Die Stadt Wien finanzierte Okto TV nach eigenen Angaben seit 2004 mit insgesamt 18 Millionen Euro.

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Wien – Okto soll eingestellt werden. "Okto steht nach 16,5 Jahren Sendebetrieb vor dem überraschenden Aus", heißt es in einer Mail an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dem STANDARD vorliegt. Die Stadt Wien habe die Basissubvention eingestellt.

Weiter Förderung, aber nicht für lineares Fernsehen

Im Büro von Finanzstadtrat Peter Hanke hieß es auf STANDARD-Anfrage, man wolle nicht länger lineares Fernsehen fördern. Für Ausbildung gebe es auch künftig eine Förderung, sowohl für Community-Medienschaffende wie für professionellere Zugänge. Zudem werde man Communitymedien-Aktivitäten auf Social Media im Rahmen der Wiener Medieninitiative unterstützen.

Die Wiener Medieniniatiative fördert seit knapp drei Jahren journalistische Innovationen von bestehenden Medienunternehmen sowie Medienstarts mit 2,5 Millionen Euro im Jahr. Diese Förderung werde verlängert und auf voraussichtlich drei Millionen aufgestockt, hieß es bei Finanzstadtrat Hanke. Man sei im Gespräch mit der Okto-Führung über die beiden neuen Schwerpunkte der Förderung.

Bundesförderung

Die Stadt Wien finanzierte Okto TV nach eigenen Angaben seit 2004 mit insgesamt 18 Millionen Euro. Dazu kamen rund fünf Millionen Euro aus der Förderung des Bundes für nichtkommerziellen Privatrundfunk. Hier drängen die Grünen nach STANDARD-Infos seit langem auf eine Erhöhung des Förderbudgets von drei auf künftig fünf Millionen – das könnte auch einer Finanzierung von Okto TV neue Perspektiven eröffnen. Das Förderbudget für kommerziellen Privatrundfunk wurde von der ÖVP-FPÖ-Regierung 2019 von 15 auf 20 Millionen erhöht.

Bis 2019 förderte die Stadt Wien Okto mit einer Million Euro pro Jahr, 2020 und 2021 wurde der Sender mit 750.000 Euro gefördert, 2022 gab es 500.000 Euro. Nach rund 17 Jahren und einem Evaluierungsverfahren strich die Magistratsabteilung 5 die Förderung nach STANDARD-Infos mit einem lapidaren, wenige Zeilen umfassenden Schreiben. Nach Informationen aus dem Büro von Stadtrat Hanke aber ist man mit der Okto-Führung im Gespräch, erst am Dienstag habe es eine Runde dazu gegeben.

Kündigungen "unausweichlich"

Im Mail der Okto-Führung an Mitarbeiterinnen hieß es zur gestoppten Förderung: "Diese völlig unerwartete Entscheidung ist existenzbedrohend und bedeutet das Aus für Österreichs erstes und größtes Community-Fernsehen, wie wir es kennen und lieben".

"Zwecks Konkursvermeidung sei "die Kündigung des Okto-Teams unausweichlich". Um einen Konkurs zu vermeiden, müssen "die Dienstverhältnisse aller angestellten Okto-Mitarbeiter:innen inklusive Geschäftsführung mit Jahresmitte aufgelöst werden", heißt es in der Mail, der Verleih- und Studiobetrieb soll mit Ende April eingestellt werden, der Sendebetrieb soll laut Sender "so lange wie möglich aufrecht" bleiben.

Bei Okto dürfte es um 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen, die 17 Vollzeitjobs entsprechen.

Radio Orange bisher kein Thema

Der Community-Radiosender Orange wird ebenfalls seit 2004 von der Stadt Wien gefördert. Radio sei bei der Neuordnung der Förderungen "kein Thema", hieß es in Hankes Büro, da gebe es keine Überlegungen für Änderungen.

