Die Hoffnung, Aung San Suu Kyi retten zu können, wird angesichts der erneuten Verurteilung der einstigen Regierungschefin immer geringer.

Foto: APA/AFP/STR

Ein Prozess hinter verschlossenen Türen; Anwälte, die sich nicht öffentlich äußern dürfen; ein Urteil, das ohne Nennung von Gründen um einen Tag verschoben wird, und Quellen, die aus Eigenschutz anonym bleiben wollen und ohne die der Schuldspruch wohl erst irgendwann an die Außenwelt gelangt wäre. Die Nebengeräusche des nächsten Schuldspruchs gegen Aung San Suu Kyi zeigen, dass die myanmarische Junta pure Willkür weiterhin auch nur einem Hauch von Transparenz vorzieht.

Die Friedensnobelpreisträgerin und einstige Regierungschefin Myanmars wurde laut diesen Quellen am Mittwoch wegen Korruption zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der 76-Jährigen wurde vorgeworfen, von einem Politiker 11,4 Kilogramm Gold und umgerechnet rund 560.000 Euro angenommen zu haben. Suu Kyi hatte die Vorwürfe als "absurd" zurückgewiesen.

Es ist nicht der erste Schuldspruch für sie durch die von der Militärjunta kontrollierten Gerichte, und es wird auch bei weitem nicht der letzte sein. Bereits im Dezember 2021 setzte es eine vierjährige Haftstrafe, weil sie zu Gewalt aufgerufen und gegen Corona-Maßnahme verstoßen habe. Das Strafmaß wurde kurz darauf auf zwei Jahre Hausarrest herabgesetzt. Im Jänner erhielt sie vier Jahre Gefängnis wegen "illegalen Imports und Besitzes von Walkie-Talkies" und wegen eines weiteren angeblichen Verstoßes gegen Corona-Regeln.

Kritik aus dem Ausland

Suu Kyi ist wegen mindestens 18 Vergehen angeklagt, die meisten davon im Zusammenhang mit Korruption. Insgesamt drohen ihr fast 190 Jahre Haft. Ausländische Kritik an den Prozessen wird als Beeinträchtigung der unabhängigen Justiz abgekanzelt, was aber Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nicht an ebensolcher hindert.

"Die Militärjunta und ihre Scheingerichte sorgen dafür, dass Aung San Suu Kyi quasi lebenslänglich erhält, in Anbetracht ihres Alters", sagte der Vizedirektor der Asien-Abteilung. "Die Zerstörung der Demokratie in Myanmar bedeutet auch, Aung San Suu Kyi loszuwerden – und die Junta überlässt hier nichts dem Zufall."

Der malaysische Außenminister Siafuddin Abdullah erklärte via Twitter, das jüngste Urteil beunruhige ihn, während er gleichzeitig forderte, die Grundprinzipien der Menschenrechte einzuhalten.

Im November 2020 errang Suu Kyis Partei NLD bei der Parlamentswahl die absolute Mehrheit. Am 1. Februar 2021 putschte sich das Militär unter Führung von Min Aung Hlaing mit der Begründung an die Macht, die Wahl sei manipuliert worden. Beweise wurden nicht vorgelegt. Suu Kyi und der Rest der NLD-Spitze wurden verhaftet, die aufkommenden Proteste brutal niedergeschlagen. Dabei kam es zu tausenden Toten sowie Festnahmen. Laut der Menschenrechtsvereinigung Assistance Association of Political Prisoners (AAPP) wurden mindestens 1756 Regimegegner getötet und mindestens 13.282 festgenommen.

Neue US-Sanktionen

Das Militär erklärte damals, die Kontrolle über das Land für ein Jahr übernehmen zu wollen, um die Lage zu beruhigen – ein Versprechen, an das es sich augenscheinlich nicht gehalten hat. Die internationale Staatengemeinschaft reagierte mit umfangreichen Strafmaßnahmen, erst Ende März schnürten die USA ein neues Sanktionspaket.

Vergangene Woche hat die Militärjunta angesichts der Neujahrsfeiern im Rahmen der traditionellen Amnestie 1619 Gefangene freigelassen. Berichten zufolge waren darunter aber keine politischen Gefangenen – also niemand, der gegen die Junta auf die Straße gegangen war, auch keine Journalisten, die ins Gefängnis gewandert waren, weil sie über die Proteste berichtet hatten.

Der weiterhin harte Kurs der Junta ändert nichts daran, dass der Widerstand fortgesetzt wird. Oppositionellen zufolge haben an die 8000 Soldaten desertiert, um sich den andauernden Protesten anzuschließen. Diese Angabe kann nicht unabhängig überprüft werden.

Anzeichen für ein Ende der Junta gibt es aber nicht. Stattdessen meldete das Nachrichtenportal Myanmar Now, dass die Armee am Fluss Muu in der zentral gelegenen Region Sagaing mehr als 10.000 Menschen vertrieben und elf Dörfer zerstört und niedergebrannt hat. Mehrere Zivilisten seien getötet worden, darunter ein buddhistischer Mönch. (Kim Son Hoang, 27.4.2022)