Tigran Hamasyan ist ein toller Pianist, ein unbändiger Entertainer, einer der kreativen Weltmusik-Komponisten und ein vielversprechender Erneuerer mit Hightech-Apparatur", schrieb The Guardian über einen Musiker, der stilistisch und geografisch über eine denkbar große Bandbreite verfügt.

In diese kulturelle Vielfalt wurde er buchstäblich hineingeboren: Sein Vater hörte gerne Rockmusik, der Onkel eher Jazz. Zu Hause gab es Platten der Beatles, von Louis Armstrong, Led Zeppelin, Deep Purple, Back Sabbath und Queen – also auch die halbe Rock- und Popgeschichte offenbar. Tigran Hamasyan, geboren 1987 in Armenien, spielte all das schon als kleines Kind auf dem Klavier nach, entdeckte zunächst Fusion und Bebop – und dann die reiche Volksmusiktradition seiner Heimat. Und schon als Jugendlicher spürte er die Möglichkeit, beide teils improvisierten Stile miteinander zu verschmelzen.

Für Pianist Tigran Hamasyan sollen Musik und Kunst "die Menschen spirituell erheben."
Foto: Helena Hamasyan

Erlebnis Chick Corea

Doch zunächst absolvierte er auch eine klassische Ausbildung und übte sich autodidaktisch als Jazz-Pianist. Ein Schlüsselerlebnis war das Zusammentreffen mit Pianist Chick Corea und Stéphane Kochoyan beim internationalen Jazzfestival in der armenischen Hauptstadt Jerewan im Jahr 2000. Seit seinen Erfolgen beim Montreux-Jazz-Wettbewerb 2003 sowie bei der Thelonious Monk Jazz Piano Competition und der Martial Solal Jazz Competition in Paris drei Jahre später war er international im Geschäft. Inzwischen lebte er mit seiner Familie in Los Angeles, spielte auch in einer groovenden Funkband und ließ mit seiner Integration armenischer Elemente in den Jazz international aufhorchen.

Album StandArt

Etliche Alben und Auszeichnungen später – darunter der Echo Jazz Award 2016 sowie Preise als "Keyboarder international" und "Künstler des Jahres international" beim Deutschen Jazzpreis 2021 – kommt Hamasyan nun mit einem neuen Trio mit dem Bassisten Matt Brewer und dem Schlagzeuger Justin Brown nach Wien.

Auf dem Programm: Jazz-Standards, die ihn im Laufe seines Lebens geprägt haben, sie sind auch auf seinem neuen Album StandArt zu finden. Auch hier ist sein geradezu programmatisches und auch biografisch bedingtes Grenzgängertum auf Schritt und Tritt zu hören. Seine musikalische Sprache hat der Pianist einmal so zusammengefasst: "Wenn ich improvisiere, verwende ich musikalisches Vokabular, das aus Armenien stammt. Aber ich habe die Kunst der Improvisation durch den Bebop gelernt."

Kontrolle, Neuschöpfung

Musikalische Einheit, die sich beim Hören seines Spiels ganz unmittelbar mitteilt, ist freilich stets Ergebnis eines fragilen Prozesses, den der Musiker als "Gleichgewicht zwischen Wissen, Kontrolle und unerwarteter Neuschöpfung" beschreibt. Sein Ziel, eine Verbindung zwischen den Kulturen und den einzelnen Individuen zu schaffen und die Utopie einer besseren Welt zu entwerfen, weist freilich weit über seine Kunst hinaus. Hamasyan: "Ich habe das Gefühl, dass Musik und Kunst eigentlich nur einen Zweck haben: nämlich die Menschen spirituell zu erheben und sie die materielle Welt vergessen zu lassen, sie träumen zu lassen." Musik solle sie an den Ort in ihrem Inneren führen, der keine Grenzen "kennt und die Menschen auf einer anderen Ebene miteinander verbindet".

