Wärmebildkameras wandeln Infrarotstrahlung in sichtbares Licht um. Diese Technik eröffnete in den vergangenen Jahrzehnten eine Vielzahl von Anwendungen: Von Nachtsichtoptiken über medizinisch-diagnostische Geräte und Instrumente zur Brandprävention und -bekämpfung bis hin zum Einsatz im Grenzschutz reichen die Möglichkeiten. Vor allem bei der Personensuche, etwa bei einem Vermisstenfall oder nach einem Unglück, sind Wärmebildkameras auf Hubschraubern im freien Gelände mittlerweile unverzichtbar.

Doch die Technik hat auch ihre Grenzen: In dicht bewaldeten Gebieten lässt sich die Signatur der Körpertemperatur einer Person kaum von der Umgebung unterscheiden. Das Problem ist vor allem die Vegetation: Entweder blockiert der Blätterbewuchs aussagekräftige Aufnahmen oder die sonnenbestrahlten Bäume geben eine ähnliche Temperatur wie die gesuchte Person ab. Die Informationen für das Identifizieren eines Menschen im Wald stecken in den meisten Fällen dennoch zumindest rudimentär in den Bildern – es braucht nur eine geeignete Software, um diese hervorzuholen.

Zehn Kameras, aufgereiht auf einem zehn Meter langen Carbon-Ausleger, simuliert eine zehn Meter große Linse.
Foto: JKU

Neuer Ansatz

Linzer Forschende arbeiten seit Jahren an einem System, das den Infrarotblick zum Waldboden klären soll. Mit der Unterstützung einer künstlichen Intelligenz (KI) gelingt es ihnen mittlerweile, Wärmebilder so zu kombinieren und auszuwerten, dass vermisste Personen selbst unter starker Vegetation geortet werden können. Schon im Vorjahr stellte das Team eine Drohne vor, die das vollautomatisch kann. Nun präsentierten sie im Fachjournal "Remote Sensing" einen neuen Ansatz, mit dem sich sogar rasch bewegende Menschen oder Wildtiere unter dichtem Blätterdach in Echtzeit aufspüren lassen.

Die Gruppe um Oliver Bimber vom Institut für Computergrafik der Universität Linz setzt auf eine Bildverarbeitungstechnik zum Wegrechnen von Verdeckungen, sogenanntes Airborne Optical Sectioning (AOS), die mit einer KI kombiniert wird. Dabei werden mehrere von einem Drohnen-Prototyp aufgenommene Wärmebilder zu einem Integralbild kombiniert.

Ein Deep-Learning-Verfahren klassifiziert schließlich die Aufnahme – die KI wertet also aus, ob es sich bei dem erkannten Objekt tatsächlich um eine Person handelt. Die Lösung ist für Blaulichtorganisationen frei verfügbar und kann in deren Drohnensysteme eingebaut werden, erklärte Bimber am Montag.

Video: Infrarot-Tracking von bewegten Personen im Walddickicht.
JKUCG

Wie eine zehn Meter große Linse

Meistens verharren etwa verletzte Personen ohnehin an einer Stelle, ist der Gesuchte aber in Bewegung, wird die Suche deutlich schwieriger. Dem begegnet das Team nun mit einer neu ausgestatteten Drohne, die einen zehn Meter langen Carbon-Ausleger trägt. Darauf befinden sich zehn Kameras im Abstand von je einem Meter. Diese machen dann ihre Aufnahmen gleichzeitig, was geschickt kombiniert den Effekt einer fliegenden Linse von zehn Metern Durchmesser ergibt, so der Forscher.

Während eine Einzelaufnahme mit einer normalen, nur wenige Millimeter großen Linse eine so hohe Tiefenschärfe hat, dass eine vermisste Person von Bäumen fast vollständig verdeckt ist, hat das Integralbild der künstlich erzeugten großen Linse nur eine ganz geringe Tiefenschärfe. Legt man dann den Fokus auf den Waldboden, wird alles darüber, also etwa die Bäume, unscharf und die vermisste Person erkennbar.

In Echtzeit verfolgt

In Experimenten konnte man mit dem Zehn-Kamera-System nun drei sich bewegende Personen unter einem dichten Blätterdach "aus einer Höhe von 30 bis 35 Metern recht gut" und in Echtzeit verfolgen, wie Bimber erklärte. In diesem Forschungsbereich, dem "through-foilage tracking", liege man mit den neuen Erkenntnissen weit vorne. "Das ist das allererste System, das das kann", sagte der Wissenschafter.

Neben Such- und Rettungseinsätzen seien die Technologien auch zum Aufspüren von sich entwickelnden Waldbränden interessant. Diesen Ansatz verfolge man nun in Zusammenarbeit mit dem Landesfeuerwehrkommando Oberösterreich. Kann man hier die "Bewaldung wegrechnen", können frühe Glutnester, Boden- oder Erdfeuer im Überflug schon erkannt werden, bevor das Feuer durch Rauchentwicklung auf sich aufmerksam macht, so Bimber. (red, APA, 25.4.2022)