Der russische Gaskonzern Gazprom hat Mittwochfrüh seine Lieferungen nach Polen und Bulgarien ausgesetzt.

Foto: apa/afp/Doychinow

Nach dem Stopp von Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien droht der russische Präsident Wladimir Putin weiteren Ländern mit einem Aus der Gaszufuhr, sollten die Zahlungen beim Staatskonzern Gazprom nicht in Rubel eingehen. Ein entsprechendes Dekret werde umgesetzt, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch.

Polen und Bulgarien hatten sich im Gegensatz zu anderen EU-Ländern geweigert, bei der Gazprombank, wie von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordnet, ein Konto zu eröffnen. Das behauptet zumindest Moskau. Bulgarien hat dies dementiert.

Über ein solches Konto begleicht die OMV die Gasrechnungen. Sie zahlt den Betrag in Euro ein, die Bank konvertiert die Summe in Rubel, alles im Rahmen der geltenden Sanktionen. Litauen hat von sich aus vor einigen Wochen angekündigt, kein Gas mehr aus Russland zu beziehen.

Polen überlegt Anzeige

Polen behält sich vor, Gazprom wegen Vertragsbruchs anzuzeigen und Entschädigung zu fordern.

Da in Polen sowohl das Szenario "Russland dreht den Hahn zu" als auch "Polen verhängt ein Gasembargo gegen Russland" seit Jahren von Ökonomen und Politikern durchgespielt wurde, rief der tatsächliche Gasstopp keine Panik hervor. Noch am Dienstagabend trat in Warschau die polnische Klima- und Umweltministerin Anna Moskwa vor die Presse. Sie verwies auf die zu 76 Prozent gefüllten Gasspeicher, den Flüssiggashafen in Swinemünde (Świnoujście) und die zahlreichen Verbindungen zu Gasnetzen in Nachbarländern. "Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung", sagte sie. "Wir investieren seit Jahren in den Ausbau unseres Energieinfrastrukturnetzes. Ende des Jahres wird auch die Baltic Pipe fertig, die Gas aus Norwegen durch die Ostsee nach Polen bringen wird. Wir sind auf der sicheren Seite."

Noch 2021 war Polen zu 61 Prozent von russischen Gasimporten abhängig, gut 24 Prozent der Gasnachfrage wurde über den Flüssiggashafen gedeckt, der Rest kam überwiegend aus oder über Deutschland. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar hatte Polens Premier Mateusz Morawiecki immer wieder lautstark ein EU-weites Energieembargo gegen Russland gefordert.

Keine Kohle aus Moskau

Am 13. April, als Polens Staatspräsident Andrzej Duda gemeinsam mit den Staatspräsidenten Estlands, Lettlands und Litauens in Kiew bei Präsident Wolodymyr Selenskyj waren, lehnte der Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, mit Mehrheit der nationalkonservativen PiS ein sofortiges Gas- und Ölembargo gegen Russland aber ab. Polen wird den Ende 2022 auslaufenden Gasliefervertrag mit Gazprom nicht verlängern, begründete Morawiecki seine Neinstimme bezüglich des Embargos. Bei Kohle hat Polen im Alleingang ein Embargo gegen Russland verhängt. Es ist seit 16. April in Kraft.

Durch den Gasstopp wird dem LNG-Hafen in Swinemünde eine Schlüsselrolle zukommen. Bisher war der noch während der Regierung des liberalen Premiers Donald Tusk konzipierte Terminal nur zu einem Drittel ausgelastet, weil LNG aus den USA im Vergleich zu russischem Pipelinegas zu teuer war. Dies hat sich seit Kriegsbeginn geändert. Wichtig wird auch die Baltic Pipe durch die Ostsee sein, die ab Oktober Gas aus Norwegen nach Polen pumpen soll. Polen wird bei akuter Gasknappheit aber auch auf EU-Unterstützung zählen können. Das gilt auch für Bulgarien.

Bulgarien setzt auf Pipeline aus Griechenland

Energieminister Aleksandar Nikolow hat am Mittwoch angekündigt, dass es keine Einschränkungen bei der Gasversorgung geben werde und dass der bulgarische Staat für mindestens einen Monat alternative Lieferungen bereitgestellt habe. "Dies wird uns Zeit geben, zusammen mit der Europäischen Kommission und den Partnerländern eine nachhaltigere Lösung für die Situation zu finden", sagte Nikolow. "Solange ich Minister bin, werde ich nicht zulassen, dass Bulgarien erpresst und als Geisel genommen wird", fügte er hinzu.

Von essenzieller Bedeutung für Bulgarien ist nun, dass die in Bau befindliche Pipeline nach Griechenland fertiggestellt wird. "Wenn die Regierung die richtigen Schritte macht, funktioniert das bis Herbst", sagte der Ex-Vizepremier von Bulgarien, Atanas Pekanov, dem STANDARD. Die bulgarische Regierung hat sich in den vergangenen Monaten bereits intensiv damit auseinandergesetzt, dass Russland die Gaslieferungen stoppen könnte. So habe man in den vergangenen Monaten daran gearbeitet, alternative Gasmengen etwa aus Aserbaidschan zu beschaffen. (Gabriele Lesser aus Warschau, Günther Strobl, Adelheid Wölfl, 27.4.2022)