Illustration: Fatih Aydogdu

Unruhiger Vulkan: Dauerüberwachung der feuerspeienden Berge

Permanent messen, evaluieren und notfalls evakuieren. Damit lässt sich grob ein Vorgehen zusammenfassen, das weltweit tausende Menschen vor den oft tödlichen Folgen eines Vulkanausbruchs schützen soll. Aktive Vulkane an Land sind von einem Netz aus dutzenden Messstationen umspannt, die jede seismische Aktivität erfassen.

Starke Ausbrüche kündigen sich oft durch hunderte kleine Erdbeben im Umkreis eines Vulkans an. Diese Erdbebenschwärme zeugen von verstärkten Dynamiken im Untergrund. Um zu eruieren, was unter der Oberfläche vor sich geht, nutzt die Forschung auch GPS, Radar oder Radarinterferometrie. Damit lassen sich millimetergenaue digitale Geländemodelle erstellen und kleinste Höhenverschiebungen erkennen. Diese können auf unterirdische Magmabewegungen hindeuten.

Bevorstehende Ausbrüche machen oft auch durch den verstärkten Austritt heißer Gase aus Erdspalten (Fumarolen) auf sich aufmerksam. Für Beunruhigung sorgte Ende November 2021 der erhöhte Austritt von Schwefelwasserstoff, Kohlendioxyd und Schwefeldioxyd auf der italienischen Insel Vulcano. Die auffälligen Messdaten zogen eine Teilevakuierung der Insel nach sich. Das Risiko, dass Einwohnerinnen und Einwohner im Schlaf ersticken könnten, wollte niemand eingehen.

Um im Ernstfall schnelle Hilfe zu organisieren, existiert der internationale virtuelle Kontrollraum für Naturkatastrophen "Aristotle", den die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik als Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums mit aufgebaut hat. Innerhalb dreier Stunden erhält das Europäische Krisenkoordinationszentrum durch Aristotle eine Einschätzung der Lage und möglicher Entwicklungsszenarien.

Illustration: Fatih Aydogdu

Bebender Untergrund: Bevor die Erde zittert, schrillt das Telefon

Wer in Kalifornien lebt, ist daran gewöhnt, dass die Erde in gewisser Regelmäßigkeit bebt. So auch im Dezember 2021, als sich die Lage an der San-Andreas-Verwerfung in starken Erschütterungen bemerkbar machte. Eigentlich nicht ungewöhnlich für den Küstenstaat – und doch gab es diesmal ein Novum. Bei rund einer halben Million Menschen vibrierten die Handys, Sekunden bevor die ersten Erschütterungen des Erdbebens der Stärke 6,2 den Nordwesten des US-Bundesstaats trafen.

Neben der Bebenwarnung schickt die App Myshake in Piktogrammen das Verhalten im Notfall an Userinnen und User mit. Durch eine Kooperation mit Google erreichte die Warnung auch zahlreiche Android-Userinnen und -User Sekunden vor dem Beben. Was nach wenig Vorwarnzeit klingt, reicht angesichts eines im Anmarsch befindlichen Erdbebens aus, um Schutz zu suchen und nicht verletzt zu werden. Hinter der App steht das Erdbebenfrühwarnsystem Shakealert, ein Kooperationsprojekt des United States Geological Survey mit Partnern wie der University of California, Berkeley.

Um Menschen die entscheidenden Sekunden zu verschaffen, bezieht der Dienst Daten von rund 800 seismischen Sensoren aus ganz Kalifornien. Ein Erdbeben beginnt mit schnellen, für Menschen nicht wahrnehmbaren Primärwellen, denen erst die merklichen Sekundärwellen folgen. Erfasst das Sensornetzwerk Primärwellen, errechnen drei Verarbeitungszentren Epizentrum und maximale Stärke, woraufhin per App Warnungen verschickt werden. Je weiter jemand vom Epizentrum entfernt ist, desto länger die Vorwarnzeit. Die beteiligten Forschenden sprechen zwar von einer bisherigen Bestleistung, schärfen mit den neuen Daten aber schon wieder nach.

