Im Schafspelz beehrt Soap&Skin das Donaufestival.

Foto: Clemens Schmiedbauer

"Normal" ist kein Donaufestival-Wort. Da steckt die Norm zu tief drin, und jedes anständige Diskursfestival hat diese kritisch zu beäugen. Trotzdem wird man in Krems zumindest dann über so etwas wie Normalität froh sein, wenn sie die Bedingungen betrifft, unter denen veranstaltet werden darf. So ist die Pandemie zwar nicht vorbei, aber wenigstens die Beschränkungen, die auch Festivals zuletzt die Planungssicherheit und den Spaß geraubt haben.

Dass der Freitag und der Samstag am ersten Wochenende schon ausverkauft sind, zeigt, dass die Freude ganz aufseiten des Publikums ist. Diskutiert wird beim Donaufestival heuer über Aneignung und Gegenaneignung, Stichwort: Cultural Appropriation und die Folgen. Für wohlige Albträume wird am ersten Wochenende die venezolanische Mensch-Maschine Arca sorgen, die man hier nicht mehr vorstellen muss. Ihr sirenenartiger Ruf eilt ihr voraus. Also, fünf weitere Tipps:

1. Soap&Skin

Hemispheric Sync

Anja Plaschg ist auch nicht gerade eine Unbekannte, ihr Projekt in sheep’s clothing verdient aber ein kurzes Intro. Denn die als Soap&Skin bekannte Ausnahmemusikerin wird beim Donaufestival kein eigenes Material spielen, sondern das anderer zu ihrem machen. Soap&Skin hatte immer schon Freude am Covern, wie ihre faszinierenden Versionen von Voyage, Voyage,What a Wonderful World,Me and the Devil und vielen anderen Stücken beweisen. Mit ihrem eklektischen Geschmack vermag sie es, Wohlbekanntem neue Facetten abzuringen – und hinzuzufügen. 29. 4.

2. DJ Lag

DJ LAG

Ein schweißtreibendes Set erwartet alle, die sich auf dem Dancefloor einfinden, wenn der südafrikanischen Produzent und DJ Lwazi Asanda Gwala alias DJ Lag an den Reglern dreht. Der als "King of Gqom" gefeierte Pionier der gleichnamigen Musikrichtung, die man sich als heiße Bedrohungselektronik vorstellen darf, wird hoffentlich sein heuer erschienenes Album Meeting with the King präsentieren. Es zeigt nicht zuletzt, warum Clubmusik aus Afrika – so unterschiedlich und facettenreich sie auch daherkommt – in den letzten Jahren die ganze tanzende Welt erobert hat. Da DJ Lag auch schon mit Beyoncé zusammengearbeitet hat, sei ihre schöne Zeile hier zitiert: "Bow down, bitches!" 30. 4.

3. Tirzah

Tir zah

Deutlich unterkühlter geht es dagegen bei Tirzah zu. Das hat nichts damit zu tun, dass sie Britin ist, denn sie begann ihre Karriere mit fröhlich-eckiger Tanzmusik. Schon auf ihrem ersten Album wurde es dann ruhiger, auf ihrem zweiten, Colourgrade, hat sie sich überhaupt ein experimentelles Refugium aus Soundflächen gebaut. So toll ihre komischen Partynummern auch waren, so zärtlich, vielschichtig und persönlich ist die neue Tirzah. Hier könnte die Live-Umsetzung spannende Ergebnisse liefern. 29. 4.

4. Shabazz Palaces

ShabazzPalacesVEVO

Shabazz Palaces sind eine Institution, die Ishmael Butler 2009 geschaffen hat, auch wenn diese Musik so klingt, als wäre sie immer da gewesen, nein, als wären Raum und Zeit gar keine Kategorien. Natürlich kann man sagen, dass es sich um experimentellen Hip-Hop mit Jazz-Zugang handelt, aber das würde zu kurz greifen. Shabazz Palaces – besonders live – sind eine spirituelle Erfahrung. 1. 5.

5. Ula Sickle

Als wäre alles nicht schon schlimm genug, muss die polnisch-kanadische Künstlerin Ula Sickle auch noch eine Performance daraus machen. In The Sadness machen drei Performer und Performerinnen zusammen Musik, weil es angesichts der aussichtslosen Gesamtsituation für die Welt und sie selbst nichts anderes zu tun gibt. Das Stück zur Stunde zwischen Pop und Depression – in kollektiver Einsamkeit. 29. 4., 30. 4., 1. 5. (Amira Ben Saoud, 27.4.2022)