Willi Resetarits ist im Alter von 73 Jahren gestorben.

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Rückblick: 2018 gab es im STANDARD im Rahmen von 100 Jahre Republik ein ausführliches Porträt von Ostbahn-Kurti & die Chefpartie.

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Wie es sich für einen echten Österreicher gehört, trug er einen Titel. Falsch oder nicht, was macht das schon im Land der Hofräte, der Hausbesitzerswitwen und angeheirateten Direktorinnen? Der Kurt Ostbahn war ein Doktor, und von seiner Autorität her passte das schon. Dabei war der Dr. Ostbahn nur eine der Inkarnationen des Willi Resetarits. Der war eine der tragenden Figuren der heimischen Popkultur und ist am Sonntag überraschend gestorben.

Willi Resetarits wurde am 21. Dezember 1948 in Stinatz geboren, ein Burgenlandkroate, der als kleiner Bub nach Wien zog, wo er in Favoriten Deutsch lernte, ein Deutsch, das ihm als Dr. Ostbahn später gut anstand und jener Hinterhof-Credibility zuarbeitete, die den Ostbahn Kurti auszeichnete. Resetarits' Brüder sind die ebenfalls nicht unbekannten Peter und Lukas Resetarits.

In den späten 1960ern studierte Willi Sport und Anglistik, etwas Gescheites sollte und wollte er werden, ein Lehrer. Daraus wurde nichts, wenngleich seine Karriere durchaus volksbildnerische Züge annehmen sollte. Doch die Jugendkultur, die Flower-Power-Bewegung und ihre Musik, die Ende der 1960er-Jahre über die Welt kam, die verführte Resetarits.

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Er wurde Mitglied der politischen Band Schmetterlinge, die mit ihrer Version von Hippie-Musik soziale Fragen behandelten.

Boom Boom Boomerang

Die Schmetterlinge traten 1976 bei den Wiener Festwochen auf und wurden mit dem dort gegebenen politischen Oratorium "Proleten Passion" über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. 1977 traten die Schmetterlinge beim Eurovision Song Contest an und erreichten mit dem etwas unterbelichteten Lied Boom-Boom-Boomerang den vorletzten Platz. Privat war Resetarits damals mit seiner Bandkollegin Beatrix Neundlinger liiert, die beiden haben zwei Kinder.

Seine Karriere als Dr. Ostbahn kam in den 1980ern ins Laufen. Mit der von dem Autor und Radio-Journalisten Günter Brödl erdachten Kunstfigur Ostbahn Kurti und seiner Band, der Chefpartie, verwienerte Resetarits US-amerikanische Songs von Bruce Springsteen, übertrug Soulklassiker von Arthur Alexander nach Kagran oder Bobby Womack raus nach Simmering. Querbeet aber geschmackssicher wurde gewildert und übersetzt. Dass so ein Ansatz funktioniert, hatte Peter Schleicher 1979 schon gezeigt. Auf dessen Album Hart auf hart hatte er Songs der Rolling Stones ins Wienerische übertragen.

TUBDUERN

Das setzte sich nun mit Resetarits fort. Er brachte den seit Jahren von Brödl als Mythos ausgesäten Ostbahn Kurti zum Keimen und bald stand diese Kunstfigur in voller Blüte. Als hagere Gestalt im Unterleiberl, den Hosenbund unbotmäßig hoch Richtung Brustbein gezogen, Sonnenbrille bis hinein in die Nacht und einer Lederjacke als zweiter Haut und Minibar.

Blut, Schweiß und Tränen

Er spielte US-amerikanische Musik unter den Vorzeichen der Wiener Vorstadt oder des Highways ins Burgenland. Was im Wilden Westen ein Diner im Nirgendwo ist, wurde bei Ostbahn zur Tankstö. Grenzgänger wie Willy DeVille und Ausflüge ins Tex-Mex-Fach waren ihm genauso wichtig wie ein vom Boss eingewienertes Feuer (1985), ein bei Fats Domino geborgtes I hea di klopfen oder das bei Steve Miller abgestaubte Da Joker (1989).

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Der Erfolg war immens, Resetarits erfüllte seine Mission mit Blut, Schweiß und Tränen – und das auf den größten Bühnen des Landes. Er bot Trost und Rat – auf der Bühne, später im Radio und zur Not auch, wenn man ihn beim Einkaufen beim Billa anquatschte.

Trost und Rat kamen im Dialekt, fein verschnörkelt oder direkt wie eine Wuchtl. Das signalisierte Niederschwelligkeit und Authentizität. Es erinnerte daran, dass Rock 'n' Roll, Blues, Country oder Boogie von Lastwagenfahrern, Handwerkern und Hacklern erfunden worden waren. Das konnte man nicht studieren, man musste es fühlen: Hat man Rock 'n' Roll, braucht ma kan Doktor. Zumindest nicht den von der Uni.

Mexikanisches Bierzelt

Zudem konnte der Ostbahn Lamourhatscher und Hadern singen. Ein Lied wie Es ist besser du gehst könnte locker und ohne Schande in jedem mexikanischen Bierzelt reüssieren.

Ostbahn-Kurti & die Chefpartie - Topic

Acht Alben hat er mit der Chefpartie zwischen 1985 und 1994 eingespielt, später sind bei diversen Wiederauferstehungen ein paar weitere dazugekommen – seine Konzerte besaßen Volksfestcharakter. Mitte der 1990er schickte er die Chefpartie jedoch in den Ruhestand und nahm das erste Album mit der Kombo auf: Espresso Rosi.

Lydia Novak

Zwar war der Ostbahn-Kurti eine eher unpolitische Figur, nicht jedoch Willi Resetarits. Er war Mitbegründer von SOS Mitmensch, trat 1993 beim Lichtermeer gegen Fremdenfeindlichkeit auf, engagierte sich für Asyl in Not und war Geburtshelfer des Wiener Integrationshauses. Und er wurde über die Jahre zum, wie er scherzhaft sagte, Innungsmeister der heimischen Popmusik, die in ihm einen willigen Förderer und Partner, einen Freund hatte. Sei es Ernst Molden, sei es der Nino aus Wien oder die Band Wanda.

STADTSAAL Wien

Seine Autorität war die Menschlichkeit, nicht das Alter oder der Erfolg. Wer mit ihm redete, erlebte einen anekdotenreich ins Tausendste driftenden Erzähler mit breiten Mundwinkeln, die stets darauf warteten loszulachen.

Beim Ukraine-Benefiz vor ein paar Wochen im Wiener Prater fiel er wegen einer Corona-Infektion aus, davon soll er sich aber erholt haben, hieß es. Nun ist Willi Resetarits im Alter von 73 Jahren an den Folgen eines Sturzes auf einer Treppe in seinem Haus gestorben. Die Todesursache war zunächst unklar, die Familie Resetarits legte am Montagabend aber Wert auf diese Feststellung, "um Spekulationen über die Todesursache auszuschließen", wie es hieß. (Karl Fluch, 24.4.2022)