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Vor dem Wochenende konnte sich Boris Johnsons beim Besuch in Indien etwas ablenken.

Foto: Ben Stansall/Pool Photo via AP

Viel Zeit zur Entspannung hatte Boris Johnson nicht an diesem Wochenende. Nach der Rückkehr von seinem ebenso kurzen wie anstrengenden Handelsbesuch in Indien muss sich der britische Premierminister wieder einmal weniger um das Wohl seines Landes sorgen, sondern um das eigene Überleben im Amt. Denn vielen Beobachtern, auch manchen Akteuren im Regierungsviertel Westminster, zufolge hat die Parlamentsdebatte am Donnerstag einen Stimmungsumschwung auch in der eigenen konservativen Regierungsfraktion signalisiert.

Die Briten haben ihr Urteil über den Bewohner der Downing Street längst gefällt: Dem Meinungsforscher Yougov zufolge halten 78 Prozent ihren Premierminister für einen Lügner. Ähnlich sieht das wohl die Londoner Kripo. Insgesamt zwölf Events unterliegen der Untersuchung durch Scotland Yard, bei einem liegt das Ergebnis bereits vor: Eine Feier zu Johnsons 56. Geburtstag im Juni 2020 hätte nicht stattfinden dürfen. Die Teilnehmer, darunter der Premier selbst, dessen Frau Carrie sowie Finanzminister Rishi Sunak, erhielten in der Karwoche Zahlungsbefehle über je 50 Pfund (60,05 Euro). Wer wie die Betroffenen prompt zahlt, räumt einen Rechtsbruch ein, gilt aber nicht als vorbestraft.

Offener Unmut der Partei

Muss ein Rechtsbrecher im höchsten Regierungsamt zurücktreten? Noch im Februar hatte Johnson verlauten lassen, seine Gegner müssten schon "eine Panzerdivision" in Marsch setzen, um ihn aus seiner Stellung zu vertreiben. Ganz so martialisch äußern sich die Tories dieser Tage nicht, offenen Unmut aber gibt es genug. Der frühere Offizier Tobias Ellwood hält ein innerparteiliches Misstrauensvotum nur noch "für eine Frage der Zeit". Für "nicht länger wert, sein wichtiges Amt zu bekleiden", hält seinen Parteichef der frühere Fraktionsgeschäftsführer Mark Harper.

Auf zwei Faktoren dürfte der Premierminister hingewiesen haben, als er am Wochenende auf seinem Landsitz in Chequers die rebellischen Parteifreunde umzustimmen versuchte. Zum einen stehen in knapp zwei Wochen wichtige kommunale und regionale Urnengänge an – und noch nie konnte eine Partei, die von den Wählern als zerstritten wahrgenommen wird, viele Punkte machen.

Zum anderen sehen viele Konservative keine glaubwürdige Alternative. Einem Bericht der Daily Mail zufolge soll in Johnsons Zirkel jedenfalls an Plänen für eine vorgezogene Parlamentswahl gearbeitet werden. Eigentlich ist die nächste erst für 2024 angesetzt. (Sebastian Borger aus London, 25.4.2022)