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In Spielen, in denen man eine Zivilisation aufbaut oder ein Volk als Gottheit "leitet", sind oft hohe Zufriedenheit, gute Gesundheit und wirtschaftlicher Erfolg der Schlüssel zum Sieg. Ausnahmen bestätigen Regel. Und ein Vertreter dieser seltenen Gattung ist auch "Shadows of Forbidden Gods" vom Studio Bobby Two Hands (der Einfachheit halber folgend nur "Forbidden Gods" genannt).

"Einmal möchte ich ein Böser sein, grausam und brutal – und dann zieh' ich meine Spur durch dieses Jammertal", lautet das Ziel hier, frei nach der österreichischen Kultband EAV. Hier begnügt man sich allerdings nicht mit einem Tag an Missetaten und Kinkerlitzchen, wie der Vergiftung des Osterhasen, sondern soll im Namen eines ungemütlichen Gottes die Welt in die Dunkelheit stürzen.

Bobby TwoHands

Der Early-Access-Titel für Windows (Steam), der ausschließlich solo gespielt werden kann, präsentiert sich dabei wie eine Mischung verschiedener Konzepte. Er beinhaltet Elemente von Rundenstrategie-Evergreens wie "Civilization", Macro-Managing-Games á la "Plague Inc.", Rollenspiel-Mechaniken, wie man sie aus "Age of Wonders" oder "Heroes of Might and Magic" kennt, sowie Diplomatie und "Machtmanagement", das an Grand-Strategy-Perlen wie "Crusader Kings" erinnert. Sieht man sich an, wie viele Rädchen es gibt, an denen man in "Forbidden Gods" schrauben kann, ist man von letztgenanntem Game nicht allzu weit entfernt. Die Entwickler selbst bezeichnen ihr Werk übrigens als "Apokalypse-Simulator", was durchaus zutreffend ist.

Agenten der Finsternis

In einem Tutorial, das gut gemacht ist, aber in Retrospektive mehr Umfang vertragen könnte, führt das Game den Spieler in die grundlegenden Mechaniken ein. Das "Shadow" im Titel ist dabei keine bloße Makulatur, denn der "Schatten" ist ein wichtiger Baustein zum Erfolg. Vorstellen darf man sich ihn als ein Element des Bösen, das dort, wo es ist, langsam aber sicher Amtsträger und Helden korrumpiert. Das erleichtert nicht nur die eigenen Operationen, sondern ist für den Schlussteil des Spieles von essenzieller Bedeutung. Je mehr Herrscher vom Schatten erfasst sind, desto weniger schließen sich am Ende der "Allianz" an. Dieses ist ein Bündnis menschlicher Reiche, das sich gründet, um sich mit aller Macht dem Endkampf gegen die Finsternis zu stellen.

Bis es so weit ist, vergeht aber einige Zeit. Normal ist eine Partie auf 500 Züge begrenzt, was sich aber aufheben lässt. Ebenso einstellen lässt sich der Schwierigkeitsmodifikator und die Größe der Spielwelt, sofern man diese über einen Seed generieren lässt und keine vorgegebene Karte wählt. Auch der Umfang der Map beeinflusst den Grad der Herausforderung. Grundsätzlich gilt: Je größer die Map, desto schwieriger der Sieg. Anfänger sollten die Kartengröße reduzieren, denn eine Partie dauert gut und gerne fünf bis sechs Stunden und die Lernkurve ist nicht gnädig.

"She Who Will Feast" ist die erste Gottheit, in deren Namen man die Apokalypse heraufbeschwört.
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Einflüsterer, Pestdoktor, Kriegsherren

Man hat die Auswahl zwischen vier Göttern (an einem weiteren wird bereits gearbeitet), die jeweils unterschiedliche Konzepte anbieten, um die Welt in den Abgrund zu stürzen. Den ersten Erfolg muss man allerdings mit "She Who Will Feast" erringen, ehe die anderen drei Finsterlinge freigeschaltet werden. Sie ist eine offenbar außerirdische Gottheit, die sich gegen Ende des Spiels – so man nicht früher bereits gewinnt oder verliert – als riesige und beständig stärker werdende Schlange manifestiert, mit der man Städte und Armeen der Menschheit einebnen kann.

Bei ihr liegt der spielerische Fokus weniger auf ihren Eigenheiten, sondern auf den "Agents", die man zur Verbreitung von Schatten und Chaos herumschickt, weswegen man sie auch als eine Fortsetzung des Tutorials verstehen kann. Zur Wahl stehen drei "generische" Akteure (Hierophant, Warlock und Warlord), verschiedene Spezialisten, auf die man aber nur einmalig Zugriff hat. Da wären etwa der Einflüsterer, dessen besondere Eigenschaft es ist, Herrscher untereinander auszuspielen. Oder die Matriarchin, die ein menschliches Land in ein "finsteres Reich" transformieren und gegen andere Staaten zu Felde ziehen lassen kann.

Bobby TwoHands

Es gibt auch einen "Pestdoktor", der sich vorwiegend darum kümmert, einer einmal freigesetzten Seuche bei der Verbreitung zu helfen. Neben diesen und anderen "Experten" kann man auch menschliche Helden rekrutieren, sobald diese vollständig korrumpiert wurden.

Zu Beginn muss man mit maximal zwei Einheiten Vorlieb nehmen. Da die Gottheit im Verlaufe der Zeit immer mächtiger wird, erweitert sich dieses Limit. "Neuanwerbungen" setzen allerdings die Verfügbarkeit von Rekrutierungspunkten voraus, die nur mit großem Abstand aufgestockt werden. Das bedeutet einerseits, dass es alleine aus diesem Grund schon sinnvoll ist, die eigenen Agenten möglichst lange am Leben zu erhalten und andererseits, dass der Weg zum Sieg vor allem über langfristige Planung führt.

