Kein schlechtes Gewissen mehr, wenn man wieder einmal mit dem SUV fährt, obwohl es das Fahrrad für die Strecke auch tun würde. Wenn man am Wochenende den Sportwagen so hernimmt, dass der V8 das Benzin schneller verbrennt, als es der Zeiger der Sprituhr anzeigen mag. Wenn man für ein Wochenende in eine fremde Stadt fliegt, nur um dort ein wenig zu shoppen. Das sind die Bilder, welche die E-Fuel-Lobby in unseren Köpfen erzeugen will. Wir müssen nichts ändern, denn E-Fuels sind saubere Treibstoffe, die CO2-neutral verbrennen.

Illustration: Fatih Aydogdu

Und im Großen und Ganzen stimmt das ja auch – zumindest oberflächlich betrachtet. E-Fuels werden im Idealfall aus Strom aus regenerativen Quellen, CO2 und Wasser gewonnen. Es sind also Treibstoffe, die am Ende gleich wie Benzin, Diesel oder Kerosin sind, aber keinen fossilen Energieträger wie Erdöl, Erdgas oder Kohle als Ursprung haben. Weil das CO2, das bei der Verbrennung wieder frei wird, zuvor aus der Atmosphäre genommen wird, geht sich die Rechnung bei der Verwendung von Strom aus erneuerbaren Quellen und grünem Wasserstoff auch wirklich auf null aus. Zumindest wenn der Treibstoff dann auch CO2-neutral transportiert wird und auch die restliche Infrastruktur regenerativen Strom nutzt. Aber so weit ins Detail gehen die Befürworter der E-Fuels eigentlich gar nicht so gerne. Ihr Gesprächsleitfaden knüpft dann doch lieber an anderen Stellen an.

Die Allianz für E-Fuels

Jürgen Roth, Vorsitzender der E-Fuel-Alliance und Obmann des Bundesgremiums Energiehandel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), spricht lieber über den Wirtschaftsstandort, die Vorreiterrolle, welche die heimische Industrie auf dem Gebiet einnehmen könnte – und bezeichnet E-Fuels in der Luftfahrt, Schifffahrt und für Pistengeräte überhaupt als alternativlos. Er fordert einen "technologieoffenen Zugang", denn "Mobilität auf batterieelektrischer Basis alleine wird in keiner Weise genügen, um die Klimaziele rasch zu erreichen. Nur ein vernünftiger Mix aus verschiedenen Technologien wird rasch zum Ziel führen", ist er überzeugt.

"Bis jetzt wollte man in Europa die nächsten zehn bis 20 Jahre nutzen, um Öl und Kohle durch Gas zu ersetzen", erklärt Roth. In der aktuellen Lage müsse man diesen Plan aber überdenken und sich aus der Abhängigkeit von Russland lösen. Die Lösung dafür sind seiner Ansicht nach E-Fuels. Die könnte man hervorragend im Nahen oder Mittleren Osten erzeugen, in Afrika, Australien oder Südamerika – überall dort, wo die Erzeugungskosten für regenerativen Strom bei einem Cent pro Kilowattstunde liegen. Damit wären die Erzeugungskosten für die E-Fuels so niedrig, dass es sich rechnen würde, den Treibstoff um die ganze Welt zu transportieren.

Eine Frage der Verfügbarkeit

Derzeit würde ein Liter E-Fuel wohl vier bis 4,50 Euro an der Tankstelle kosten, schätzen Experten – wenn er in großen Mengen erzeugt würde und überhaupt verfügbar wäre. Das sind E-Fuels allerdings noch nicht. Porsche baut gerade gemeinsam mit Siemens die weltweit ersten kommerziellen Pilotanlagen zur Herstellung von E-Fuels in Chile. Noch heuer sollen dort rund 130.000 Liter "nahezu CO2-neutralen Kraftstoffs" erzeugt werden. Zum Vergleich: 2021 wurden in Österreich 1,9 Milliarden Liter Eurosuper und 7,8 Milliarden Liter Diesel verbraucht. Im Vorkrisenjahr 2019 waren es noch mehr.

