. Es ist gleichermaßen betrüblich, dass Smartphone-Hersteller für ein bisschen bessere Benchmark-Werte noch immer auf solche Tricks setzen, wie dass Google diesem Treiben seit Jahren zusieht.

Schnellladen

Uneingeschränkt erfreulich ist dafür die Ladegeschwindigkeit des Oneplus 10 Pro. Im Test war der Akku nach 10 Minuten bereits wieder 40 Prozent voll geladen, nach 35 Minuten war dann bereits die Vollladung erreicht. Voraussetzung dafür ist die Nutzung des offiziellen 80-Watt-Ladegeräts von Oneplus selbst, das glücklicherweise mitgeliefert wird. Etwas seltsam, dass man so etwas mittlerweile herausstreichen muss, aber so ist nun mal der Stand der Smartphone-Welt.

Mit normalen USB-PD-Chargern lag die maximale Ladeleitung im Test bei eher gemütlichen 18 Watt. Drahtlos geht das Laden ebenfalls ziemlich flott, und zwar mit bis zu 50 Watt. In diesem Fall muss die zugehörige Ladestation aber tatsächlich zusätzlich erworben werden.

Das Oneplus 10 Pro kann schnell laden – sehr schnell, um genau zu sein. Voraussetzung dafür ist aber die Verwendung des Originalladegeräts.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Die Kamera

Viel Aufsehen macht Oneplus um die Kameras seiner Geräte, immerhin konnte man mit Kamerahersteller Hasselblad einen renommierten Partner gewinnen können. Das sieht im Werbeprospekt gut aus, in der Realität sind solche Deals aber üblicherweise kaum mehr als eben das: Marketing. Im konkreten Fall hilft Hasselblad zumindest bei der Optimierung der Farbgebung, mit der Hardware hat man hingegen exakt nichts zu tun.

An dieser Stelle eine wichtige Anmerkung zwischendurch: Für all jene, die die Aufnahmen in voller Auflösung und im Detail betrachten wollen, gibt es wieder ein eigenes Google-Fotos-Album. Dort finden sich auch zahlreiche zusätzliche Bilder sowie weitere Vergleiche mit anderen Smartphones.

Primärer Sensor

Für die Hauptkamera kommt ein 48-Megapixel-Sensor mit einer Pixelgröße von 1.12µm genutzt, bei dem Binning betrieben wird, also 2x2 Pixel zu einem Bildpunkt in der fertigen Aufnahme kombiniert werden. Das resultierende Bild hat dann also wieder 12 Megapixel. Optional lässt sich die volle Auflösung für zusätzliche Details nutzen, in der Praxis rentiert sich dies allerdings nur selten.

An sich fallen Tagesaufnahmen mit dem Oneplus 10 Pro recht gut aus, die Farben sind aber deutlich übertrieben, im Detail zeigt sich auch, wie stark hier geschärft wird, wodurch Feinheiten verloren gehen.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Die Größe des Sensors beträgt 1/1,43 Zoll. Bei anderen aktuellen Top-Smartphones werden zwar zum Teil noch größere – und somit lichtempfindlichere -Sensoren geliefert, generell ist das aber ein durchaus guter Wert. All das wird kombiniert mit einer Blende von f/1.8 sowie zwei Autofokus-Systemen – einmal Laser, einmal PDAF.

Auch bei Kunstlicht entstehen recht gefällige Aufnahmen.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Nichts verändert

Das klingt alles irgendwie bekannt und zwar einfach, weil es das auch ist. Oneplus verwendet sogar exakt denselben Sensor wie im Vorjahr, und zwar den IMX789 von Sony. Insofern sollten die Ergebnisse eigentlich nicht überraschend sein, sind sie aber doch. Und zwar, weil nicht nur die Softwareschwächen aus dem Vorjahr in vollem Umfang erhalten bleiben, zum Teil sind sie gar noch stärker ausgeprägt.

