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Der Krieg in der Ukraine bremst die Wirtschaft und damit auch die Börsen, zu sehen die New York Stock Exchange vor Beginn eines Handelstags.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/SPENCER PLA

Trotz bereits deutlich steigender Inflationsraten war das Jahr 2021 gezeichnet von der Erholung von der Corona-Krise, die Wirtschaft brummte, die Unternehmensgewinne stiegen, und die Börse befand sich im Höhenflug. Wer auf eine Fortsetzung hoffte, wurde spätestens mit Ausbruch des Ukraine-Krieges eines Besseren belehrt, die Aussichten haben sich massiv eingetrübt. Optimisten hoffen auf eine sogenannte sanfte Landung der Wirtschaft, bei der sich bloß das Wachstum abschwächt – aber es greifen auch vermehrt Ängste vor einer Stagflation oder sogar Rezession um sich. Wie stark wird der zunehmende volkswirtschaftliche Gegenwind tatsächlich ausfallen?

"Wir meinen, dass Anleger viel zu locker mit den Risiken umgehen, die vor ihnen liegen", befürchtet Fabiana Fedeli, die bei dem Vermögensverwalter M&G Investments die Veranlagung leitet. Denn sie stuft den Kriegsausbruch in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland als nachhaltiger ein als andere geopolitische Ereignisse. Halte der Konflikt an, drohe eine Inflationsspirale, was die Weltwirtschaft belasten werde, da sich die erhöhten Rohstoffpreise auf die ohnedies bereits stark angespannten Lieferketten auswirken und die Nachfrage dämpfen könnten. "Dies würde möglicherweise eine Rezession auslösen, die über die Grenzen Europas hinausgeht", warnt Fedeli.

Nullwachstum und Inflation

Nicht alle sehen eine rückläufige Wirtschaft, sondern befürchten ein Nullwachstum bei hoher Teuerung. Eine sogenannte Stagflation gab es zuletzt in den 1970er-Jahren, als nach dem Ausbruch des Jom-Kippur-Krieges ein Ölembargo der Opec die Weltwirtschaft stark belastete. "Die Wahrscheinlichkeit eines Stagflationsszenarios ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen", sagt Anlageexpertin Irene Goh von der britischen Investmentgesellschaft Abrdn, die früher Standard Life Aberdeen hieß. Eine derartige Marktentwicklung bremse ihr zufolge das Wirtschaftswachstum und die Konsumausgaben, belaste die Rentabilität der Unternehmen, reduziere die Bewertungen der Finanzmärkte und zwinge die Zentralbanken zu einer restriktiveren Haltung.

Aus Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) müssen die Notenbanken die sprunghaft gestiegene Inflation wieder unter Kontrolle bringen. "Zinserhöhungen werden womöglich stärker ausfallen müssen als bisher vom Markt eingepreist", sagte Tobias Adrian, Leiter der Abteilung Geld- und Kapitalmärkte. Eine zu restriktive Geldpolitik könne die Wachstumsaussichten vieler Länder zusätzlich eintrüben. Bereits zu Wochenbeginn reduzierte der IWF seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft von 4,4 auf 3,6 Prozent, erwartet aber weder in den USA noch in Europa eine Rezession.

Das sieht Manfred Hübner anders. Der Ökonom und Geschäftsführer der Investmentberatungsfirma Sentix verweist darauf, dass der Krieg gegen die Ukraine die Konjunkturerwartung für die Eurozone immer weiter einbrechen habe lassen. Daraus schließt Hübner: "Bei der Frage, wann in Euroland die Rezession begann, dürften Ökonomen in der Rückschau den Beginn des zweiten Quartals 2022 als Start der Rezession festlegen." (Alexander Hahn, 24.4.2022)