Die Energiewende gründet sich auf viele seltene Erden und Metalle, die allmählich zur Neige gehen oder deren Abbau nicht mit dem Boom mithalten kann. Wiederverwertung von Lithium, Kobalt und Co könnte eine Lösung sein, so Wissenschafterinnen und Wissenschafter.

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Die beiden Elemente Lithium und Kobalt zählen zu jenen natürlichen, nicht nachwachsenden Ressourcen, die uns früher oder später ausgehen könnten. Beide sind wesentliche Bestandteile aktueller Lithium-Ionen-Batterien, angesichts der boomenden Elektromobilität seien Engpässe deshalb wohl nur eine Frage der Zeit, prognostizieren Forschende schon seit einigen Jahren.

Eine 2018 vorgestellte Analyse kam zu dem Schluss, dass die Nachfrage nach Kobalt für Batterien zweimal so hoch sei, wie die heute bekannten Reserven hergeben. Die Lithiumreserven würden zwar ausreichen, die Förderung müsste demnach jedoch verzehnfacht werden, will man den vorhergesagten Bedarf decken – mit all seinen Umwelt- und sozialen Folgen in den Abbaugebieten.

Eine Studie der Katholischen Universität Löwen untermauert nun diese Szenarien und kommt zu dem Schluss, dass der EU bereits mittelfristig Engpässe bei der Versorgung mit diesen Metallen drohen. "Elektrofahrzeuge, Batterien, Fotovoltaikanlagen, Windräder und Wasserstofftechnologien benötigen alle wesentlich mehr Metalle als ihre herkömmlichen Alternativen", schreiben die Forschenden in dem Bericht, der am Montag in Brüssel vorgestellt wurde.

Abbau hinkt Energiewende hinterher

In Auftrag gegeben wurde die Studie vom europäischen Verband Eurometaux, in dem sich Nichteisenmetallerzeuger und -recycler zusammengeschlossen haben. Die globale Energiewende schreite schneller voran als die Zahl der Bergbauprojekte zur Gewinnung der nötigen Metalle, heißt es in der Untersuchung. Bei Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel und sogenannten seltenen Erden könne es deshalb ab 2030 globale Versorgungsengpässe geben. Europa habe nur ein kleines Zeitfenster, um seine heimische Produktion voranzutreiben.

Ein Abbau in der EU hätte den Vorteil, dass die hier geltenden Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden müssen, meinte die Geologin und Studienautorin Liesbet Gregoir heute im Ö1-"Morgenjournal". Besonders beim Lithium übersteige der zukünftige Bedarf jedoch das theoretische Potenzial. Kurzfristig sei die EU also auf Importe angewiesen. Dabei sei man gut aufgestellt: Die EU würde Metalle aus vielen verschiedenen Ländern beziehen, so Gregoir im Ö1-Interview.

Recyceln als Ausweg

Ein wichtiger Teil der Lösung könnte unterdessen das Recyceln darstellen. Von 2040 an könne ein großer Teil des europäischen Metallbedarfs auch durch Wiederverwertung gedeckt werden. "Recycling ist Europas größte Möglichkeit, seine langfristige Selbstversorgung zu verbessern, und könnte bis 2050 45 bis 65 Prozent des Bedarfs an Basismetallen in Europa decken", erklären die Forschenden in der Studie. Bei sogenannten seltenen Erden und Lithium bestehe das Potenzial, Quoten von mehr als 75 Prozent zu erreichen.

Mit deutlichem Abstand am stärksten steigt der Bedarf der Untersuchung zufolge beim Lithium. Die globale Nachfrage nach dem Metall als Übergangsrohstoff werde bis 2050 voraussichtlich mehr als 2.000 Prozent der weltweiten Gesamtnachfrage von 2020 betragen. Aber auch bei seltenen Erden wie Dysprosium (plus 433 Prozent) oder dem Schwermetall Kobalt (plus 403 Prozent) ist den Angaben zufolge mit einer deutlich höheren Nachfrage zu rechnen.

Kritische Engpässe

Mit Blick auf Europa rechnen die Forscherinnen und Forscher damit, dass 35-mal mehr Lithium, sieben- bis 26-mal mehr Seltenerdmetalle und 3,5-mal mehr Kobalt benötigt wird, um nachhaltig Energie zu erzeugen und die EU bis 2050 klimaneutral zu gestalten.

"Ohne eine baldige Versorgung mit neuen Primärmetallen und ein besseres Recycling drohen kritische Engpässe, die Europas Ziel eines autonomeren, sauberen Energiesystems gefährden", teilte die KU Löwen mit. Die Untersuchung schränkt jedoch ein, dass technologische Entwicklungen und Verhaltensänderungen die Lage ebenfalls noch beeinflussen können, in der Studie aber nicht berücksichtigt wurden. (red, APA, 25.4.2022)