Diese Typen sind uns nicht wohlgesonnen.

Foto: Byte Barrel

Wer heutzutage an Shooter denkt, der hat die Halo-, Battlefield- und Call of Duty-Spiele im Kopf, die mit Hochglanz-Grafik das AAA-Segment dominieren. Als Antitheise dazu dienen die Indie Games dieses Genres, die diesem Trend entgegen steuern und sich gerne mal an den Klassikern der 1990er-Jahre orientieren. Eines dieser Spiele ist Forgive Me Father, das ich auf dem PC getestet habe. Es setzt auf unkonventionelle Grafik, einen knackigen Soundtrack und ein Spielkonzept, das die alte und neue Welt der Computerspiele zusammenführt.

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Spielbare Graphic Novel

Die Grafik ist wohl das erste, was beim Starten des Spiels ins Auge sticht. Denn Forgive Me Father löst sich von der Konvention, möglichst realitätsnahe Szenen kreieren zu müssen und wirkt stattdessen so, als seien alle Figuren, Waffen und Umgebungen von Hand gezeichnet – eine spielbare Graphic Novel also, die allerdings nicht so quietschig-bunt ist wie in den Borderlands-Spielen, sondern vielmehr einen düsteren H.P. Lovecraft-Stil pflegt, dessen Braun- und Grautöne an vielen Stellen nur durch literweise spritzendes digitales Comicblut unterbrochen werden.

"Boomer Shooter"

Während ein Comic gänzlich statisch ist, so sind die Figuren eines Computerspiels freilich animiert – allerdings sind die Animationen in Forgive Me Father an vielen Stellen so hölzern, dass es sich nicht einmal annähernd auszahlt, Worte wie "Framerate" oder "Fluidität" in den Mund zu nehmen. Ist das schlecht? Jein, es ist natürlich Geschmackssache. Oder auch eine Altersfrage.

Blut. Überall Blut.
Foto: Byte Barrel

Denn durch diese archaische Darstellungen und Animationen erinnert das im April 2022 veröffentlichte Game an die 1990er, als wir in unserer Jugendzeit auf den PCs unserer Eltern Spiele wie Doom und Blood zockten. Vom Twitch-Kanal eines Generation-Z-lers weiß ich inzwischen, dass man die stilistischen Nachfolger dieser Spiele heutzutage als "Boomer Shooter" bezeichnet. Und jetzt fühle ich mich alt. Danke für nichts.

Abgerundet wird das Nostalgie-Angebot übrigens durch den Soundtrack. Ist dieser in vielen modernen Shootern eher ein liebloses Beiwerk, so werden die Kämpfe in Forgive Me Father meist durch röhrende Metal-Gitarren untermalt. Das passt zum Gesamtwerk und lässt den Puls nochmals ordentlich nach oben schnallen.

Nichts für schwache Nerven

A propos Puls: es muss betont werden, dass Forgive Me Father alles andere als ein einfaches Spiel ist. Selbst im "Sehr leicht"-Modus ist ein mehrmaliges Ableben garantiert. Dies bringt umso mehr einen gewissen Frustfaktor mit sich, als dass es keinen Autosave-Modus gibt. Stattdessen trifft man vor und nach herausfordernden Ereignissen auf einen am Boden kauernden Obdachlosen, bei dem der aktuelle Fortschritt manuell gespeichert werden kann. Außerdem wird der Spielstand automatisch gespeichert, wenn ein Level abgeschlossen wurde.

Dieser freundliche Herr ermöglicht das Speichern.
Foto: Byte Barrel

An dieser Stelle gleich zwei gute Nachrichten: Erstens sind die Level nicht sonderlich lang, wodurch nach einem virtuellen Ableben keine allzu weiten Wege zurück gelegt werden müssen. Zweitens – und das ist leider nicht selbstverständlich – sind die Level und die sich darin befindenden Monster äußerst abwechslungsreich gestaltet. Mal renne ich über einen Friedhof und muss mich vor Ghulen retten, die mit Grabsteinen auf mich einschlagen, ein anderes Mal werde ich in einem schwach beleuchteten Irrenhaus von zu Untoten mutierten Patienten attackiert, um mich kurz darauf in einer Flusslandschaft gegen Sumpfmonster zu verteidigen.