Blimlinger: Verlust der medienpolitischen Glaubwürdigkeit der SPÖ und der Neos

"In der Stadt Wien wird mit zweierlei Maß gemessen. Jahr für Jahr verpulvert sie Millionen an Steuergeld für Inserate und schleust diese teils geschickt, teils weniger geschickt, an der Medientransparenzdatenbank vorbei", sagt Eva Blimlinger, Mediensprecherin im Grünen Parlamentsklub, "insgesamt pumpt Wien über 30 Millionen Euro jährlich in Werbung, am Geld dürfte es also nicht liegen, dass Förderungen für Qualitätsmedien gestrichen werden."

Es entstehe der Eindruck, "dass für Rathaus-treue Unternehmen eine nie versiegende Quelle an Inseratenbudgets zur Verfügung steht, die frei Hand als verdeckte Förderungen vergeben werden. Auf der anderen Seite wird der nichtkommerzielle Rundfunk, der seit Jahrzehnten einen essentiellen Beitrag zu einem vielseitigen Medienstandort leistet, im Stich gelassen", so Blimlinger. "Während wir Grüne uns auf Bundesebene für eine Aufstockung des nichtkommerziellen Rundfunkfonds stark machen, streicht die Stadt Wien von heute auf morgen ohne Vorwarnung und Begründung die Mittel". Sie erwarte eine "umgehende Korrektur der heute publik gewordenen Entscheidung. Alles andere käme einem endgültigen Verlust der medienpolitischen Glaubwürdigkeit der SPÖ und der Neos gleich".

Für Juraczka ist Förderstopp "längst überfällig"

"Der stetige Druck der Volkspartei Wien hat seine Wirkung gezeigt und offensichtlich zu einem Umdenken bei der Stadtregierung geführt. Die Streichung der Basissubventionen ist ein wichtiger und richtiger Schritt", heißt es in einer Aussendung von Finanzsprecher Manfred Juraczka, Okto sei "seit Jahren mit überbordenden Finanzmitteln subventioniert worden, zuletzt mit 750.000 Euro".

Er verweist auch auf den Stadtrechnungshof und dessen Prüfbericht. Das Problem war wie berichtet unter anderem, dass die Community TV GmbH die Zustimmung der Förderungsgeberin zur Bildung der Rücklagen nicht eingeholt haben dürfte. "Ein Medienunternehmen, das nicht in der Lage ist, Fördergelder ordnungsgemäß abzurechnen und ohne Zustimmung Rücklagen anlegt, ist schlichtweg nicht förderungswürdig. Spät, aber doch, hat Stadtrat Hanke nun endlich die Reißleine gezogen", so Juraczka. Ein Missbrauch von Fördermitteln – die Wiener FPÖ sah einen Verdacht auf missbräuchliche Verwendung – bei der Community TV GmbH, die den Fernsehsender Okto TV betreibt, wurde wie berichtet nicht festgestellt.

Ellensohn: Medienpolitisches Armutszeugnis

Das angedrohte Aus für Okto-TV sei ein "medienpolitisches Armutszeugnis. Die Wiener SPÖ entscheidet hier de facto im Alleingang, bei Neos fühlt sich wieder mal niemand zuständig. Übrig bleibt: Was Rot nicht gefällt, muss weg", sagt David Ellensohn, Klubobmann der Grünen Wien. "Okto war und ist eine erste Anlaufstelle für viele junge Journalist:innen und Medienproduzent:innen. In vielen europäischen Städten gehöre Community-TV selbstverständlich zur Medienlandschaft. Ellensohn: "Wer Meinungs- und Medienvielfalt pflegen möchte, setzt auf Transparenz und Förderung von Pluralität. Wer dahingegen kontrollierbare Berichterstattung und Inseraten-Wildwuchs zum Ziel hat, der füttert Fellner weiter mit Millionen an."

Der Wiener FPÖ-Stadtrat Dominik Nepp gratulierte Ludwig und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr auf Twitter zur Entscheidung. "Jetzt sollte das Geld für die Renovierung von Gemeindewohnungen eingesetzt werden". (red, 27.4.2022)