Foto: APA/AFP/CHRISTOF STACHE

Wären ein paar Dinge anders gelaufen, würde es sich Matthias Jaissle vielleicht schon auf dem absteigenden Ast bequem machen. Er wurde kürzlich 34, da gehen Fußballerkarrieren ihrem Ende zu. Vielleicht würde der Deutsche wieder bei seinem Kindheitsverein TSV Neckartailfingen kicken, vielleicht beim VfB Stuttgart, Hauptsache daheim in Baden-Württemberg. Aber die Dinge liefen, wie sie liefen: Verletzungen zwangen den einstigen U21-Teamspieler mit 25 Jahren zur Umschulung auf den Trainer. Als solcher führte Jaissle Red Bull Salzburg in seiner ersten Saison in das Achtelfinale der Champions League und zum Meistertitel, den RB am Sonntag mit einem 5:0 gegen die Wiener Austria fixierte.

Jaissle weint einer Profikarriere nicht nach. Wie könnte er auch? Das Mantra des modernen Fußballs heißt "Wir denken an das nächste Spiel", und der Trainer ist ein Apostel dieses modernen Fußballs. Der Weg des einstigen Abwehrspielers bescherte ihm passende Lehrmeister: Er begann seine Profikarriere bei Hoffenheim unter Ralf Rangnick und seine Trainerkarriere als Co von Sebastian Hoeneß und Alexander Zorniger – allesamt fortschrittliche Fußballlehrer, die es mit dem Toreschießen eilig haben.

Eiltempo

2019 kam Jaissle nach Salzburg, im Eiltempo sprang er die Leiter hoch: U18, FC Liefering, Bundesliga. Die Installierung eines 33-Jährigen als Cheftrainer sah nicht jeder im Vereinsumfeld gern. Knapp ein Jahr später gilt Jaissle als eine der heißesten Aktien im Bullenstall – obwohl einige seiner Schützlinge den Klub eher früher als später für achtstellige Beträge verlassen werden. In einem zeitgemäßen Fußball-Betreuerstab ist der Cheftrainer der Kopf, der ein komplexes Werkl am Laufen halten und optimieren muss, das betont Jaissle in Interviews selbst.

An der Seitenlinie zeigt der Dirigent Temperament, gegenüber der Presse hütet er sich vor großen Sprüchen. Sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein kann das nicht verheimlichen. Immerhin, Schmäh ist da. "Der Schwabe muss gucken, dass die Miete günstig ist", sagt er über seinen Wohnort außerhalb der Stadt Salzburg. Privates schweigt er weitgehend weg, erzählt maximal vom Skiurlaub. Auch hier scheint der moderne Fußball durch: professionell, überlegt und so glatt wie die hochmodischen Outfits des Trainers. "Seine Marotte ist sein Aussehen. Er wird der bestangezogene Bundesliga-Trainer", sagte sein Ex-Chef Zorniger einst. (Martin Schauhuber, 25.4.2022)