Disclaimer: Im folgenden Artikel sind Spinnenfotos und -videos eingebaut.
Foto: Rene Traut / imago

Einige Spinnenweibchen sind bekannt für ihre postkoitalen Gelüste. Die Schwarze Witwe ist eine von vielen, die ihren Partner nicht nur sexuell, sondern auch gastronomisch gern verspeisen. Darunter fallen auch Vertreterinnen der Kräuselradnetzspinnen, die mit einer Körperlänge von drei bis sechs Millimetern etwas kleiner sind als die bis zu 15 Millimeter langen "Echten Witwen". Eine beeindruckende Verhaltensweise konnte nun ein chinesisches Forschungsteam bei ihnen nachweisen: Die Männchen der kleinen Spezies können sich vor dem Verzehrtwerden retten, indem sie sich von der Partnerin fortkatapultieren, heißt es im Fachmagazin "Current Biology".

Hierfür nahmen Shichang Zhang von der Hubei Universität im chinesischen Wuhan die Spezies Philoponella prominens genau unter die Lupe. Bei Kräuselradnetzspinnen handelt es sich um eine Familie, die bevorzugt in tropischen Regionen vorkommt, aber auch teilweise in Zentraleuropa beheimatet ist (allerdings nicht Philoponella). Die ungiftigen Tiere zeichnen sich durch eine besondere Unauffälligkeit aus: Sieht man nicht genau hin, kann man sie für einen Teil einer Pflanze halten, und manche verstecken sich sogar aktiv, indem sie Teile von Blättern oder Zweigen zusammensammeln.

Flinker Beinschlag

Auffällig ist jedoch die durchaus erfolgreiche Schutzstrategie, die sich die Männchen der beobachteten Art zugelegt haben. Um nicht von der üblicherweise doppelt so großen Partnerin gefangen, eingesponnen und gefressen zu werden, setzen sie auf das Autokatapultieren – sie schleudern sich selbst von ihr fort. Und das in bemerkenswerter Geschwindigkeit: Sie können locker 65 Zentimeter pro Sekunde erreichen, wie hochauflösende Kameras zeigen.

New Scientist

In der Studie wurde auch ein Vertreter dokumentiert, der auf 88 Zentimeter pro Sekunde kam. Umgerechnet sind das etwas mehr als drei Kilometer pro Stunde, für die kleinen Gliederfüßer ist dies aber durchaus bemerkenswert – und macht das Spektakel für Zusehende mit freiem Auge nur schwer erkennbar. Damit der Absprung klappt, faltet das Männchen ein Beingelenk ein und lässt es dann plötzlich umschnalzen.

Die besseren Überlebenschancen nach der Paarung dürften den männlichen Kräuselradnetzspinnen einen schlagkräftigen evolutionären Vorteil verschafft haben.
Foto: Hubei University / AFP / APA

Evolutionär erfolgreich

Bei der Katapulttechnik dürfte es sich um eine relativ übliche Strategie handeln, schreibt die Forschungsgruppe: Nur bei drei von 155 Paarungen, die sie beobachtete, katapultierten sich die Männchen nicht in sichere Distanz. Prompt wurden sie gefressen. Zum Test hinderten die Forschenden 30 weitere männliche Spinnen daran, sich durch einen solchen Sprung zu retten, und konnten zusehen, wie sie vom Weibchen gefangen und verzehrt wurden.

"Diese Ergebnisse deuten eindeutig darauf hin, dass das Katapultierverhalten ein obligatorischer Bestandteil des männlichen Paarungsrepertoires und eine Strategie zur Vermeidung von sexuellen Kannibalismusversuchen nach der Paarung ist", schreibt das Forschungsteam. Wenn ein Männchen besonders starke Sprünge demonstriert, könnten Weibchen dies aber auch besonders attraktiv finden, so die Vermutung. Damit gäbe es jedenfalls einen zusätzlichen Grund dafür, weshalb sich die Fähigkeit im Laufe der Evolution durchsetzen konnte. (sic, 27.4.2022)