Wirkt schon fast wie mit einem Filter nachbearbeitet, kommt aber direkt so aus der Oneplus-Kamera: Die Aufnahmen werden oft zu kontrastreich und "knallig". Zum Teil ist das aber sicher auch Geschmackssache.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Mit dem Oneplus 10 Pro lassen sich vor allem bei gutem Licht schöne, manchmal auch sehr schöne Aufnahmen machen. Das ändert aber nichts daran, dass es eine Reihe von sichtbaren Defiziten gibt.

Ein Look

Sicher noch in die Kategorie "Geschmack" fällt der sehr kräftige Look der Oneplus-Aufnahmen, neben dem selbst die Bilder einer Pixel-Kamera von Google dezent wirken. Das wäre auch noch nicht das Problem, leider werden dabei aber viele Details vernichtet, wie sich bei einer näheren Betrachtung schnell zeigt. Zudem werden die Kanten übermäßig betont, sodass schon fast ein Outline-Look entsteht.

Auffällig: Einige der Aufnahmen waren ziemlich überstrahlt.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Überhaupt scheint die Oneplus-Software echte Probleme mit kleinen Details zu haben, diese werden zum Teil komplett vernichtet, auf einigen der Testaufnahmen führte dies gar zu größeren verschwommenen Stellen. Noch überraschender ist aber, dass die Kamera im Testverlauf mehrfach Probleme mit sehr hellen Lichtverhältnissen hatte, die Aufnahmen dann zum Teil deutlich überstrahlt waren. Ganz allgemein fällt auf, dass der Weißabgleich nicht immer perfekt funktioniert, die Farbgebung ist ebenfalls oft begrenzt realistisch.

Abendbilder

Am Abend sind die Bilder des Oneplus 10 Pro generell ordentlich, bei anderen aktuellen Top-Smartphones bleiben aber teilweise erheblich mehr Details übrig. Ein Tipp: In solchen Szenarien empfiehlt sich fast immer die manuelle Aktivierung des Nachtmodus. Eigentlich sollte der Automatismus der Kamera das selbst tun, das funktioniert jedoch nicht zuverlässig. Ohne Nachtmodus werden aber viele der Abendaufnahmen zu einem unerfreulichen Brei an verschwommenen Flächen.

Mit den Automatikeinstellungen verschwimmen am Abend viele Details.
Foto: Proschofsky / STANDARD
Mit dem Nachtmodus wird es besser, auch wenn hier trotzdem viele Stellen sehr weich bleiben.
Foto: Proschofsky / STANDARD

In Summe ist die Kamera des Oneplus 10 Pro so sicher eine Stufe unter den aktuell besten Kameras bei Smartphones wie jene des iPhone 13 Pro oder auch des Pixel 6 Pro anzusiedeln.

Zoom

Das gilt auch für die zweite der Kameras: Das 3,3-fache Tele (8 Megapixel, f/2.4, 1,0µm Pixelgröße, OIS) ist ein nettes Extra, mit dem sich exakt bei diesem Faktor auch ganz ansehnliche Aufnahmen machen lassen. Von der Detailtreue eines Samsung S21/S22 Ultra oder auch eines Pixel 6 Pro ist man aber weit entfernt, vor allem wenn es an höhere Vergrößerungsfaktoren geht, also die Software sich irgendwie beteiligen muss. Diese Warnung gilt auch für den Abend, wo nur mehr im Ausnahmefall brauchbare Aufnahmen mit der Telekamera möglich sind.

