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Der Ex-Manager Robert Golob infizierte sich vergangene Woche mit Covid-19 und war deshalb nur per Videoeinschaltung bei seinen Fans.

Foto: Reuters/ZIVULOVIC

Die Sloweninnen und Slowenen liefen scharenweise dem Neuen zu. Obwohl Robert Golobs Freiheitsbewegung erst im Jänner gegründet wurde und der Ex-Manager mit den grauen Locken bisher nicht wirklich bekannt war, gewann seine Partei am Sonntag die Parlamentswahlen überzeugend.

Die linksliberale Freiheitsbewegung bekam ersten Umfragen zufolge etwa 35 Prozent der Stimmen, an zweiter Stelle kommt die rechtskonservative Partei SDS von Premier Janez Janša mit über 22 Prozent. Insgesamt werden wohl nur fünf Parteien im Parlament vertreten sein: Die christlich-konservative Partei Neues Slowenien (NSi) liegt demnach mit knapp sieben Prozent etwa gleichauf mit den Sozialdemokraten, gefolgt von der Linken (Levica) mit etwas über vier Prozent.

Valide Ergebnisse gibt es allerdings erst, wenn auch die vielen Briefwahlstimmen ausgezählt werden. Klar ist aber, dass sowohl die Partei von Ex-Premierministerin Alenka Bratušek und die Partei von Ex-Premier Marjan Šarec die Vierprozenthürde nicht erreicht. Die beiden Fraktionen, die so wie die Freiheitsbewegung dem Mitte-links-Spektrum in Slowenien zuzurechnen sind, galten als mögliche Koalitionspartner für die Truppe rund um Golob. Šarec hat möglicherweise noch eine Chance, den Einzug ins Abgeordnetenhaus zu schaffen. Die Freiheitsbewegung wird den Umfragen zufolge 42 der 90 Parlamentarier stellen. Die SDS dürfte mit 26 Abgeordneten, die NSi mit acht Abgeordneten vertreten sein.

Die Sozialdemokraten können wohl sieben Parlamentarier entsenden – ein enttäuschendes Ergebnis, die Levica gar nur fünf. In Umfragen vor der Wahl waren beide besser gelegen. Viele Wähler hatten offenbar spontan auf den zu erwartenden Sieger Golob gesetzt.

Angst vor der Linken

Dieser dürfte nun wohl "nur" mit den Sozialdemokraten (SD) eine Koalition schmieden, möglicherweise auch mit Minderheitenvertretern. Jedenfalls kann diese Regierung den Prognosen zufolge über eine passable Mehrheit verfügen. Möglich wäre, dass auch die Linke in die Koalition aufgenommen wird.

Allerdings warnen Wirtschaftstreibende vor einer Beteiligung der Levica, die von dem slowenischen Philosophen Slavoj Žižek geprägt ist, weil sie einen Anstieg der Staatsausgaben fürchten. Die Freiheitsbewegung wird mit Golob sicher den Premier stellen, auch das Finanzministerium und das Gesundheitsministerium kommen in die Hände der Neuen. Der Arzt Danijel Bešič Loredan soll die Reformen im Gesundheitssektor durchführen, der in Slowenien chronisch überlastet ist. Selbst in Ljubljana fehlt es an Ärzten, Patienten müssen oft wochenlang warten. Die Sozialdemokraten wollen die erfahrene EU-Parlamentarierin Tanja Fajon an der Spitze des Außenamts sehen.

Golob selbst lobte am Sonntagabend zunächst die hohe Wahlbeteiligung. Diese zeige vor allem, dass die Bürger wirklich Veränderung wollten, meinte er. "Heute tanzen wir, morgen werden wir hart arbeiten, um das Vertrauen in uns zu rechtfertigen", so Golob.

Tatsächlich tanzten ein paar Leute auf der Straße vor dem Parteilokal in Ljubljana. Die Vize-Parteichefin Marta Kos, eine Diplomatin, meinte, dass Ergebnis sei auch für die EU gut. "Ich sage allen, dass man auf Slowenien zählen kann."

Tatsächlich hegten in den vergangenen zwei Jahren, als Janša Regierungschef war, viele Slowenen, aber auch andere Europäer, die Sorge, das Land könne in ein illiberales, semiautokratisches System wie in Ungarn abrutschen. Denn der Rechtspopulist und Trump-Verehrer Janša schränkte die freien Medien ein, färbte die Institutionen brutal und ging mit aggressivem Ton gegen Opponenten vor. Auch der Parteistar der Linken, Luka Mesec, begrüßte deshalb am Sonntag, dass "Slowenien entschieden hat, nicht den Weg Ungarns zu gehen".

Janša polarisiert extrem

Die klare Entscheidung für Golob zeigt vor allem, dass die meisten Slowenen mit Janšas Politik und seinem Stil nichts zu tun haben wollen. Für ihn selbst ist der Wahlausgang allerdings kein Desaster – er verlor im Vergleich zu 2018 offenbar zwei Prozentpunkte. Seine Partei SDS ist seit Jahrzehnten einer der wenigen stabilen Faktoren in Slowenien. Golobs Freiheitsbewegung kann hingegen weder auf Strukturen noch auf eine klare Ideologie – noch auf einen erprobten Politiker verweisen.

Angesichts der Erfahrungen in den vergangenen 15 Jahren tendieren die slowenischen Bürger zudem dazu, dem vor der Wahl neuen Mitte-links-Kandidaten viel Vertrauen entgegenzubringen, diesem aber schon nach kurzer Zeit wieder den Rücken zuzukehren. Golob und seiner Truppe könnte das gleiche Schicksal drohen. (Adelheid Wölfl aus Ljubljana, 24.4.2022)