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Mächtige Männer? So soll das bitte schön aussehen.

Foto: Getty Images / Tom Merton

Fotos von mächtigen Männern sehen üblicherweise anders aus. Oft lehnen sie mit verschränkten Armen an ihrem riesigen Schreibtisch in ihrem noch riesigeren Büro. Sie posieren mit festem Stand und blicken frontal in die Kamera, oder sie schauen mit finster-wissendem Blick in die Ferne. So wie auf dem Foto des neuen "New York Times"-Chefredakteurs sehen sie jedenfalls nicht aus. Dabei sind es im Grunde nur Kleinigkeiten, die auf dem Foto von Joseph Kahn anders sind als die, die wir von erfolgreichen Männern kennen. Diese Kleinigkeiten sorgten aber schon für derart viel Irritation, dass es dem designierten Chefredakteur schon ein Learning im Umgang mit Fotograf:innen abrang: nämlich einfach mal Nein zu Vorschlägen zu sagen, die ein Bild aufpeppen sollen.

Dieser Anklang von Reue betrifft dieses Foto:

Obwohl: Ästhetische Revolutionen sehen wohl anders aus. Der obligatorische Anzug, auf den Männer immer zurückgreifen können, ohne Gefahr zu laufen, wegen ihres Outfits vorgeführt zu werden, ist ebenso da wie Interieur-technische Insignien der Oberschicht. Dunkles Holz, Möbel, die nach Antiquitäten aussehen, die Altbauwohnung mit Erker, ein riesiger Perserteppich.

Doch dann das: Der zweimal mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Joseph Kahn sitzt auf diesem Teppich. Auf dem Boden, ohne Schuhe, in Socken! Ein Bein ist angewinkelt, das andere ausgestreckt. Seine Hände stützen den in ein weißes, zugeknöpftes Hemd gehüllten zurückgelehnten Oberkörper. Sein Körper dominiert das Bild, die "New York Times", neben der er sitzt, wird eher zur Nebensache. Kurzum: Die Pose ist keine, die wir mit Männlichkeit assoziieren würden. Und dafür reichen schon ein paar kleine Details, die verändert wurden. Und schon haben wir das Gefühl, dass an dem Bild "etwas falsch" ist.

Das ist es, was das Bild so ungewöhnlich macht. Uns ist zwar klar, dass Frauen auf Fotos völlig anders dargestellt werden und sich auch selbst anders darstellen. Prominente Frauen, die etwa auf Fotos nicht den Ansatz eines Lächelns zeigen, sind weitaus seltener, als das bei prominenten Männern der Fall ist. Barbara Blaha, Chefin des Momentum-Instituts, weist in einem interessanten Thread auf Twitter auf weitere Unterschiede bei der Darstellung von Männern und Frauen hin, die so felsenfest zu unseren Sehgewohnheiten gehören, dass sie uns kaum noch auffallen.

Etwa, dass Frauen eher von oben fotografiert werden, was auch bei erwachsenen Frauen ein Kindchenschema entstehen lässt. Der Blick auf Männer geht auf Fotos hingegen eher von unten nach oben, was einen Eindruck des zu ihm Aufschauens abgibt.

Das Foto von Joseph Kahn bricht jedenfalls mit den üblichen Männlichkeitsinszenierungen. Und das ruft Aggressionen hervor – und Frauenhass, um sich damit gleich der eigenen Männlichkeit zu versichern. So kamen von rechter Seite flugs Kommentare wie dieser: "Draw me like one of your French girls", schrieb etwa der "Real Clear Politics"-Journalist Mark Hemingway.

Ja, so lustig, wie ein "Mädchen" – die ultimative Beleidigung für unsichere Männer. So gesehen sollte Kahns Learning aus der Aufregung um dieses Foto keines sein. Männer in seiner Position sollten sich durchaus öfter von Fotograf:innen zu einem originelleren Posing hinreißen lassen, um mit Gewohnheiten zu brechen. Während sich Frauen einfach mal auf ihren Schreibtisch lehnen – und fertig. (Beate Hausbichler, 27.4.2022)