Zum Teil lassen sich mit dem Oneplus Pro 10 ganz hübsche Teleaufnahmen machen – zumindest bei optimalen Vergrößerungsfaktoren.
Foto: Proschofsky / STANDARD
Am Abend kann man die Ergebnisse aber eher vergessen. Die U-Bahn ist bei der Aufnahme übrigens stillgestanden, auch wenn es anders aussieht.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Porträts

Die Telekamera von aktuellen Smartphones lässt sich üblicherweise ganz gut für Porträtaufnahmen mit einem natürlichen Bokeh verwenden. Das kann hier leider nicht behauptet werden. Die Kombination aus dem ohnehin schon niedrig aufgelösten Sensor und der Tendenz der Kamera-Software von Oneplus zur Detail-Vernichtung ergibt wenig ansehnliche Ergebnisse. Insofern ist die Hauptkamera mit ihrem Fake-Bokeh meist dann doch die bessere Wahl für solche Aufgaben.

Ein Porträtfoto mit der Telekamera des Oneplus 10 Pro.
Foto: Proschofsky / STANDARD
Zum Vergleich: Mit dem Pixel 6 Pro wird die Aufnahme nicht nur erheblich detailreicher, die Farben sind auch naturgetreuer.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Die von der Telekamera gelieferten Aufnahmen fallen in Summer sehr ähnlich aus wie jene des Vorgängermodells, und das ist natürlich wieder kein Zufall. Auch an dieser Stelle wird die gleiche Hardware wie beim Oneplus 9 Pro verwendet, ohne dass sichtbare Fortschritte an der Software erkennbar wären.

Ultraweitwinkel

Das ist bei der Ultraweitwinkelkamera mit ihren 50 Megapixel (Autofokus, f/2,2) anders. Dort gibt es nämlich eine Veränderung, allerdings in eine ungewohnte Richtung. Mit dem Isocell JN1 kommt heuer nämlich ein schwächer Sensor als im Vorjahr zum Einsatz. Mit einer Größe von 1/2,76 Zoll fällt er doch signifikant kleiner als der Chip aus dem Vorjahr mit seinen 1/1,56 Zoll aus.

Der 150-Grad-Modus ist ein nettes Extra.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Das macht sich vor allem bei Abendaufnahmen negativ bemerkbar. Das ist schade, gehört doch die Ultraweitwinkelkamera sonst zu den Stärken des Oneplus 10 Pro. Der Blickwinkel beträgt dabei übrigens von Haus aus 120 Grad, optional gibt es aber sogar einen 150-Grad-Modus – ein nettes Gimmick.

Bleibt noch die Frontkamera, die mit ihren 32 Megapixel (f/2.2, 1/2,74 Zoll Sensorgröße) für ganz gute Selfies sorgt. Dass dabei nur ein Fixfokus geboten wird, fällt allerdings negativ auf.

Videos

Ganz gut sind dafür die Videofähigkeiten des Oneplus 10 Pro. Die Stabilisierung funktioniert tadellos, die Bilder sind gefällig, wenn auch hier eine gewisse Neigung zur Überbelichtung unübersehbar ist. Die maximale Auflösung ist mit 8K/24 angegeben, in der Realität wohl relevanter ist aber, dass hier 4K bei 120 Bildern pro Sekunde geht.

Ein weiterer Pluspunkt sind die vielen Einstellungsmöglichkeiten, und zwar nicht nur für die Aufnahme von Videos. Auch sonst bietet die Kamera-App von Oneplus viele Optionen. Dazu gehört die Möglichkeit Fotos in HEIF – also Apples 10-Bit-Format – aufzunehmen, womit dann der Farbumfang etwas besser ist. Vorausgesetzt natürlich, man hat ein passendes Display, um das Ergebnis anzuzeigen. Mit RAW Plus gibt es zudem jetzt ein "Computational RAW"-Form, so wie es Google, Apple und Samsung ebenfalls bereits anbieten.

Fingerprint und Co

Die Position des Fingerabdrucksensors wurde weiter nach oben geschoben, und das ist ein echter Gewinn für die Handhabung.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Kommen wir noch zur restlichen Hardware: Es gibt einen optischen Fingerabdrucksensor unter dem Display, der erfreulicherweise etwas höher als beim Vorgänger platziert und somit leichter zu erreichen ist. Dieser arbeitet auch flott, wie sicher diese Sensoren sind, wäre allerdings noch einmal eine andere Frage.