Bild nicht mehr verfügbar.

E-Fuels wie eDiesel können Verbrennungsmotoren umweltfreundlicher machen. Die perfekte Lösung scheinen sie aber nicht zu sein, wenn man den Kritikern glaubt.
Foto: AP / Aleksandar Furtula

"E-Fuels sind eine sehr teure Sache: für Pkws undenkbar, bei Lkws mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Brennstoffzelle und vom batterieelektrischen Antrieb verdrängt", sagt dazu Ferdinand Dudenhöffer, Professor vom Center Automotive Research in Duisburg. Und zum hohen Preis käme die schlechte Effizienz noch dazu.

Die Gesamteffizienz eines mit E-Fuels betriebenen Dieselmotor liegt bei rund 15 Prozent

Aus Solarstrom muss erst aufwendig Wasserstoff erzeugt werden. Dieser wird dann wieder unter hohem Energieaufwand mit CO2 zum E-Fuel umgebaut. Wird dieser Diesel dann in einem Motor mit einer Effizienz von rund 40 Prozent verbrannt, liegt die Gesamteffizienz am Ende bei 15 Prozent. "Das heißt, 85 Prozent der Energie gehen verloren. Schlechter geht es eigentlich nicht." Bei einem batterieelektrischen Auto liegt die Gesamteffizienz bei knapp 80 Prozent. Doch damit nicht genug.

Die Transport & Environment (T&E), ein Zusammenschluss nichtstaatlicher, europäischer Organisationen, die sich mit Nachhaltigkeit im Verkehr befassen, fand wenig überraschend heraus, dass Pkws, die mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden, genauso viele giftige Stickoxide wie fossile Verbrenner ausstoßen – und sogar mehr Kohlenmonoxid und Ammoniak.

Maritime Schifffahrt und Flugverkehr

"Im Pkw haben E-Fuels nichts zu suchen, hier ist – bei den Autos, auf die wir wirklich nicht verzichten können – der Elektromotor die derzeit beste verfügbare Lösung", sagt auch Klara Maria Schenk, Klima- und Mobilitätsexpertin bei Greenpeace Österreich. Aber wie Jürgen Roth sieht auch sie Anwendungsbereiche, wo wir E-Fuels brauchen. "In bestimmten Bereichen gibt es bislang keine wirklichen Alternativen zu strombasierten Kraftstoffen, um den Verkehr zu dekarbonisieren. Passagierflugzeuge oder Containerschiffe können nicht batterieelektrisch betrieben werden. Die Energiedichte von Batterien ist dafür zu niedrig." Das sind übrigens dieselben Szenarien, in denen auch Ferdinand Dudenhöffer einen sinnvollen Einsatz von E-Fuels sieht.

"Die Luftfahrt ist weltweit für 2,7 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich", erklärt Günther Ofner, Vorstand der Flughafen Wien AG und Obmann der Berufsgruppe Luftfahrt in der WKÖ. "Wir müssen für eine CO2-neutrale Luftfahrt sorgen. Das geht nur mit alternativen Treibstoffen." Deren Einsatz gibt die Europäische Union ohnedies vor. Ab 2025 müssen zwei Prozent der Flugzeugtreibstoffe nachhaltig sein, bis 2030 fünf Prozent, am Ende sind es 63 Prozent.

Verzicht zu fordern ist Aktionismus

2030 würden in Österreich 100.000 Tonnen dieser Treibstoffe gebraucht werden, rechnet Günther Ofner vor. Und wenn man die Vorlaufzeit für die Errichtung von Erzeugungsanlagen für E-Fuels mitbedenke, wäre es höchste Zeit, eine nationale E-Fuel-Strategie zu entwickeln, ist er überzeugt, und er erwartet sich dafür Förderungen.

"Weniger fliegen zu fordern" hält er für "Aktionismus". Und "teurere Tickets kommen nicht infrage, denn die bringen keine CO2-Einsparungen. Wir wollen nicht diskutieren, wir wollen lieber umsetzen", sagt Günther Ofner. Aber da ist das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen. (Guido Gluschitsch, 28.4.2022)