Camilla Parker Bowles.

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In der Serie "Geradegerückt" betrachten wir Geschichten über weibliche Berühmtheiten genauer und fragen, welche Erzählungen sich über diese Frauen durchgesetzt haben – und was daran womöglich falsch ist.

Camilla Parker Bowles war über Jahrzehnte hinweg der Inbegriff der "anderen Frau". Sie war die, die das Märchen zerstörte und eine schöne, romantische Liebe torpedierte. Dabei war es eigentlich sie, die lange Zeit um eine Liebesgeschichte gebracht wurde.

Doch zuvor: Warum müssen wir eine Frau wie Camilla Parker Bowles rehabilitieren? Haben Menschen mit derart viel Geld und Besitz – auch aus ihrer Herkunftsfamilie – nicht schon genug Privilegien? Müssen wir da ihren Ruf aufpolieren? Ja, müssen wir. Denn es geht nicht nur um das weit verbreitete Bild dieser einen Frau, sondern es handelt sich bei der Geschichte von Camilla Parker Bowles um eine universelle Geschichte des Frauenhasses. Eine Geschichte unter vielen, die entstehen, wenn Männer ein Verhältnis haben und nobel in den Hintergrund treten, während zwischen den involvierten Frauen ein Catfight inszeniert wird. Oder der einen das Label der Heiligen und der anderen das der Hure verpasst wird.

Und insbesondere diese eine Geschichte sollten wir auch deshalb geraderücken, weil sie über Jahrzehnte in diversen Klatschblättern ausgewalzt wurde – und ihre misogyne Botschaft Millionen Menschen erreichte. Aber das waren doch die 1990er-Jahre, lange her. Damals, als Diana gerade als betrogene Ehefrau ein vielbeachtetes Interview gab, damals, als sie, Diana, tragisch ums Leben kam und die Menschen quasi aus Pietät Camilla Parker Bowles, die wahre Liebe von Prinz Charles, hassten. Alles lange her.

"Schäm dich!"

Könnte man glauben, aber nein: Der Hass dauert an und sitzt offenbar tief. So hat die erfolgreiche Serie "The Crown" (seit 2016) bei vielen diesen Hass wieder aufflammen lassen. Dabei erzählt die Serie über die britische Königsfamilie, als die Geschichte in die 1970er-Jahre vordringt, die Affäre zwischen Charles und Camilla im Grunde sehr fair. In der fünften und sechsten Staffel erfahren wir noch einmal, wie sich die beiden kennengelernt haben, Camilla wird als coole und selbstbestimmte junge Frau dargestellt. Eine Frau, die kein Interesse daran hat, den künftigen König an sich zu ketten – eher im Gegenteil. Ihr schien bewusst zu sein, was es heißt, in die britische Königsfamilie einzuheiraten – und dass sie für die Queen keineswegs eine geeignete Kandidatin ist. Trotz dieser wohlwollenden Darstellung rund um den Beginn der Liebesgeschichte zwischen Camilla und Charles, die 2020 ausgestrahlt wurde, wurde die nunmehrige Ehefrau von Charles wüst beschimpft.

"Schäm dich für immer, Camilla!", ließen sich Menschen auf Instagram aus. "Camilla, die Welt hasst dich!" Und schließlich: "Ich weiß, dass es lange her ist. Aber ehrlich gesagt bin ich verärgert, weil Camilla eine verheiratete Frau und Charles mit Diana verheiratet war. Sie haben ihre Ehepartner völlig missachtet, und jetzt werden sie als glücklicher König und glückliche Königin gefeiert."

Sie wusste um ihren Status

Beginnen wir am Anfang: Camilla Parker Bowles wurde 1947 als Tochter von Bruce Middleton Hope Shand, Major und Lord Lieutenant, und Rosalind Shand, Tochter eines Barons, geboren. Was in Camillas Schilderungen ihrer Familiengeschichte niemals fehlt: Sie ist auch die Urenkelin von Alice Keppel, einer Geliebten von König Eduard VII., die starken Einfluss auf ihn hatte. Das bot freilich auch noch dieses und vergangenes Jahrhundert Stoff für die Erzählung, Camilla würde somit der Status der "Mätresse" im Blut liegen.

Nach ihrer Ausbildung in Schulen in der Schweiz und Paris arbeitete sie kurz als Raumausstatterin, was ihr einziger bürgerlicher Beruf war. Prinz Charles traf sie dort, wo sich Oberschicht und Adel nun einmal herumtreiben: bei einem Polospiel. Es war Anfang der 1970er-Jahre, und Charles soll sich rasch und sehr heftig in sie verliebt haben. Über Camillas anfängliche Gefühle ist weniger bekannt, ihr schien aber von Beginn an klar gewesen zu sein, dass es mit einer Ehe nichts wird. Denn sie konnte damals weder mit Jungfräulichkeit dienen noch damit, ein wichtiger Teil der britischen Aristokratie zu sein.

Die junge Frau wusste also um ihre Mangelhaftigkeit für den Hochadel und darum, dass das verhindern würde, in die königliche Familie einheiraten zu können. Ein klarer Hinweis auf ihre pragmatische Sichtweise ist ihre Verlobung mit Andrew Parker Bowles 1973, als Charles gerade für mehrere Monate mit den Streitkräften auf See war. Etwa sieben Jahre nach ihrer Hochzeit bandelten Camilla und Charles wieder an. Als Charles Diana heiratete, gingen die beiden wieder auf Distanz, aber nur kurz. Derweil verliebte sich die Presse in Prinzessin Diana. Obwohl auch Lady Di adelig war, wurde sie von Beginn an als eine "von uns" inszeniert.

