Pyrotechnische Gegenstände wurden bei der Kundgebung gegen die Corona-Schutzmaßnahmen am 4. Dezember in Wien von den Manifestanten gerne eingesetzt.

Foto: APA / FLORIAN WIESER

Wien – Doch, es ist ein ungewohntes Gefühl, wenn man während eines Strafprozesses ständig den eigenen Familiennamen aus dem Mund von Richterin Martina Frank hört. Auf die Frage "Herr Möseneder, kennen Sie den Strafantrag?", ist man versucht, mit "Nein" zu antworten, wäre der Angeklagte nicht schneller. Der 19-jährige Roman Möseneder, zum Tatzeitpunkt noch Vorsitzender des Rings Freiheitlicher Jugend in Salzburg, kennt die Vorwürfe natürlich: Er soll am 4. Dezember bei einer Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet und einen Polizisten verletzt haben.

Der mittlerweile in Polen lebende Angestellte bekennt sich nicht schuldig, ist aber gleichzeitig bereit, Verantwortung für die Verletzungen eines Polizisten zu übernehmen, mit dem er bei der Kundgebung kollidiert war. Er habe an der Veranstaltung "normal teilgenommen", sagt der mit dem Verfasser weder verwandte noch verschwägerte Möseneder. Der Zug habe sich aufgeteilt, im Bereich der Urania habe er eine Sperrkette durch Polizisten bemerkt. "Die Situation war extrem dynamisch und laut", erinnert sich der Angeklagte, "ich wollte einfach aus der Masse weg." Er sei daher einfach losgerannt, nach wenigen Schritten habe ihn jemand von der Seite touchiert, er sei selbst zu Sturz gekommen, ehe er sich absentieren konnte.

Vermummt aus Angst vor Fotografen

"Sie sagen, Sie haben ganz normal an der Demonstration teilgenommen. Auf den Videos sieht man aber, dass Sie ein schwarzes Kleidungsstück über Mund und Nase tragen und eine Kapuze über dem Kopf haben", hält die Richterin dem Teenager vor. "Das weiß ich von früher, Leute, die einem politisch unliebsam sind, wollen einen fotografieren, wenn man gerade unvorteilhaft aussieht, und stellen das dann ins Internet", erklärt Möseneder seine Vermummung. "Dass einen die Polizei nicht erkennen kann, ist kein Grund?", ist Frank misstrauisch. "Nein, ich hatte ja weiße Schuhe und einen Puma-Sweater an", ist der Angeklagte von seiner Identifizierbarkeit überzeugt.

Bei der anschließenden Vorführung der Videos ist zu sehen, dass teilweise tumultartige Zustände herrschten. Rauchbomben wurden geworfen, in einer Szene ist auch zu sehen, wie der Angeklagte einem dieser pyrotechnischen Gegenstände einen Tritt gibt. Die inkriminierte Handlung ist aber so kurz, dass der Vorfall in Zeitlupe wiedergegeben wird: Möseneder läuft mit anderen los, von links tritt ein Uniformierter in seinen Laufweg, die beiden stoßen zusammen und kommen zu Sturz, eine junge Frau kann taumelnd ausweichen. Nachdem sich der Beamte wieder aufgerappelt hat, wendet er sich sofort in die Gegenrichtung und versucht weitere Demonstranten aufzuhalten.

"Warum haben Sie sich nicht schon wegbewegt, als die Rauchbomben geworfen wurden?", fragt Frank den Angeklagten danach. "Das war auf der Mariahilfer Straße. Ich war mit einem Freund aus Deutschland bei der Demonstration, der war zu diesem Zeitpunkt eingekesselt, ich habe auf ihn gewartet", behauptet Möseneder.

"Ziemliches Chaos"

Der niederösterreichische Polizist, der als Zeuge auftritt, entlastet den Angeklagten dann. "Es war ziemlich ein Chaos, ja", gibt er zur Organisation des damaligen Einsatzes an. Ein Teil der Demonstration habe die vorgesehene Route verlassen, sein Zug habe daher den Auftrag bekommen, rasch eine Sperrkette zu bilden. "So richtig vollendet haben wir die nicht, da wir zu wenig Leute waren und es so schnell gegangen ist", gesteht er ein.

Er selbst habe an diesem Tag eine Zerrung des linken Mittelfingers und ein Hämatom an der rechten Hüfte erlitten, neun Tage sei er wegen des Fingers im Krankenstand gewesen, drei Wochen habe er die Verletzung gespürt. 1.500 Euro Schmerzengeld will der Beamte dafür, Verteidiger Werner Tomanek empfiehlt Möseneder, 300 Euro anzuerkennen, falls es zu einer Diversion kommen sollte.

Tomanek arbeitet mit seinen Fragen nochmals die Defizite bei der polizeilichen Organisation des Einsatzes heraus – so seien die Teilnehmer etwa nicht mittels Durchsage darüber informiert worden, dass sie die vorgesehene Route verlassen haben. "Nächste Woche ist Derby, zum Üben", hat Rapid-Fan Tomanek noch einen Rat für den Polizisten parat.

Verteidiger geißelt Polizeieinsatz

In seinem Schlussplädoyer geißelt er wortreich die Polizei. "Da stellen sie acht oder zehn Stockerauer hin, und 5.000 Demonstranten sollen in Ehrfurcht erstarren!", hält er das Vorhaben für lebensfremd. "Damit hält man nicht einmal einen Wandertag auf!", ist Tomanek sich sicher und fordert einen Freispruch, da für ihn nicht klar ist, ob sich der Polizist nicht auch bei einem anderen Einsatz verletzt haben könnte.

Diesen Wunsch erfüllt ihm Frank nicht zur Gänze. Von den angeklagten Vorwürfen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der schweren Körperverletzung spricht sie Möseneder zwar tatsächlich frei, verurteilt ihn aber wegen grob fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à vier Euro, gesamt also 360 Euro. Dem verletzten Beamten muss der Angeklagte 300 Euro zahlen.

Eine von Tomanek geforderte Diversion sei nicht möglich, begründet die Richterin. Möseneders Schuld sei als schwer anzusehen, wenn man trotz vorangegangener Ausschreitungen weiter an der Kundgebung teilnehme. Der Angeklagte akzeptiert das Urteil, die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 27.4.2022)