Der Presseclub Concordia zeichnete Paul Lendvai für sein Lebenswerk aus. Christa Zöchling ('Profil') für die Rettung einer afghanischen Richterin. Und Martin Thür (ORF) für Verfassungsklagen auf Information.

Als "lebende Legende" nahm Paul Lendvai Dienstagabend im Parlament den Concordia-Preis für sein Lebenswerk entgegen. Die letzte Auszeichnung für Menschen im Journalismus, die der 92-jährige Publizist noch nicht hatte. Wenn man vom neuen Paul-Lendvai-Preis absieht, wie Laudator Armin Wolf im Parlament anmerkte.

Der STANDARD-Autor ist in Ungarn geboren, floh vor dem kommunistischen Regime nach Österreich. Er schrieb etwa für die Financial Times und die Presse, kommentierte im ORF die Weltpolitik und war dort Intendant von Radio Österreich International, er gab über Jahrzehnte die Europäische Rundschau heraus, er präsentiert noch heute das Europastudio. Als, soweit Wolf das feststellen konnte, ältester noch regelmäßig aktiver Fernsehmoderator der Welt. "Wer dabei zuhört, ist danach ebenfalls gescheiter – und viel mehr kann man von einer Stunde Fernsehen ehrlich nicht erwarten", sagt der Anchorman der halbstündigen ZiB 2.

Österreich verdanke Lendvai "seit sechs Jahrzehnten einen Journalismus, den es hierzulande viel zu wenig gab und gibt", sagt Wolf: "Das Gegenteil von provinziell und auf sich selbst konzentriert. Sondern weltoffen, weitblickend, international, sich stets an den Weltbesten messend und nicht am Kollegen, der am nächsten Schreibtisch sitzt."

"Blind, taub, lenkbar"

Lendvai sei etwa als STANDARD-Kolumnist "unverändert fleißig, unermüdlich neugierig und wie eh und je voller Leidenschaft. Kein Kommentator im Land sieht die Entwicklungen im Osten Europas kompetenter, klüger und klarer", sagt Wolf: "Putin ist der Zerstörer Europas – darüber sind wir uns heute alle einige, nur: Lendvai hat diesen Satz schon vor Jahren gesagt."

Die Legende brachte Lendvai selbst ins Spiel, selbstironisch: "Journalisten sind nicht populär, meistens gescheiterte Existenzen mit abgebrochenem Studium, vor allem Ruhestörer. In unserem Land gelten sie, wenn sie über 50 sind, als Publizisten, und über 60 oft als Legenden. Bei Leuten über 70 wird hinzugefügt: lebende Legenden!"

Lendvai über seinen "großartigen Beruf": "Wir Kommentatoren, Kolumnisten, Reporter, Redakteure, Moderatoren zeichnen auch das Gesicht der Zeit, ohne uns wäre die Gesellschaft blind und taub, eine leicht lenkbare Masse für jene, die mit Zudeckungsjournalismus die Zeit des starken Mannes vorbereiten wollen." Wahlen in Frankreich und Slowenien ermutigten, sie zeigen, dass die "Bäume der Populisten und Populistinnen nicht in den Himmel wachsen". Lendvai: "Arbeiten wir dafür, dass es bei den kommenden Wahlen auch in Österreich so geschehen möge." Als "lebende Legende" werde er sein Bestes dafür tun.

Vom Schreiben zum Tun

Zwei Journalistinnen, die etwas getan haben, das über Journalismus hinausreicht, würdigte der Presseclub Concordia Dienstagabend.

Christa Zöchling vom Profil hat viele Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Richterin aus Afghanistan zu retten. "Als sie erfasste, in welcher Gefahr sich ihre Interviewpartnerin in Kabul befand, griff sie zum Telefon und setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um sie und ihre Geschwister zu retten", beschreibt Laudatorin Melita Šunjić Zöchlings Einsatz.

Hässliche Flüchtlingspolitik

Österreichs Regierung stellte sich taub. Zöchling mobilisierte Alice Schwarzer, Richterkolleginnen der Betroffenen, eine US-Senatorin und den luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn, belgische und deutsche Politikerinnen und Diplomaten. Und sie dokumentierte ihre Aktivitäten offen für ihr Publikum, betont Šunjić. Die Richterin wurde schließlich vom Außenminister empfangen – jenem Luxemburgs. Šunjić: "Zöchling hat der hässlichen, verwerflichen, ungerührten österreichischen Flüchtlingspolitik gegenüber Afghanen einen Spiegel vorgehalten. Sie hat sie entlarvt und demonstriert, dass es auch ganz anders geht."

ORF-Journalist Martin Thür hat, unterstützt von der ORF-Rechtsabteilung, beim Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof Informationen erstritten über Corona-Hilfen für Unternehmen. Und über die Entgeltfortzahlung von Ex-Politikern. Die Informationen wollte auch der Gastgeber der Preisverleihung, Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), eigentlich nicht liefern. Thür focht den Anspruch durch.

"Riecht nach Korruption"

Wenn Journalisten Infos einklagen müssten, "da entsteht tiefes Misstrauen", warnte Laudatorin Cathrin Kahlweit (Süddeutsche Zeitung). "Da riecht es nach Korruption. Auch wenn, wie immer, die Unschuldsvermutung gilt. Wo es trotz aller Bekundungen, aller Versprechen, aller Koalitionsvereinbarungen immer noch kein Mediengesetz, kein Parteiengesetz, kein ORF-Gesetz, keine Whistleblower-Regelung, kein Transparenzgesetz gibt, da riecht es nach Missbrauch."

Österreich stehe im globalen Ranking für Access to Information auf dem vorletzten Platz: "Nur in Palau gibt es noch weniger Informationsfreiheit als hier."

Kahlweit: "Ein Land, das bis heute das Amtsgeheimnis über die Freiheit des Zugangs zu Information stellt, läuft Gefahr, seine Demokratie unter den Sedimenten des Gewohnheitsrechts, der Anmaßung, der Selbstbedienung, der Steuerverschwendung zu versenken." Das Informationsfreiheitsgesetz könnte auch in dieser Legislaturperiode auf sich warten lassen, fürchtet sie. (fid, 26.4.2022)