Pat Metheny, unberechenbarer Wanderer zwischen den Stilen und großer Melodiker des Jazz.

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Als US-Präsident Barack Obamas 2016 am internationalen Jazztag (heuer am 30. 4.) eine Allstar-Formation ins Weiße Haus lud, war Gitarrist Pat Metheny dabei. Kein Wunder. Der US-Musiker gehört mit seiner kommerziellen, meditativ angehauchten Musik zu den pflegeleichten Jazzern. So jedenfalls würde eine unfreundliche Erklärung lauten. Tatsächlich hat Metheny Reichweitenerfolge mit butterweichen Klängen erzielt, die bisweilen auch als Hintergrundtapete zum Einsatz kommen wollen.

Ihn auf die Rolle eines musikalischen Faserschmeichlers zu reduzieren wäre jedoch preiswürdig ungerecht wie auch eine Form von Realitätsverweigerung. Der immer heiter bis entspannt wirkende Gitarrist, 1954 in Lee’s Summit, Missouri, geboren, trägt ja eine ganz eigene produktive Unruhe in sich. Das hat dann etwas vom "Dr. Jekyll und Mr. Hyde"-Syndrom.

Mit Ornette wild

Solch Kontraste muss man nämlich erst einmal glaubhaft vermitteln: 1981 komponiert Metheny mit David Bowie den Hit This Is Not America. Er ist aber auch jener Gitarrist, der 1985 das relevante Jazzalbum Song X von Free-Jazz-Pionier Ornette Coleman mit kommunikativer Ekstase bereicherte.

Auch das heftige Noise-Inferno seines Soloalbums Zero Tolerance For Silence passt nicht zum Klischee eines dienstbaren Konsensjazzers. Staunen ließ zudem die Zusammenarbeit mit Derek Bailey, dem britischen rigorosen Klangdekonstrukteur: Zwei Typen rasen da im Dialog gewaltige Soundwände hoch, Extremeres war schwer vorstellbar.

Meisterhafte Linienführung

Dazwischen zeigt Metheny allerdings auch, was ihn im Rahmen des Mainstreamjazz zur interessanten Genregröße neben Saitenkollegen wie John Scofield und Bill Frisell werden ließ. Er ist einer der prägnanten Melodiker des Instruments; zusammen mit Bassist Charlie Haden hat er als solcher eines der schönsten Duoalben des Jazz eingespielt. Seine raffiniert-simple Linienführung mit ihrer bestechenden Logik hob Beyond the Missouri Sky zum wahren Meisterwerk der substanzvollen Zugänglichkeit.

Dieser Stil ist tendenziell auch eine Frage des Ausreifens gewesen: "Mit der Zeit habe ich verstanden, dass Spielen in Wahrheit viel mehr mit Zuhören zu tun hat – als mit dem Spielen selbst ...", erzählt Metheny, der am Mittwoch ins Konzerthaus mit dem Projekt Side Eye gastiert. Es ist nicht einfach ein Trio mit Keyboarder Chris Fishman und Schlagzeuger Joe Dyson, es ist auch ein "Förderprojekt".

Nutznießer der Kollegen

"Ich wollte eine fortlaufende Plattform schaffen, um eine wechselnde Besetzung der neueren Generationen von Musikern und Musikerinnen zu beherbergen, die mein Interesse geweckt haben", so Metheny. Von seinen "frühesten Tagen in Kansas City an war ich der Nutznießer von so vielen Kollegen, die mich engagierten, was mir die Möglichkeit gab, mich durch die besonderen Anforderungen ihrer Musik zu entwickeln." (Ljubiša Tošic, 27.4.2022)