Viele werden sich an die Bilder erinnern, als sie sich von Fotografen verfolgt ihren Weg in ihren damaligen Job als Kindergartenhilfe bahnte. Sie war jung, gerade einmal 16 Jahre alt, als sie als Charles' Zukünftige ins Rampenlicht trat. Und sie war Jungfrau. Ein Traum, was für ein Märchen! Gar nicht zu sprechen von der königlichen Hochzeit 1981 in der Londoner Saint Paul's Cathedral.

Schön müssen sie sein, die Frauen

Doch es kriselte bekanntlich schnell in der Ehe zwischen Charles und Diana. Schuld war laut Beobachter:innen aber freilich nicht Charles' falsche Entscheidung oder dass er sich den Einmischungen seiner Familie in Heiratsdingen nicht erwehrte, sich fügte, Camilla aufgab und so ein Beziehungschaos provozierte. Nein, als unheilvolle Figur in dem ganzen Drama rückte Camilla Parker Bowles in den Vordergrund. Medienberichte und der endlose Tratsch befassten sich fast ungläubig damit, wie Charles seine wunderschöne Gattin mit "so einer" betrügen kann. Also weswegen wird eine Frau begehrt? Wegen ihrer Schönheit – etwas anderes zählt nicht, das war die Botschaft.

Pferdeliebhaberin Camilla.
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Doch Charles und Camillas Ehen waren gescheitert. Ihre Beziehung zueinander aber hielt. Spätestens als Diana in einem vielbeachteten BBC-Interview im Jahre 1995 sagte, dass es eine "Ehe zu dritt" gewesen sei, wurde Parker Bowles zur Hassfigur. "There were three of us in this marriage, so it was a bit crowded", das waren die Worte Dianas – und Camilla wurde zu der, die sich in diese Ehe hineingedrängt hatte. Sie wurde zur "meistgehassten Frau Großbritanniens", wie sie in den Jahren darauf immer wieder bezeichnet wurde.

Ein Butler will gehört haben, Diana hätte in den ersten Krisen ihrer Ehe von Camilla als "Rottweiler" gesprochen. Dieses Bild eines sich in einen Prinzen festbeißenden Hundes verfestigte sich und wurde von der Yellow Press mit Freude aufgegriffen. Ende der 1980er-Jahre war es vorbei mit der Ehe zwischen Charles und Diana. In den darauffolgenden Jahren wurde immer klarer, dass eine Scheidung unumgänglich war. Als 1995 Diana das besagte legendäre BBC-Interview gab, sollte es noch ein gutes Jahr dauern, bis die Scheidung durch war. Wiederum ein Jahr später kam Prinzessin Diana in Paris bei einem Autounfall ums Leben.

"Prinzessinnengemahlin" statt Königin

Noch sehr lange nach Dianas Tod blieb die Beziehung von Charles und Camilla den Augen der Öffentlichkeit verborgen. Erste gemeinsame öffentliche Auftritte gab es erst im Jahr 2000, und nochmal drei Jahre wurde zugewartet, bis Camilla bei Charles einzog. In all den Jahren wurde immer wieder öffentlich debattiert, was ihr an der Seite von Charles zusteht, was nicht und welchen Status sie in der königlichen Familie haben dürfe.

Als sie 2005 heirateten, wurde festgelegt, dass sie dennoch nicht "Königin" werde, wenn Prinz Charles den Thron besteigt. Stattdessen solle sie als "Prinzessinnengemahlin" (Princess Consort) bezeichnet werden. Alle Pflichten einer Königsgemahlin hätte sie freilich trotzdem zu erledigen. Auch im Jahr ihrer Hochzeit, 27 Jahre nach der Hochzeit von Charles und Diana, trieb die "Bild"-Zeitung noch immer in einer Schlagzeile die Frage um: "Was hat die, was Di nicht hatte?"

Trotz der nicht abreißenden Häme kam sie in all den Jahren sämtlichen Aufgaben nach, die sie als Frau des künftigen Königs zu erfüllen hatte. Sie tat das offenbar mit so viel Pflichtgefühl, Sorgfalt und ohne großes Bahö um sich selbst, dass sie inzwischen – Jahrzehnte später – doch noch einige Sympathien der Britinnen und Briten gewinnen konnte. Unter den vielen Schirmherrschaften, die zum Job eines Royals gehören, finden sich auch solche für Organisationen, die sich für Opfer von Vergewaltigung, sexuellem Missbrauch und häuslicher Gewalt einsetzen. Im Herbst 2021, als die Vorwürfe gegen Prinz Andrew, eine minderjährige US-Amerikanerin missbraucht zu haben, schon bekannt waren, warnte sie bei einem öffentlichen Termin vor einer "Kultur des Schweigens" bei sexuellem Missbrauch von Frauen und Mädchen.

Anfang dieses Jahres wurde dann auch die Queen weich, die höchste Instanz jener Königsfamilie, die "eine Frau wie" Camilla Parker Bowles so lange verhindern wollte. Zu ihrem 70. Thronjubiläums erklärte Elizabeth II., dass Camilla als Begleiterin von König Charles den Titel "Queen" erhalten darf. (Beate Hausbichler, 29.4.2022)