Es gibt 5G sowie Dual-SIM-Unterstützung, eine Option, das unsichere 2G-Netzwerk zu deaktivieren, fehlt hingegen. WiFi6 wird ebenso geboten wie Bluetooth 5.2 und natürlich auch GPS, Glonass und Galileo zur Ortsbestimmung. NFC darf ebenfalls nicht fehlen, warum dessen Aktivierung dauerhaft in der Statuszeile symbolisiert werden muss, bleibt auch Jahre, nachdem die ersten Hersteller damit begonnen haben, ein Rätsel.

Storage

Der lokale Speicherplatz beträgt je nach Modell 128 oder 256 GB. Wie so oft ist das mit einer unterschiedlichen Ausstattung beim Arbeitsspeicher gekoppelt, das RAM beträgt dann 8 oder 12 GB. Ob es einen Wasser- und Staubschutz gibt, ist in diesem Fall schon fast eine philosophische Frage: Während Oneplus bei den Modellen bei gewissen Netzbetreibern IP68 ausweist, steht es bei den frei gekauften Geräten nicht in den Spezifikationen.

Es gibt Stereo-Sound, wobei nur eine der Lautsprecher an der Vorderseite angebracht ist. Die Klangqualität ist ok für ein Gerät dieser Kategorie. Für die kabelgebundenen Datenverbindung nach außen gibt es wie gewohnt einen USB-C-Anschluss, wobei USB-3.1-Support für schnelle Übertragungsraten sorgt.

Software

Der Lockscreen von OxygenOS samt Schnellladeanimation sowie die "Never Settle"-Ansicht, die über eine Wischbewegung vom rechten oberen Eck aus aufgerufen wird und damit primär im Weg herumsteht.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Kommen wir zur Software: Die Pläne OxygenOS und ColorOS zusammenzuführen hat Oneplus / Oppo ja mittlerweile wieder aufgegeben. Außerhalb von China wird das Oneplus 10 Pro entsprechend mit OxygenOS 12.1 auf Basis von Android 12 ausgeliefert. Dieses hinterlässt im Test einen für Oneplus-Verhältnisse vergleichsweise schlechten Eindruck.

Zwar gehört OxygenOS noch immer zu den weniger aufdringlichen Android-Varianten, das ändert aber nichts daran, dass die Entwicklung derzeit rückwärts zu verlaufen scheint. Ein bisschen klassisches OxygenOS hier, ein paar Einsprengsel von Android 12 und seinem Material You und dazu noch einige Kleckser Color OS. In Summe wirkt das alles inkonsistent und ehrlich gesagt auch unfertig.

Wilde Mischung

Ein Beispiel: Die Systemeinstellungen hat Oneplus in einem recht simplen Stil gehalten, von Googles "Material You" ist dabei nichts übrig geblieben. Das wäre auch ok, würde es konsequent durchgezogen. In dem Fall ist es aber so, dass dazwischen immer wieder einzelne Dialoge – etwa zu den Berechtigungen oder dem Privatsphären-Dashboard – in einem vollständig anderen Look aufpoppen.

Nun ist schon klar, dass das daran liegt, dass die betreffenden Komponenten direkt von Google geliefert werden. Trotzdem hätte man sich bei der Einbettung deutlich mehr Mühe geben können – wie es ja auch Samsung bei seinem OneUI geschafft hat. Die Google-Dialoge verwenden nicht nur eine andere und noch dazu deutlich größere Schrift, sie nutzen sogar das Farb-Highlight-System von "Material You" – das man bei OxygenOS aber gar nicht konfigurieren kann, womit es auch keinen Sinn ergibt in diesem Kontext. Entsprechend sehen auch die meisten der aktuellen Google-Apps ziemlich unpassend im Vergleich zum Rest des Systems aus.

