Eine Shoppingtour seiner Familie in der Türkei könnte dem iranischen Parlamentspräsidenten Mohammad Bagher Ghalibaf zum Verhängnis werden und seine Pläne zunichtemachen, im nächsten Monat für eine weitere Amtszeit gewählt zu werden: Justament in einem Moment, in dem die Führung der Islamischen Republik die Menschen wegen der wirtschaftlichen Notlage des Landes zu Sparsamkeit auffordert, sollen Ghalibafs Frau, dessen Schwiegertochter und eine ganze Entourage in die Türkei geflogen sein, um Babysachen für den neuesten, noch ungeborenen Spross der Familie einzukaufen.

Parlamentspräsidenten Mohammad Bagher Ghalibaf in Erklärungsnot.
Foto: ATTA KENARE / AFP

Die als "Ghalibafgate" bekannt gewordene Affäre dominiert in den sozialen, aber auch klassischen journalistischen Medien alle anderen Themen, selbst die Politik. Nach Ansicht vieler Beobachter sei der Vorfall ein weiterer Beweis dafür, dass im Iran mit zweierlei Maß gemessen wird.

In einem Präsidentschaftswahlkampf vor mehreren Jahren hatte sich Ghalibaf als "Vertreter von 96 Prozent der Bevölkerung" bezeichnet und ein Mitglied des Kabinetts des damaligen Präsidenten Hassan Rohanis dafür kritisiert, seine Frau zum Einkaufen nach Italien geschickt zu haben. "Wie kann man so etwas verantworten, wenn man die Menschen zum Sparen auffordert, aber sich nicht selbst daran hält?", fragte damals Ghalibaf. Nun muss er dieselbe Frage beantworten und sich rechtfertigen.

Karriere zu Ende?

"Ghalibafgate" kommt sogar in konservativen, also regierungsnahen Medien zur Sprache. Das zeigt, dass es einen Riss geben könnte zwischen dem konservativen Kreis, der im Parlament die Mehrheit besitzt, und der Regierung. Die stets aufs Neue beschworene Einheit zwischen Präsident Ebrahim Raisi und Parlament scheint nicht (mehr) vorhanden zu sein. Dies wird bereits in vielen Bereichen deutlich.

Ob Ghalibaf und seine treuen Anhänger im Parlament durch diese Shoppingaffäre gezielt ausgebootet werden sollen, ist schwer einzuschätzen. Die unabhängigen Zeitungen, die nie mit Kritik an Ghalibaf gespart haben, verlangen jedenfalls seinen Rücktritt. Sie meinen, dass die politische Karriere des Parlamentspräsidenten ohnehin zu Ende sei, da ihm ja auch vorgeworfen wird, in seiner Zeit als Teheraner Oberbürgermeister (2005–2017) Gelder veruntreut zu haben.

Ghalibaf selbst hat sich bisher zur Causa nicht geäußert. (Amir Loghmany, 22.4.2022)