Forschende haben mithilfe von Umwelt-DNA die Fischvielfalt in Korallenriffen aufgezeigt. Die Methode ist weniger aufwendig und zeitraubend als die Arteninventur per Sichtbeobachtung bei Tauchgängen.

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Die Erforschung von Riffbiotopen ist keine leichte Aufgabe. Um den Artenreichtum der Unterwasserwelt erfassen zu können, kommt man um ausgedehnte Tauchgänge nicht herum. Solche Untersuchungen werden immer wichtiger angesichts der Tatsache, dass rund um den Globus Korallenriffe aufgrund der Klimaerwärmung und menschlicher Eingriffe rasant zugrunde gehen. Dass der Einfluss dieser Entwicklungen auf die Rifffische so schwierig zu bewerten ist, hat unter anderem damit zu tun, dass viele Fischarten ein sehr heimliches Leben führen, sich stark ähneln oder teilweise im offenen Meer leben. Solche Arten sind daher nur schwer nachweisbar.

Ein internationales Forschungsteam hat nun aber gezeigt, dass sich das Vorkommen von tropischen Riff-Fischen anhand von Meerwasserproben belegen lässt, was Artbestandsaufnahmen deutlich erleichtern würde. Um Arten und Familien zu identifizieren, nutzten sie im Wasser vorhandene DNA-Spuren der Tiere, sogenannte Umwelt-DNA (eDNA). Doch nicht alle Fische lassen sich auf diese Weise aufspüren, wie die Wissenschafter im Fachjournal "The Proceedings of the Royal Society" berichten.

Die Forschenden um Stéphanie Manel von der Universität Montpellier und Loïc Pellissier von der ETH Zürich haben dafür in den Jahren 2017 und 2019 insgesamt 226 Wasserproben an 26 Standorten in fünf tropischen Meeresregionen gesammelt. Anschließend haben sie die in den Proben enthaltenen DNA-Fragmente isoliert und sequenziert. Schließlich konnten sie die ermittelten Sequenzen mit Referenzsequenzen vergleichen, die von sicher bestimmten Belegexemplaren stammen.

Mehr Arten erfassen

Auf diese Weise fanden die Forschenden eine um 16 Prozent höhere Vielfalt an Rifffischen als durch konventionelle Erhebungsmethoden wie Sichtbeobachtungen bei Tauchgängen. "Dank der eDNA-Methode können wir viele Fischarten und -familien viel schneller nachweisen als mittels Beobachtungen", betont Pellissier. So waren die DNA-Analysen nach nur zwei Jahren abgeschlossen. Die Sichtbeobachtungen, die in die Studie einflossen, stammen jedoch von unzähligen Beobachterinnen und Beobachtern und umfassen 13 Jahre Bestandserhebungen.

Mit dem neuen Ansatz entdeckten die Forschenden insbesondere mehr im Freiwasser schwimmende (pelagische), riffgebundene und Arten, welche die zahlreichen Höhlen und Spalten von Riffen bewohnen (kryptobenthische). Viele der nachgewiesenen pelagischen Arten bevorzugen das offene Meer oder tiefere Gewässer – oder sie gehören zu Familien, welche Menschen meiden oder nicht permanent in Korallenriffen leben, wie Makrelen und Thunfische aus der Familie Scombridae sowie Haie aus der Familie der Carcharhinidae (Requiemhaie, etwa der Schwarzspitzen-Riffhai).

Die Entdeckung dieser Arten ist wichtig, da sie durch ihre nächtlichen Wanderungen zum Riff aktiv an der Funktion eines Korallenriffs beteiligt sind. Die Rolle dieser Fische für das Ökosystem wird deshalb oft unterschätzt.

Viele DNA-Funde nicht zuordenbar

Allerdings lassen sich mittels eDNA nicht alle Arten gleich einfach erfassen, wie beispielsweise Lippfische oder Schleimfische. Referenzdatenbanken decken diese artenreichen Familien nur teilweise ab, sagt der Biodiversitätsforscher. Aufgrund dieser Lücken konnte ein erheblicher Teil der in den Wasserproben gefundenen eDNA bisher nicht zugeordnet werden.

Die Forschenden sind jedoch mit Hochdruck daran, den eDNA-Ansatz weiterzuentwickeln, die DNA von weiteren Fischarten zu sequenzieren und die Daten in die Referenzdatenbanken einzuspeisen. Dennoch wird es auch weiterhin Tauchgänge brauchen, um gewisse Arten, die mittels eDNA nur schlecht entdeckt werden können, zu erfassen, aber auch, um biometrische Informationen wie Größe und Biomasse zu erheben.

Riffe im Korallen-Dreieck besonders artenreich

In ihrer aktuellen Studie bestätigten die Forschenden frühere Erkenntnisse, wonach sich die Artenzusammensetzungen zwischen den biogeografischen Meeresregionen stark unterscheiden. Besonders hoch ist die Fischvielfalt im sogenannten Korallen-Dreieck zwischen Borneo, Papua Neuguinea und den Philippinen. Hier leben bis zu fünfmal mehr Fischarten und -familien als in der Karibik. Insbesondere Pflanzenfresser, darunter auch korallenverzehrende Arten, sind im Korallen-Dreieck besonders zahlreich.

Das hat laut Pellissier damit zu tun, dass dieses Gebiet in der Erdgeschichte tektonisch sehr aktiv war (und noch immer ist) und sich viele verschiedene Lebensräume herausbildeten. Auch war die Oberflächentemperatur dieses Meeresgebiets während der Eiszeiten stabiler, weshalb sich eine besonders hohe Vielfalt entwickeln konnte. Die Karibik hingegen war dem Regime der Eiszeiten stärker unterworfen. In Kaltzeiten schrumpften die dortigen Korallenriffe und die Fischbestände. Zudem bildete sich vor über 2,7 Millionen Jahren die Landenge von Panama, was unter anderem die Meeresströmungen in der Karibik veränderte. Beide Ereignisse führten zu größeren Aussterbewellen. (red, 23.4.2022)