Die eigenen Einheiten gewinnen mit jedem erfüllten Auftrag Erfahrung und steigen mit der Zeit im Level auf. Das beschert ihnen entweder eine Verbesserung in einem von vier Grundwerten (Might, Command, Intrigue, Lore) zur Beschleunigung künftiger Aktionen oder zusätzliche Fertigkeiten. Daneben gibt es auch ein magisches Aufstiegssystem. Wo Herrscher oder Helden gefallen sind, lassen sich "Geheimnisse des Todes" erlernen, die in "arkanes Wissen" verwandelt werden, mit dem eine Figur schließlich Erkenntnisse in drei Schulen der Magie (Blut, Tod, Geomantie) erlangen kann.

Hat die weltweite Panik über die sich ausbreitende Dunkelheit einen gewissen Punkt überschritten, so beginnen noch nicht korrumpierte (oder nachträglich "geheilte") Herrscher, eine Allianz zu schmieden, die sich in den Endkampf gegen das Böse stürzt.
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Es zählt der große Plan

"Forbidden Gods" bietet zahlreiche Mechaniken an, um die Verfinsterung der Welt zu erreichen. Man kann Landstriche plündern, Fehden unter Adelsfamilien provozieren, dunkle Sekten gründen, Staatskassen plündern, Bürgerkriege entfesseln, Tote auferstehen lassen, Orkhorden unterjochen und in den Kampf führen, die Pest verbreiten, mit einem Kult ein Cthulhu-inspiriertes Wasservolk (Deep Ones) schwärmen lassen und einiges mehr.

Was man aber schon in den ersten Anläufen auf die harte Tour lernt ist, dass man – abgestimmt auf die jeweilige Gottheit – eine Auswahl treffen muss. Wer versucht, zu viel auf einmal zu machen, wird tendenziell nichts davon sehr erfolgreich bewerkstelligen. Bestimmte Aktionen lassen sich zwar kurzfristig setzen, für das "große Ganze" benötigt man allerdings zumindest einen groben Plan.

Denn man kann nicht ewig im Geheimen operieren. Viele Handlungen erhöhen die Werte "Profile" und "Menace" der eigenen Figuren. Ersterer gibt an, wie "sichtbar" ihr Treiben ist, Zweiterer ist ein Indikator dafür, für wie gefährlich sie gehalten werden. Je höher sie sind, desto eher rücken die Gegner der Finsternis aus, um Aktionen zu unterbrechen oder die Figuren direkt anzugreifen. Das erfordert mitunter taktisches Untertauchen, bis ein Agent wieder einigermaßen in Vergessenheit geraten ist, oder zuvor gar eine Flucht über die Karte, bis die oder der jeweilige Heldin oder Held die Verfolgung aufgibt.

"Iastur" ist ein Gott, dessen zentrales Spielkonzept darin besteht, gezielt Herrscher und Helden mithilfe eines verfluchten Buches in den Wahnsinn zu treiben.
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Stirbt ein Diener, so nimmt er auch seine Fortschritte mit ins Grab. Neues Personal beginnt in Sachen Erfahrung von vorne. Auch die menschlichen Kämpfer verfügen über Klassen und ein Levelsystem sowie Magie. Zudem gibt es unter ihnen eine oder einen Auserwählten, die bzw. der nicht Ziel von Zaubern und göttlichen Fähigkeiten werden kann, sondern konventionell bezwungen werden muss.

Die Aktionen der Unheilsbringer und die Ausbreitung von Unheil und Schatten lassen auch die weltweite Panik ansteigen. Mit ihr verschärfen sich auch stufenweise die Maßnahmen, die die Menschen setzen. Sind diese zu Beginn vorwiegend defensiv, etwa durch die Errichtung von heiligen Lichtspendern ("Wards"), steht am Ende dessen ein Kreuzzug der bereits erwähnten Allianz mit schlagkräftigen Armeen. Für den Spieler bedeutet dies einen fordernden Balanceakt zwischen dem Vorantreiben der eigenen Pläne und dem Vermeiden zu großer Aufmerksamkeit.

Grafik, Sound, Interface

Grafisch präsentiert sich "Forbidden Gods" im klassischen, aber stilistisch gelungenen Look eines 6X-Strategiegames, auch wenn einzelne Aspekte bzw. Einheitenporträts nicht so ganz zum restlichen Grafikstil passen. Dazu gibt es in der Darstellung und auch sonst immer wieder kleinere Bugs, die man einem Early-Access-Titel aber nachsehen kann.

Akustisch wird das Game von den passenden düsteren Klängen untermalt, ohne dass der Soundtrack insgesamt besonders hervorstechen würde. Gewöhnungsbedürftig ist das Interface. Es funktioniert an sich gut, an manchen Stellen darf aber gerne noch optimiert werden.

Fazit

"Shadows of Forbidden Gods" ist zwar noch kein fertiges Spiel, zeigt aber jetzt schon großes Potenzial. Gerade Spieler, die komplexe Strategiegames mögen und auch vor steiler Lernkurve und anspruchsvollem Schwierigkeitsgrad nicht zurückschrecken, werden sich hier wohlfühlen. Nachdem der Titel aber in diesen Punkten dennoch eine Liga unter "Crusader Kings" spielt, kann sich auch für andere Gamer ein Blick lohnen, wenn sie einmal richtig böse sein wollen. (Georg Pichler, 23.4.22)