Waffen und Joints

Bei der Bekämpfung der Monster steht freilich ein breites Arsenal an Waffen zur Verfügung. So können die Gegner im Nahkampf per Messer erledigt werden, als Schusswaffe steht anfangs eine einfache Pistole zur Verfügung, weitere Waffen kommen im Lauf des Spiels hinzu – von der Shotgun für die effektive Auslöschung von Gegnern aus nächster Nähe über das Maschinengewehr zum Niedermähen größerer Zombiehorden bis zur Harpune für gezielte Schüsse.

Die Pistolen können beidhändig geführt werden.
Foto: Byte Barrel

Ergänzt wird dies durch diverse Skills, die genutzt werden können, wenn man in kürzester Zeit eine größere Menge an Gegnern niedergemäht hat, ohne selbst das Zeitliche zu segnen – was somit dem Spiel eine zusätzliche Dynamik verleiht.

Zu den Skills gehört etwa ein Fotoapparat, mit dessen Blitz die Gegner eingefroren werden und ein Joint: Raucht man dieses, so verfällt man in einen Drogenrausch-Modus und schlachtet die Horden im Nahkampf mit einem leuchtenden Comicschwert ab. Macht zwar keinen Sinn, dafür aber Spaß.

Nicht ohne meinen Skilltree

Zur Auswahl stehen zwei unterschiedliche Charaktere, ein Priester und eine Journalistin, die jeweils diverse Spezialfähigkeiten besitzen – und diese Spezialfähigkeiten lassen sich in einem Skilltree ebenso hochrüsten wie die Waffen, die man bereits eingesammelt hat. Ein Feature, das man in den Shootern der 1990er noch nicht fand, das heute aber fixer Bestandteil von so manchem RPG ist.

Der Skilltree bietet viele Optionen.
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So lässt sich etwa die Möglichkeit freischalten, die mitgeführten Messer auch als Wurfwaffe einzusetzen, was angesichts latenter Munitionsknappheit äußerst praktisch ist. Die Pistolen wiederum lassen sich beidhändig führen und andere Waffen lassen sich so ausrüsten, dass sie eher an ein SciFi-Setting als an die Anfänge des vergangenen Jahrhunderts erinnern.

Story? Welche Story?

Ach ja, stimmt: Über das Setting und die Story habe ich noch nicht geschrieben. Pardon, das hole ich sofort nach. Drei Worte zur Story: Es gibt keine. Also, im Grunde schon, aber sie ist vernachlässigbar. Es geht irgendwie um einen verschwundenen Verwandten, und in weiterer Folge auch um die Auferstehung der Toten und einen satanischen Kult, oder so ähnlich. Ehrlich gesagt spielt es keine Rolle.

Die Story geht im Gemetzel ein wenig unter.
Foto: Byte Barrel

Zwar versuchen die Developer von Byte Barrel, die Handlung immer wieder durch animierte Zwischensequenzen weiter zu erzählen, doch diese gehen in den blutigen Ballerorgien offen gesagt ein wenig unter. Das Gleiche gilt für die zahlreichen Objekte, die in der Welt verstreut sind: Zu jedem gibt es ein wenig Text, welcher die Hintergründe der Handlung erläutert – irgendwann verliert man aber recht rasch die Lust am Lesen und will einfach wieder schießen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich durch meine Ignoranz irgendwas verpasse.

Fazit: Ein Shooter wie damals

Für jedes Produkt gibt es eine Zielgruppe, und die Zielgruppe von Forgive Me Father ist recht klar definiert: Menschen, die schon mit den Shootern der 1990er-Jahre ihren Spaß hatten und nun erwachsen sind, mit den Hochglanz-AAA-Titeln des Mainstreams aber recht wenig anfangen können. Diese bekommen den Nervenkitzel, den sie suchen, garniert mit einer ungewöhnlichen Grafik, einem fetzigen Soundtrack und einem zeitgemäßen Skilltree-System. Wer hingegen ein poliertes Spiel oder gar eine Story sucht, der ist hier sichtlich an der falschen Stelle. (Stefan Mey, 24.4.2022)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Ein Exemplar des Spiels wurde von 1C Entertainment zur Verfügung gestellt. Forgive Me Father ist derzeit für 19,99 Euro auf Steam erhältlich.