Illustration: Fatih Aydogdu

Erdrutsch mit Tsunami: Stürzen Fels und Gestein, schlagen sie oft hohe Wellen

Dank umfassender globaler Messungen seismischer Aktivitäten bleibt es kein Geheimnis, wenn die Erde selbst in den entlegensten Weltregionen bebt. Auf diese Weise können inzwischen relativ rasch Warnungen vor möglichen mit den Beben einhergehenden Tsunamis ausgegeben werden. Gänzlich anders gelagert ist die Situation allerdings, wenn die Flutwellen nicht von Erdbeben im offenen Meer ausgelöst werden. Denn auch in Binnenländern können Erdrutsche, so die Gesteinsmassen in Gewässer stürzen, Tsunamis auslösen.

Die Modellierung solcher Ereignisse ist herausfordernd: Das Zusammenspiel zwischen stürzenden Erdmassen, der Mischung mit dem Wasser und der großen räumlichen Ausdehnung machen diese Vorgänge schwer zu beschreiben und vorherzusagen. Viele Annahmen und mathematische Methoden, die bisherige Modelle für Erdrutsche prägen, gelten unter diesen Bedingungen nur eingeschränkt. Ein neues Computermodell, entwickelt von einem internationalen Team unter Beteiligung der Uni Innsbruck, macht die Gefahren solcher Tsunamis besser einschätzbar.

Mithilfe des Modells wurde erstmals ein realer Erdrutsch als poröser, granularer, und verformbarer Körper mit einer vollen dreidimensionalen Modellierung inklusive Interaktion mit dem Gewässer und den folgenden Wellen simuliert. Als erste Fallstudie, um Stärken und Schwächen ihrer Entwicklung zu testen, wählten die Forschenden einen gut dokumentierten Erdrutsch am isländischen See Askja aus dem Jahr 2014. Die Probe aufs Exempel zeigte: Das Modell ermöglicht tatsächlich eine realistische Vorhersage der Geschehnisse. Ein Meilenstein, denn vorherige Modelle stellten im Wesentlichen Rückrechnungen dar.

Illustration: Fatih Aydogdu

Land unter: Neue Modelle für mehr Schutz bei Hochwasser

Wie schnell sich kleine Bäche in reißende Flüsse verwandeln, zeigte die Flutkatastrophe im Juni 2021 insbesondere in Deutschland. Starkregen führte in den betroffenen Regionen zu Sturzfluten und immensen Überschwemmungen. Die Folgen: Todesopfer und enorme Schäden.

Wie man sich für derartige Fälle wappnen kann, zeigt ein Forschungsteam um Margreth Keiler vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Gemeinsam mit dem Institut für Geografie der Uni Innsbruck wurde eine Methode entwickelt, die möglichst realitätsnah simuliert, welche Folgen Überflutungen auf Straßennetze und für die Versorgung der Bevölkerung haben. Für den Katastrophenschutz braucht es solche Modelle, um sich auf den Ernstfall vorzubereiten.

Dafür haben die Forschenden Straßen und Orte als Netzwerk aus Knotenpunkten mit Verbindungen modelliert. In einer Simulation kann sich das Team ansehen, welche Teile betroffen sind, wenn ein Anstieg des Wasserpegels simuliert wird. Im Modell sei dann sehr schnell zu erkennen, wo es zu Einschränkungen komme und wo die Erreichbarkeit von Einrichtungen der Grundversorgung vielleicht nicht mehr gegeben sei. Dazu zählen Supermärkte ebenso wie Krankenhäuser. Bevor das neu entwickelte Modell in der Praxis Anwendung findet, sind den Forschenden zufolge noch einige Testläufe notwendig.

Künftig können derartige Modelle jedoch helfen, im Fall eines Hochwasserereignisses informierter wichtige Entscheidungen zu treffen. Etwa wenn es um die Frage geht, welche Straßen wegen ihrer zentralen Versorgungsfunktion für die Bevölkerung von spezieller Bedeutung sind und deshalb besonders geschützt werden müssen. (Marlene Erhart, 10.5.2022)