Der blutige Konflikt in den Darfur-Provinzen, der während der Demokratisierung des Sudans weitgehend beigelegt war, flammt nach dem Putsch des dortigen Militärs und dem Abbruch des Demokratisierungsprojekts wieder auf. Am Wochenende brachen in Kereneik in der Provinz West-Darfur heftige Kämpfe zwischen arabischen Milizen und bewaffneten Angehörigen der afrikanischen Bevölkerungsminderheit der Massalit auf: Sie sollen mindestens 168 Tote und 98 Verletzte gefordert haben.

Nach Angaben des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC) befinden sich Zehntausende von Menschen auf der Flucht, die Kämpfe sollen auch die Provinzhauptstadt El Geneina erreicht haben. "Hier geht es drunter und drüber", berichtete ein Bewohner der Stadt der "New York Times".

Wie schon 2016 (Foto) erreichen auch jetzt wieder Kämpfe die sudanesische Provinzhauptstadt El Geneina.
Foto: ASHRAF SHAZLY / AFP

Die Eskalation war offenbar von einem Konflikt zwischen Massalit-Viehhirten und arabischen Nomaden ausgelöst worden: Letzteren warfen die afrikanischen Farmer Viehdiebstahl vor und töteten zwei der Reiter-Nomaden. Deren Rache fiel äußerst blutig aus: Sie griffen mehrere Massalit-Dörfer an und töteten Dutzende von Dorfbewohnern, bevor die Kämpfe auch auf ein Flüchtlingslager übergriffen.

Erinnerung an 2003

In den Darfur-Provinzen war im Jahr 2003 ein Bürgerkrieg zwischen der arabisch- und afrikanisch-stämmigen Bevölkerung ausgebrochen, bei dem es vor allem um Ressourcen ging – um den Zugang zu Wasserquellen und Weideflächen. Die Afrikaner warfen der Zentralregierung in Khartum vor, hinter den arabischen Reitermilizen zu stehen, die im Darfur einen Völkermord begingen.

Tatsächlich wurde der damalige Präsident Omar al-Bashir vom Internationalen Strafgerichtshof in den Haag 2010 des Völkermords angeklagt. Nach UN-Angaben kamen bei dem Bürgerkrieg bereits mehr als 300.000 Menschen ums Leben, rund 2,5 Millionen verloren ihr Zuhause.

Nach der sudanesischen Revolution, die vor drei Jahren zur Inhaftierung al-Bashirs führte, verminderten sich die Spannungen in den Darfur-Provinzen zunächst: Die UN beendete ihre Mission und zog Mitte des vergangenen Jahres die letzten Blauhelme ab.

Bereits im Oktober 2020 hatten Darfurs Rebellengruppen mit der sudanesischen Übergangsregierung einen Friedensvertrag in Juba, der Hauptstadt des Südsudans, unterzeichnet: Dieser kam nicht zuletzt auf Betreiben des einstigen Kommandanten der "Janjaweed" genannten arabischen Reitermilizen, Mohamed Hamdan Dagalo (alias Hemeti), zustande.

Private Miliz

Hemeti galt als einer der engsten Verbündeten al-Bashirs und wurde mit der Ausbeutung von Goldvorkommen in den Darfur-Provinzen reich. Damit baute der einstige Kamelhändler die neben der Armee stärkste Miliz des Landes auf: Der Rapid Support Force (RSF) gehören heute fast 100.000 Kämpfer an, die sudanesische Armee verfügt über höchstens 200.000 Soldaten. Hemeti stellte seine Milizionäre wiederholt auch ausländischen Mächten gegen Bezahlung zur Verfügung: Sie kämpften im Jemen-Krieg auf saudischer Seite und mischten in Libyen auf der Seite Khalifa Haftars mit.

Hemeti kehrte seinem Gönner al-Bashir während der Revolution den Rücken und stieg zum Vizechef des Militärrats auf: Ihm werden derzeit Ambitionen nachgesagt, Putschisten-General Abdel Fattah al-Burhan aus dem Amt zu drängen.

Hemeti war es in Juba gelungen, seine einstigen Feinde, die Führer afrikanischer Rebellenbewegungen im Darfur, auf seine Seite zu bringen: Sie befürchteten, von einer demokratisch gewählten Regierung in der Hauptstadt Khartum an den Rand gedrängt zu werden. Deshalb befürworteten sie sogar den Coup, mit dem das Militär vergangenen Oktober den demokratischen Übergang beendete.

Inzwischen werden die Rebellenchefs ihren Schritt bereuen: Denn der Sudan schlittert seitdem immer tiefer in eine politische, diplomatische und wirtschaftliche Krise, die seit mehreren Monaten auch die Darfur-Provinzen erfasst. Der Vorfall am Wochenende war nur der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Zusammenstößen: "Die Region droht wieder in Flammen aufzugehen und braucht dringend die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft", meldet der Norwegische Flüchtlingsrat. (Johannes Dieterich, 25.4.2022)