App-Auswahl

Die Inkonsistenzen zwischen den Einstellungsdialogen von Oneplus und jenen, die man von Google übernimmt, sind mannigfaltig.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Die Softwareausstattung setzt sich vor allem aus Google- und Oneplus-Apps zusammen, unnötige Dopplungen wurden dabei glücklicherweise weitgehend vermieden. Ebenfalls positiv fällt auf, dass viele dieser mitgelieferten Programme restlos entfernt werden können. Das macht das Vorhandensein von Software"perlen" wie dem "Oneplus Store", in dem lediglich Produkte des Herstellers verkauft werden, etwas weniger schlimm.

Freilich könnte auch die Frage gestellt werden, warum so etwas überhaupt je installiert wird. Immerhin gibt es im Setup-Prozess von Android die Möglichkeit, den Nutzern die Auswahl solch optionaler Apps selbst zu überlassen. Leider ignorieren dies aber mittlerweile viele Hersteller, Oneplus bietet etwa nur ein einziges Programm zur Abwahl: TikTok. Netflix oder auch Youtube Music und Google TV werden hingegen ungefragt nach der Einrichtung des Geräts automatisch installiert.

Update: Besser ist nicht genug

Erfreuliches hat sich im vergangenen Jahr in Hinblick auf den Software-Support getan. Oneplus verspricht für seine Topgeräte mittlerweile drei große Versionssprünge sowie vier Jahre an Sicherheitsaktualisierungen. Das ist jeweils eins mehr als noch im Vorjahr und insofern uneingeschränkt zu begrüßen.

Gleichzeitig ändert das aber nichts daran, dass Samsung und Google bereits fünf Jahre an Sicherheitsaktualisierungen versprechen, Samsung das gar mit vier großen Updates kombiniert. Zudem sind die beiden Konkurrenten derzeit wesentlich besser bei der Auslieferung neuer Versionen und vor allem auch Sicherheits-Updates. Oneplus garantiert bislang ja nicht mal die fixen monatlichen Updates. Das ist nicht mehr zeitgemäß und sollte das Unternehmen bald in den Griff bekommen, wenn man in dieser Kategorie mitspielen will.

Verfügbarkeit

Das Oneplus 10 Pro ist in den Schwarz ("Volcanic Black") sowie Grün ("Emerald Forest") erhältlich. Der Preis startet bei 899 Euro, für die Ausführung mit 256 GB Speicherplatz müssen dann schon 999 Euro bezahlt werden.

Viel ist nicht mehr geblieben vom einstigen Oneplus-Glanz.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Fazit

Was auch immer Oneplus einmal von den Mitbewerbern abgesetzt hat, mit der neuesten Hardwaregeneration scheint das alles verblasst. Das Oneplus 10 Pro wirkt in weiten Teilen wie ein ziemlich generisches Smartphone ohne große Highlights. Die Kamera gut, aber auch eigentlich für diese Preisklasse nicht mehr gut genug. Der Support-Zeitraum verbessert, aber noch immer schlechter als bei der direkten Konkurrenz. Bei der Software ist sogar eine Rückwärtsbewegung in Hinblick auf die Qualität zu erkennen.

All das wirkt nicht nur fast schon lustlos, es wirft auch die Frage auf, wen man damit eigentlich ansprechen will. Um denselben Preis gibt es etwa Googles Pixel 6 Pro, das nicht nur die deutlich bessere Kamera bietet, auch der Support wird noch länger laufen. Bleibt beim Oneplus 10 Pro eigentlich nur eine etwas besser Grafik-Performance auf der Habenseite – und das ist reichlich wenig. Auch der Vergleich zu aktuellen Topgeräten von Samsung fällt wenig vorteilhaft aus.

Insofern wirkt das Oneplus 10 Pro wie das Ende einer Ära. Ein Abschluss, der aber bei weitem nicht so gut gelungen ist, wie es sich die einst mit dem Kampfbegriff "Never Settle" angetretene Marke verdient hätte. (Andreas Proschofsky, 24.4.2022)