Das bunte Original Hiromi mit "Music for piano and string quartet"

Da kommt stilistisch einiges zusammen, da sind Jazz-Elemente von Harlem Stride, Post-Bop-Partikel wie auch Einsprengsel von Pop und Rock sowie das Instrumentale, also eine brillante und dann auch klassisch grundierte Technik: Die japanische Pianistin Hiromi Uehara alias Hiromi fusioniert all das und begeistert ihr Publikum mit einer ausladenden Virtuosität – jenseits allen stilistischen Purismus. Die Musikerin selbst bekennt sich zu ihrem Platz abseits der einschlägigen eindeutigen musikalischen Zuordnungen: "Ich möchte meine Musik nicht mit einem Namen versehen. Andere Leute können dem, was ich mache, einen Namen geben. Es ist einfach eine Kombination aus dem, was ich höre und was ich gelernt habe. Es hat einige Elemente der klassischen Musik, es hat etwas Rock, es hat etwas Jazz, aber ich muss ihr keinen Namen geben."

Unberechenbar bunt – die japanische Pianistin Hiromi.
Muga Muyaha

Dankbare Spontaneität

Ins Wiener Konzerthaus kommt Hiromi mit dem neuen Projekt "Music for piano and string quartet". Es handelt sich dabei um gefühlsgeladene Streicherparts und spontane pianistische Interaktionen der schillernden Künstlerin. Denn: Die aus dem Augenblick geborene musikalische Interaktion, das Spontane, das Improvisatorische, es ist der Musikerin wichtig. Dazu meint sie: "Dass man beim Jazz nie weiß, was einen erwartet, finde ich zutiefst anziehend. Jeder Live-Act ist ein Original, eine einmalige Gelegenheit! Ich möchte meine Dankbarkeit für diesen spontanen Moment weitergeben und meine Musik mit all meinen Emotionen erfüllen."

Ólafur Arnalds und Band mit "some kind of peace Live 2022"

"Musik ist keine Einbahnstraße", meint Ólafur Arnalds. "Es ist eine Unterhaltung, bei der die Rolle der Hörer gleich wichtig ist wie die der Musiker." Bei seinem neuesten Projekt some kind of peace (Ende 2021 beim Label Mercury KX erschienen) erlaubt der isländische Multiinstrumentalist bislang vielleicht die persönlichsten Einblicke in seine meditative, ruhevolle Welt. Mit der stimmungsvollen Live-Version kommt er mit seiner Band ins Wiener Konzerthaus – Arnalds selbst bedient dabei auch die mit von ihm selbst entwickelten selbstspielenden Stratus-Klaviere, die aus einem definierten Feld immer neue harmonische und melodische Wendungen erzeugen. Einst kam ihm die Idee für dieses Hilfsmittel tatsächlich nach einer Handverletzung – schließlich wurde daraus ein schöpferisches Mittel, das ihn auch künstlerisch zu neuen Ufern führte.

Spielt auch spezielle Klaviere: Ólafur Arnalds.
Maximilian Koenig

Begrenzte Kontrolle

Eines der persönlichen und doch irgendwie gelassenen Bekenntnisse des Musikers lautet: "Wir können nicht kontrollieren, was uns passiert. Alles, was wir tun können, ist zu kontrollieren, wie wir darauf reagieren, was das Leben uns gibt." Auch für sein musikalisches Agieren könnte das ein Leitsatz sein. Denn im Zusammenhang mit seinem neuen Projekt berichtete Ólafur Arnalds auch, dass die letzten Jahre für ihn ein Schock gewesen seien, der ihn die Welt ganz anders sehen ließ als zuvor. Seine Musik ist eine feinnervige, dabei sehr angenehm zu hörende Reflexion über diese Erfahrungen – wie der Künstler selbst bekennt: "viel näher an meinem Herzen als alles Vorherige". (Daniel Ender, 22.4.2022)