Sind beide Elternteile obsorgeberechtigt, können auch beide eigenmächtig Entscheidungen treffen, weiß Juristin Theresa Kamp im Gastblog.

Die Wahl der Schule oder des Kindergartens wird von vielen Eltern als richtungsweisend für die positive Entwicklung ihres Kindes oder gar den späteren Erfolg im Leben wahrgenommen. Abgesehen vom strukturellen Problem, etwa dass in Österreich nach wie vor ein Mangel an Kinderbetreuungsplätzen herrscht, gibt es schon bei Kindergärten, aber vor allem bei Schulen sehr unterschiedliche Ausrichtungen. Die Qual der Wahl reicht von öffentlicher Schule, katholischer Privatschule über Waldorf, Freilandschule bis Heimunterricht mit Externistenprüfungen.

Gerade bei so elementaren Entscheidungen wie der Schulwahl für das gemeinsame Kind kann es zu Situationen kommen, dass ein Elternteil mit der gleichen Leidenschaft vom pädagogischen Konzept einer Schule überzeugt ist, wie es der andere Elternteil ablehnt. Wer kann dann entscheiden, welche Schule das Kind besuchen soll?

Situation bei alleiniger Obsorge

Entscheidend ist, wer die Obsorge für das Kind innehat. Diese beinhaltet nämlich auch die Kompetenz, in Ausbildungsfragen zu entscheiden. Ist nur ein Elternteil obsorgeberechtigt, kann dieser grundsätzlich allein über die zu besuchende Schule oder Kindergarten entscheiden. Der andere Elternteil hat aber ein Informations- und Äußerungsrecht.

Können sich die Eltern nicht einigen, entscheidet das Gericht, welche Schule passend für das Kind oder die Kinder ist.
Foto: https://www.istockphoto.com/de/portfolio/damircudic

So sieht es bei gemeinsamer Obsorge aus

Sind beide Eltern obsorgeberechtigt, kann jeder Elternteil das Kind nach außen hin allein vertreten. Das heißt, jeder Elternteil könnte das Kind allein auch gegen den Willen des anderen in einer Schule anmelden oder auch wieder abmelden. Dafür muss nicht die Zustimmung des anderen Elternteils nachgewiesen werden. Das kommt auch immer wieder vor. Jeder Elternteil ist somit nach außen voll vertretungsbefugt. Nur besonders wichtige Themen – wie beispielsweise Namensänderung, Wechsel des Religionsbekenntnisses oder der Staatsangehörigkeit bedürfen der Zustimmung beider Elternteile.

Im Innenverhältnis, also zwischen den Eltern, gilt es, das Einvernehmlichkeitsgebot zu beachten. Das bedeutet, dass die Eltern versuchen sollten, in wichtigen Fragen die Kinder betreffend, eine Einigung zu finden und sich abzusprechen. Die Schulwahl des Kindes ist eine solche wichtige Angelegenheit. Meldet man ein Kind also einfach gegen den Willen des anderen Elternteils in einer Schule an oder ab, kann dies im besten Fall zu Verstimmungen und im schlechtesten Fall zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führen. Können sich die Eltern nicht auf eine Vorgehensweise betreffend ihre Kinder einigen, könnte das Gericht auch im Vorfeld angerufen werden, um eine Entscheidung über die Schulwahl zu treffen.

Wie entscheiden Gerichte?

Muss ein Gericht über die Frage entscheiden, welche Schule ein Kind besuchen soll, steht das Kindeswohl an oberster Stelle. Oft bedeutet eine derartige Situation für alle Betroffenen großen Stress. In der Praxis bedienen sich Gerichte der Expertise von Sachverständigen, die feststellen sollen, welche Schule dem Kind am ehesten entspricht. Faktoren können einerseits die Anlagen, Fähigkeiten und Neigungen des Kindes und auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern sein. Solche Verfahren kosten nicht nur Zeit und Geld, sondern sind auch einfach sehr belastend. Eine Alternative könnte eine gemeinsame Elternberatung darstellen.

Wenn ein Elternteil allerdings nur, um den anderen Elternteil zu torpedieren, beispielsweise das Kind destruktiv (immer wieder) in einer Schule abmeldet und dies dem Wohl des Kindes abträglich ist, kann es in letzter Konsequenz sogar dazu führen, dass jenem Elternteil die (Teil-)Obsorge für diesen Bereich entzogen wird und dem anderen Elternteil die Entscheidungskompetenz für diesen zukünftig allein zukommt. Generell ist es auch möglich, bei einer Einigung auf die gemeinsame Obsorge bestimmte Bereiche, so auch den schulischen, auszuklammern, wenn solche Situationen befürchtet werden. (Theresa Kamp, 26.4.2022)